Die Ansprache hielt der Pastoralreferent in der Pfarrei Herz Jesu H. Wolfgang Kaiser
Fastenzeit – Abnehmen oder Zunehmen ?
In einer katholischen Pfarrei in Oberösterreich lud der Pfarrer im Pfarrbrief kurz vor der Fastenzeit seine Gemeinde mit folgenden Worten zur Eröffnung der Fastenzeit am 1. Fastensonntag ein:
„Aus der Sicht eines kirchlichen Insiders stelle ich mehr und mehr fest, dass das Fasten die Christen in unseren Breiten so sehr schwächt, dass sie in dieser Zeit noch nicht einmal mehr in der Lage sind, den Gottesdienst zu besuchen. Um diesem Missstand entgegen zu wirken, laden wir sie nach dem Gottesdienst am 1. Fastensonntag zu einem Mittagessen mit anschließendem Kaffee und Kuchen ein! “
Ein Schelm wer arges dabei, denkt möchte man gern sagen. Falsch hat er ja nichts gemacht. Zählen die Sonntage in der Fastenzeit ja nicht zur vierzigtägigen Buß- und Fastenzeit.
Uneingeweihte dagegen könnten jetzt auf den Gedanken kommen in der katholischen Pfarrei wird die kirchliche Fastenordnung nicht mehr ernstgenommen und es ginge nicht mehr ums Abnehmen, was ja viele mit der Fastenzeit verbinden, sondern ums Zunehmen.
Und genau darum ging es diesem Pfarrer mit seiner Provokation:
Fastenzeit heißt nicht abnehmen sondern zunehmen.
Ein faszinierender Gedanke: In den 40 Tagen auf Ostern hin geht es ums Zunehmen.
Sicherlich haben sie jetzt schon gespürt, dass der eigentliche Sinn der Fastenzeit nicht der Wettbewerb sein kann: Wer verliert die meisten Pfunde, Wer entschlackt am besten. Sicherlich kann das ein schöner Nebeneffekt sein, wenn es darum geht sich in der Fastenzeit einmal Gedanken zu machen über seine Ess- und Trinkgewohnheiten.
Ehrlicher gesagt: Sein Balancegefühl wieder einzuüben dass ja oft gestört wird von dem Zuviel an Lustgewinn.
Denn neben dem Zuviel an Essen und Trinken, gibt es noch andere Schauplätze die uns das Abnehmen erschweren.( Denken sie an das geliebte Auto, dass sie mit Verachtung straft, wenn sie es sinnvollerweise öfters mal stehen lassen würden und dafür zu Fuß gehen würden, Denken sie an ihren Fernseher, der ihnen schwarze strafende Blicke zuwirft, wenn sie ihn auslassen und dafür selber etwas mit ihrer Zeit anfangen).
Sie und ich können sicher in einer ruhigen Minute selber einmal eine Liste erstellen was uns das Abnehmen so schwer macht.
Also wie gesagt, dass mit dem Abnehmen ist wirklich nicht leicht und ehrlich gesagt nicht nur in der Fastenzeit.
Dann könnten wir doch einmal den anderen Vorschlag betrachten. Fastenzeit heißt zunehmen.
Klingt auf den ersten Blick sympathisch, aber ob es ein sinnvoller Weg für Sie für mich sein kann, dürfen sie am Schluss selber entscheiden.
Im Brief an die Gemeinde von Korinth sagt Paulus: Lasst euch mit Gott versöhnen.
Da steht schwarz auf weiß eben nichts von Abnehmen sondern vom Zunehmen. Unser Leben mit Gott versöhnen zu lassen soll zunehmen. Aber wie geht das?
An erster Stelle steht uns da eine Lebenshaltung im Weg, die modern gesprochen OUT ist. Jesus nennt sie lapidar UMKEHR
Umkehr ist für uns ja im alltäglichen Leben eher mit negativen Gedanken besetzt. Keiner von uns kehrt gern um ob als Autofahrer oder Wanderer.
Wenn ich umkehren muss weil es einfach nicht mehr anders geht ist meistens ein Gefühl der Ohnmacht, der Wut und der Enttäuschung damit verbunden. Denn ich muss mir eingestehen, dass ich buchstäblich auf dem falschen Weg bin. Gründe dafür kann es viele geben. Übersehene Wegmarkierungen oder Hinweisschilder, falsch eingegebene Daten beim Navi oder einfach nur Selbstüberschätzung (Den Weg kenn ich eh, denn bin ich doch schon hundertmal gegangen, die Strecke bin ich doch letztes Jahr schon so gefahren). Umkehren müssen bedeutet dann Zeitverlust, Ärger, Stress.
Aber Umkehren kann auch positive Seiten haben. Jeder Bergwanderer weiß, dass bei bestimmten Wetteranzeichen ein weitergehen Leben und Gesundheit gefährden würden. Kein vernünftiger Mensch würde weitergehen.
Umkehren ist dann keine Schande, sondern Not – Wendig, Ja kann Lebens-Notwendig sein.
Wenn also von Umkehr die Rede ist und ganz besonders wenn Jesus uns zur Umkehr einlädt, dann bedeutet das eben kein Abnehmen von Lebensqualität sondern ein Zunehmen von Lebensperspektiven.
Könnte es nicht sein dass Gott, der mein Leben versöhnt anschaut mich dann spüren lässt: – es stimmt in manchen Bereichen etwas nicht mehr so, irgendwas liegt bei mir „quer“, raubt mir jegliche Motivation und Lebensfreude.
Könnte es nicht sein dass gerade da Gott mir ein Zunehmen von Lebensperspektive eröffnen will?
Könnte es nicht sein wenn ich in meinem Leben achtsam mit mir, meinen Freunden, meiner Familie, meinen Kollegen umgehe?
Könnte es nicht sein wenn ich in meinem Leben rücksichtsvoll und nachhaltig mit meiner Umwelt, mit Genussmittel, Medien und Geld umgehe?
Könnte es nicht sein, wenn ich mich von Gott in der Stille, im Beten, im feiern des Gottesdienstes miteinander, berühren lasse?
Könnte es nicht sein, wenn ich versuche solidarisch zu leben, mit Menschen die auf unsere Hilfe angewiesen sind?
Könnte es dann wirklich sein, dass Ihnen, dass mir, das unseren Mitmenschen ein Mehr geschenkt wird, eine Zunehmen von Lebensqualität und Lebensmut?
Das Aschenkreuz, mit dem wir uns heute bezeichnen lassen wird diese Fragen begleiten und uns Mut geben auf Ostern hin einen Antwortversuch zu geben.
Fastenzeit – Nicht Abnehmen sondern Zunehmen, denn Gottes versöhnende Liebe nimmt da zu, wo sie bei uns immer wieder abnimmt.
Und so wünsche ich Ihnen und mir für diese Fastenzeit das der folgende Segenszuspruch jeden Tag mehr für Sie für mich zunimmt:
Keinen Tag soll es geben, da du sagen musst,
niemand ist da, der mir die Hände reicht.
Keinen Tag soll es geben, da du sagen musst,
der mit mir Wege geht.
Und der Friede (die Versöhnung) Gottes,
der höher ist als unsre Vernunft,
der halte unsern Verstand wach und unsre Hoffnung groß
und stärke unsre Liebe.
Keinen Tag soll es geben, da du sagen musst,
niemand ist da, der mich mit Kraft erfüllt.
Keinen Tag soll es geben, da du sagen musst,
niemand ist da, der mir die Hoffnung stärkt.
Keinen Tag soll es geben, da du sagen musst,
niemand ist da, der mich mit Geist beseelt.
Keinen Tag soll es geben, da du sagen musst,
niemand ist da, der mir das Leben schenkt.
(Liedtext von Uwe Seidel)