13. November 2011: 33. Sonntag im Jahreskreis

Wer hat dem wird gegeben und er wird im Überfluss haben! Wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.

In der neutestamentlichen Exegese nennt man dies „Weisheitsspruch“!
Ich frage mich: Welche Weisheit ist hier ausgedrückt? Auf Anhieb erschließt sich mir das nicht.

Wer hat was? Also zum Beispiel: Wer Geld hat, dem wird Geld gegeben?
Das würde aber so gar nicht zum Leben Jesu passen: er besaß kein Haus und keinen Geldbeutel und keine Vorratstasche. Nichts liegt Jesus ferner, als das Geld als Lebensziel darzustellen.

Aber was dann? Was muss ich haben, damit mir noch mehr gegeben wird und ich die himmlische Freude empfange?

Bei der Suche nach einer Antwort setze ich bei der Gemeindesituation an, für die dieses Gleichnis in das Mt. Ev. aufgenommen wurde.
So wie am vergangenen Sonntag ist die frühchristliche Gemeinde an, die dabei ist, mutlos zu werden. Die Christen erwarteten, dass Jesus auf den Wolken des Himmels wiederkommt – und zwar zu ihren Lebzeiten – nicht Jahrzehnte später. Der Advent, die Ankunft zog sich hin: nicht 4 Wochen, nicht vier Monate, nicht vier Jahre – Die Zeit wurde immer länger!
Aber er kam nicht. So gab es immer öfter Christen, die sich abwandten. Manche starben. Die Gemeinde wurde kleiner und kleiner.

Niemand von uns heute erwartet diese endgültige Wiederkunft Christi konkret für seine Lebenszeit. Damit ist eine Gefahr verbunden:
Nämlich gar nicht mehr mit ihm zu rechnen. Er wird niemals kommen!
Wenn er aber niemals kommt, warum dann überhaupt ihn erwarten?
Wenn er niemals kommt, braucht er auch nichts vorzufinden.
Wenn er niemals kommt, dann ist er Vergangenheit – und damit bedeutungslos.

Das Mt.Ev. ermahnt deshalb die junge Kirche: Es ist zwar eine lange Zeit – aber er wird ganz sicher kommen. Lasst also nicht nach. Werdet nicht müde, Jesus nachzufolgen!

Wir heutigen Christen – wir sind uns nach 2000 Jahren Geschichte und mit unserem heutigen Wissensstand sicher:
Er wird niemals auf den Wolken des Himmels kommen ‑ Die Welt wird nicht untergehen – außer wir richten sie selbst zugrunde.
Wir rechnen nicht mit seiner Wiederkunft.

Vorsicht: Bevor wir aufhören, mit Jesus zu rechnen, schauen wir nochmal auf ihn.

Er hat das Reich Gottes nicht nur angekündigt als ferne oder nahe Zukunft – Er hat es als Gegenwart verkündet.
Diese Zeit, heute, der Augenblick – jetzt ereignet sich Reich Gottes – oder nicht. Es ist mitten unter uns.

Der Mann vertraute den Knechten sein Vermögen an! Zwei Knechte haben das Vertrauen angenommen – einer aber nicht!

Das Reich Gottes ist uns anvertraut – ob es wächst oder im Untergrund verschwindet – das liegt an mir, an jedem selbst.

Wenn ich dann in mein Leben schaue, dann sehe ich: Spuren des Reiches Gottes, Spuren des Vertrauens, Spuren der Freiheit –
oder aber: Spuren der Angst, Spuren des Zwangs, Spuren der Herrschaft des Geldes, der Ausbeutung, der Unterdrückung.

Gott wird nicht kommen, um alles durcheinander zu werfen,
Gott ist gekommen, und mit ihm die Möglichkeit zu Vertrauen, Freiheit zu geben, und Leben zu teilen.

Wer mit ihm rechnet, wird ihn auch entdecken,
Wer aus Vertrauen und Freiheit und Zuversicht lebt, durch den wird die Welt immer mehr zu einem Ort des Lebens, zum Reich Gottes.
Wer aber kein Vertrauen hat in den himmlischen Vater und seine Treue, der wird auch noch das bißchen Geld und Ansehen verlieren, das er sich in diesem Leben mühsam erworben hat.

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