20. März 2011: 7. Sonntag im Jahreskreis

Ich werde einen Ausspruch eines meiner Kapläne nie vergessen:
Der Himmel ist, wenn du deinem größten Feind in die Augen schaust und aus seinen Augen nichts als Liebe strahlt.

Der Himmel ist, wenn es keine Feindschaft mehr gibt.

Das Matthäusevangelium setzt die Bergpredigt fort mit dem Abschnitt über die Feindesliebe. Ich muss deshalb an den einleitenden Satz erinnern, den wir letzten Sonntag hörten:

„Wenn eure Gerechtigkeit nicht viel größer ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“

Diese viel größere Gerechtigkeit beschreiben die Sätze über die Feindesliebe höchst anschaulich und provozierend:
Provozierend! Vielleicht stört sie dieses Wort. Aber es diese Aufforderungen Jesu sind eine Provokation:
„Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, halt ihm auch die andere hin.“ Bis hin zu dem Gebot: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen.“

Was soll das für eine Liebe sein, mit der ich den Feind lieben könnte?

Wenn mir Feindseligkeit begegnet reagiere ich entweder wütend und entwickle spontane Rachegelüste. Mindestens aber jammere ich und beklage mich über das, was mir angetan wird oder wurde.

Jesus sagt aber, ich soll meinen Feind lieben!?
‑ dann ist meine Gerechtigkeit so groß, dass ich in das Himmelreich komme. Auch hier merke ich wieder wie ich überfordert bin – das kann ich nicht schaffen. Vielleicht schaffe ich es, meine Rachegelüste wieder zu bändigen. Vielleicht schaffe ich es manchmal, darüber nachzudenken, wie ich es hinbringen könnte, dass wir wenigstens einander nichts Böses tun. Wie kann ich dem anderen seine Grenzen zeigen, ohne mich zu rächen, ohne Gewalt anzuwenden?

Aber den lieben, der sich feindselig zu mir verhält?
Das ist sehr oft zu viel. Das schaffe ich nicht!

Durch das Gebot der Feindesliebe muss ich erkennen: In das Himmelreich komme ich nicht durch meine Gerechtigkeit.

Doch bevor ich anfange darüber zu trauern,
bevor ich den Mut verliere oder damit beginne, verzweifelt gegen mich und meine automatischen Gefühlsreaktionen anzukämpfen,
führ mich das Evangelium einen Schritt weiter:

Damit ihr Söhne (Kinder) eures Vaters im Himmel werdet;
denn er lässt seine Sonne aufgehen über Gerechte und ungerechte und er lässt es regnen über Gerechte und Ungerechte.

Der Vater im Himmel schenkt uns das Leben – obwohl wir hinter seiner Gerechtigkeit zurückbleiben. Wir wählen aus, wen wir mögen und wen nicht. Gott aber – das ist Jesu Lehre – teilt das Leben aus an Gerechte und Ungerechte.

Zum Glück: denn sonst wäre ich ebenso ausgeschlossen.

Dennoch: Wer daran glaubt, dass jeder Mensch sein Leben von Gott empfangen hat, der wird, der kann daraus Konsequenzen ziehen.

Ich kann nicht mehr beschließen, jemandes Feind zu sein,
denn damit würde ich leugnen, dass wir beide geliebte Kinder Gottes sind. Wenn Gott diesen Menschen als sein Kind liebt,
kann ich nicht sein Feind sein wollen.

So ist der Glaube an Gottes Freundschaft zu jedem Menschen
der Ursprung meines Strebens nach Versöhnung mit allen Menschen.

Amen.

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