25. September: 26. Sonntag im Jahreskreis

Es ist ein weiter Sprung im Matthäusevangelium von der Geschichte des Gutsherrn, der alle Knechte gleich bezahlt (25. Sonntag im Jahreskreis) – bis zu der für heute vorgesehenen Gleichnisgeschichte vom Vater, der seine beiden Söhne anweist, im Weinberg zu arbeiten:

Inzwischen ist Jesus nach Jerusalem gekommen und wurde von den Menschen wie ein König empfangen – auf einem Esel reitend.
Im Tempel hatte Jesus Aufsehen erregt: Er hatte die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel vertrieben und Blinde und Lahme geheilt.
Da kamen die Hausherren zu ihm und fragten: „Mit welchem Recht, mit welcher Vollmacht tust du das?“ – Jesus ist in einer Zwickmühle:

Würde er sagen: der Vater im Himmel hat mir befohlen, dies zu tun – man würde ihn der Gotteslästerung beschuldigen.
Würde er antworten: Aus eigenem Antrieb handle ich. Dann würde er verschweigen, dass er in Gottes Kraft und Gottes Geist handelt. Er würde seinen Vater im Himmel verraten.

Deshalb bracht er seinerseits die Hohenpriester und Schriftgelehrten in die Zwickmühle und fragte: „Woher stammt die Taufe des Johannes?“
Würden sie antworten: vom Himmel, dann hätten sie ihm glauben müssen. Antworten sie: „Das war seine eigene Idee.“ – dann hätten sie die Leute gegen sich, die Johannes für einen Propheten hielten. Also sagten sie: Wir wissen es nicht.

Darauf erzählt Jesus drei Gleichnisse. Das erste ist das von den beiden Söhnen, die der Vater zum Arbeiten in den Weinberg schickt:
Da kommen die Hohenpriester schlecht weg. Denn durch ihren Unglauben gleichen sie dem einen Sohn, der zwar seine Bereitschaft kundtut – aber doch nichts tut. Die Kreditbetrüger und Prostituierten hingegen, die Johannes glaubten und ihr Leben änderten – sie gleichen dem anderen Sohn, der schließlich doch in den Weinberg ging.

Das Matthäusevangelium stellt damit einen engen Zusammenhang her zwischen „Glauben“ und „Tun“.

Hier berührt sich die Botschaft dieser Geschichte mit dem Brief des Paulus an die Philipper.
Paulus ruft uns Christen auf, einmütig zu sein, dass einer den anderen achtet und unterstützt, dass jeder das Wohl des anderen im Auge hat – genauso wie da eigene.
Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus entspricht, der nicht daran festhielt, wie Gott zu sein, sondern Mensch wurde und den Tod am Kreuz erlitt – um die Treue Gottes und die Vergebung Gottes zu offenbaren.

An Jesus glauben – das heißt:
Für den Frieden, die Versöhnung und für den gerechten Ausgleich zwischen den Menschen zu leben.
Denn genau dies ist die Botschaft Jesu:  Das Reich Gottes, die ewige Zukunft der Menschen,  ist Versöhnung, ist Frieden, ist Gerechtigkeit und Leben in Fülle.

Das sind unsere Ideale, denen wir folgen sollen.

18. September 2011: 25. Sonntag im Jahreskreis

Jungen laufen um die Wette.
Viele Menschen strengen sich an, um die besten, die ersten zu sein,
oder auch die schönsten oder um ganz nach oben zu kommen.

Ehrgeiz ist menschlich!

Damit verbindet sich noch ein anderes Bedürfnis: Wer besser ist, verdient die Medaille;
der 1. Preis ist Gold, der zweite Silber, der dritte Bronze!

Dieses Bedürfnis nach Gerechtigkeit ist menschlich!

Und deshalb provoziert diese Gleichnisgeschichte, die Jesus seinen Jüngern erzählt hat! Am Ende wiederholt Jesus den Satz, den er mit dieser Geschichte erklären wollte: So werden die letzten die Ersten sein!
Zuvor nämlich hatte Petrus gefragt: „Jesus, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Was werden wir dafür bekommen?“
Für Petrus – den Jesus zum Felsenmann erklärt hatte – und die anderen Jüngern, die Aposteln, und für alle, die sich zu Jesu Freunden zählen, hat Jesus diese Geschichte erzählt. Die Geschichte ist so erzählt, dass Petrus sich mit den Arbeitern identifiziert, die schon früh am Morgen in den Weinberg gegangen waren.
Petrus musste sich die Geschichte anhören, weil er das Gefühl hatte: er und die anderen Apostel müssten im Himmel doch ein wenig besser dastehen als andere.

Was soll er nun verstehen durch diese Geschichte??

Ich persönlich würde es so sagen: Wenn das Glas voll ist, dann ist es voll!
Gönne es jedem, wenn sein Glas genauso voll wird wie das deine!
Beanspruche nicht einmal, der erste sein zu wollen, dessen Glas gefüllt wird. Sei zufrieden mit dem vollen Glas!

Auf das Himmelreich bezogen:  Wenn wir einmal in Gottes Herrlichkeit leben, gibt es kein weniger oder mehr. Gottes Herrlichkeit ist vollkommen. Es gibt keinen Himmel 1. Oder 2 Klasse! Im Himmelreich gibt es nur Goldmedaillen!

Doch auch in diesem Leben kann ich daraus meine Lehren ziehen:

Ich kann mir und anderen viel Verdruss und Leid ersparen, wenn ich das Leistungsprinzip durch Gerechtigkeit nach Gottes Art überwinde.
Ich muss nicht beanspruchen, mehr zu gelten als andere!
Ich kann anderen gönnen, wenn es ihnen gut geht.
Ich brauche nicht zu denken: das hat die doch gar nicht verdient.
Ich kann – aus freien Stücken – das meine mit anderen teilen und es ihnen zur Verfügung stellen.
Ich darf aufhören, mich mit anderen zu vergleichen, um zu beweisen, dass ich besser, schneller, klüger bin und deshalb größere Ansprüche stellen darf.
Ich kann zufrieden sein mit dem was ich habe!

Das ist keine Anweisung für Tarifpartner und Finanzminister!
Das ist kein Geheimwissen für Personalentscheidungen!
Das ist eine freundschaftliche Einladung an Petrus und alle Christen,
das Prinzip der Selbstbezogenheit,
Neid und Konkurrenz endgültig aufzugeben.

11. September 2011: 24. Sonntag im Jahreskreis

Diese Geschichte im Mt. Ev verstehe ich auf Anhieb: Die Christen sollen sich bewusst werden, dass jeder einzelne Gottes Vergebung erbittet und empfängt. Darum sollen die Jünger Jesu bereit sein, einander zu vergeben!

Dieser Gedanke hat einige Voraussetzungen – ich bin mir nicht sicher, ob wir und unsere Mitmenschen vor der Kirchenmauer, sie so verstehen und annehmen können. Darüber muss geredet und nachgedacht werden.
Und darüber hinaus: Am Ende dieser Geschichte erscheint Gott als unerbittlichen Richter – um dem Aufruf zur Vergebungsbereitschaft durch die Drohung mit der ewigen Verdammung Nachdruck zu verleihen – Ist das nicht ein Rückfall in die Angst vor Gottes Strafgericht?

Es fängt an mit der Frage des Petrus: Wie oft muss ich meinem Bruder, meiner Schwester vergeben? Siebenmal? Also praktisch uneingeschränkt? Ich höre einen besorgten Ton heraus: „Muss ich meinem Bruder, meiner Schwester wirklich immer wieder – unbegrenzt – vergeben?“

Diese Frage thematisiert eine Schwierigkeit im menschlichen Zusammen­leben: Es gibt Streit und Zerwürfnisse – und zwar zwischen Menschen, die eigentlich in Frieden miteinander leben sollten, um gut leben zu können: Nachbarn, Familienmitglieder, Freundeskreise, Kollegen, Gemeindemitglieder.

Petrus spricht vom „Vergeben“. Was heißt eigentlich vergeben und wie geht es? Wenn es mir gelingt, zu vergeben, passiert etwas in meinem Inneren: ich höre auf, die andere Person auf das Unrecht festzulegen, das sie mir angetan hat. Ich höre auf, ihr Vorwürfe zu machen.
Vergeben heißt: ich bin wieder in der Lage, offen und ohne Vorbehalt mit dieser Person umzugehen.
Vergeben wird leichter, wenn ich verstehen kann, warum die Person so gehandelt hat; was sie beabsichtigte. Erst recht, wird Vergebung leichter, wenn die andere Person ihr Unrecht einsieht.

Wie ist das nun zwischen Mensch und Gott? Ist der Mensch vor Gott wirklich schuldig? Sind wir Sünder vor Gott?
Ist es also nötig und angebracht, dass wir zu Beginn der Messfeier jedes Mal Gott um Vergebung bitten?
Die Bibel spricht jedenfalls von Anfang bis Ende davon, dass der Mensch vor Gott ein Sünder ist. Jesus spricht beim letzten Abendmahl davon, dass er sich hingibt, zur Vergebung der Sünden.

Eigentlich erübrigt sich die Frage: denn wenn ich zugebe, dass ich an einem Mitmenschen schuldig geworden bin, dann ist damit zugleich gesagt, dass ich vor Gott schuldig geworden bin, der der anderen und mir das Leben schenkt.
Die Gebote, nicht zu lügen, nicht zu betrügen, nicht die Ehe zu brechen, Vater und Mutter zu ehren – nicht mal diese grundlegenden Gebote befol­gen wir Menschen alle und immer. Geschweige denn das Gebot Jesu, dass ich jeden Mitmenschen lieben soll: dass ich ihm gutes und gut tun soll.

Diese Voraussetzung der Geschichte von den beiden Knechten stimmt: Vor Gott, der mir das Leben gibt und mich beruft, als sein Ebenbild zu leben, vor ihm bin ich ein Mensch, der immer wieder Schuld auf sich lädt, der vieles schuldig bleibt.
Befreiend ist die Zusage, dass Gott bereit ist, mir zu vergeben, selbst wenn ich unvorstellbare große Schuld auf mich laden sollte.

Dennoch kann ich mich, wenn ich mein Leben vor Gott ernst nehme, nicht aus der Verantwortung stehlen: Gerade, weil ich auf Gottes Vergebung vertraue, gerade deshalb, möchte ich doch so sein und leben, dass ich Gottes Vergebung nicht zu sehr beanspruchen muss.
Ich kann nicht anders, als auch meinem Mitmenschen zu vergeben – und immer wieder zu vergeben. Wollte ich ihn auf seine Schuld mir gegenüber festnageln – ich würde doch damit das Vergebungsangebot Gottes aus der Hand schlagen. Ich würde leugnen, dass ich selbst Vergebung nötig habe.

Ich will versuchen, in einem Satz zusammenzufassen, was dieses Gleichnis mich lehrt:
Habe keine Bedenken, dem anderen immer wieder zu vergeben; dem anderen die Vergebung zu verweigern würde bedeuten, das göttliche Geschenk der Vergebung abzuweisen und zurückzufallen in die Angst vor Gottes Strafe.

Schwestern und Brüder! „Vergeben“ ist nicht leicht. Denken wir darüber nach: Gibt es jemand, gegen den ich Groll im Herzen trage? Wie könnte ich diesen Groll überwinden? Was hindert mich daran?
Manchmal komme ich nicht weiter als zu sagen: Ich möchte vergeben können – aber auch das ist schon ein erster Schritt.