27. November 2011: 1. Advent

Liebe Schwestern und Brüder
wie kann es geschehen, dass Industrieanlagen havarieren und schlimmste Katastrophen auslösen: Von der wochenlang Öl ins Meer ergießenden Bohrinsel bis zu den Kernkraftwerken, die offenbar doch nicht so gegen alle Eventualitäten gerüstet sind, wie man uns glauben machen möchte.

Wurde zu wenig aufgepasst?

Der Ruf: Seid wachsam! bewegt mich.

Mubarak war zu wenig wachsam und Gaddafi und Honecker:
sie  muteten ihrem Volk zu viel zu lange zu.

Sind wir wachsam genug: oder verschließen wir die Augen vor den drohenden Gefahren? Wir kaufen Geschenke für Weihnachten – obwohl unsere Gesellschaft dabei ist, das Gleichgewicht zu verlieren?

Worauf sollen wir die Wachsamkeit richten? – wir erinnern uns an den letzten Sonntag: die Kranken, die Hungernden, die Gefangenen, die Fremden und Obdachlosen.

Doch statt dessen werden Leute ausgebeutet für 2,50 € die Stunde und weniger. – Dafür wird dann eine Tafel eingerichtet. Bürgerli­ches Engagement, selbstlos, ehrenamtlich – nötig, weil die Gesellschaft ihrer Verpflichtung nicht nachkommt für die gerechte Teilhabe aller an den lebensnotwendigen Gütern zu sorgen.

Die Großverdiener reden den Erwerbstätigen ein, die Empfänger der Sozialleistungen seien eine Gefahr für ihren Wohlstand.
Dabei ziehen die Großverdiener immer mehr für sich heraus – ohne eine entsprechende Leistung bringen zu können.

Seid wachsam! Während die Renditen steigen und die Solidarität unter den Menschen untergraben wird – und Gefahr droht, dass die Menschen die Geduld verlieren.

Was ist es, was uns davon abhält, wachsam zu sein, für die Ankunft des Herrn, der in denen zu uns kommt, die am Rande stehen?

Wenn im Hof zum Tanz gespielt wird, wenn ein Festmahl nach dem anderen gegeben wird und die Vorräte geplündert werden – dann späht der Türhüter nicht mehr aus nach dem Herrn. Er ist in Gefahr, seinen Posten zu verlassen. Er möchte auch etwas vom Festschmaus haben und zur Musik tanzen.

Schwestern und Brüder! Statt dessen sollten wir wachsam sein und spähen – ausspähen und die Vorboten einer neuen Zeit erkennen. Wir sollten mithelfen, dass eine neue Zeit anbrechen kann:

Eine Zeit, in der die Menschen nicht die Schätze der Erde plündern, bis nichts mehr da ist.

Ein Zeit, in der der Mensch nicht mehr das Objekt, sondern das Ziel des Handelns ist.

Eine Zeit, in der nicht die Gier regiert, sondern die Sorge für den anderen.

Diese neue Zeit braucht nicht viel Regeln und Gesetze:

Was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen!
Wenn dich einer bittet, dann gib!
Liebe deinen Nächsten so, wie du dich selber liebst.
Liebt einander, wie Christus euch geliebt hat – bis zur Hingabe seiner selbst.

Seid wachsam!

Was lässt uns Wachsam bleiben – für die Ankunft des Herrn? Für unsere Berufung? Für die neue Zeit?

Abstand halten – nicht von den Menschen, sondern von den Treiben, das müde macht und die Sinne trübt.

Die Ruhe – die Stille suchen: damit die Sinne sich erholen können.

Die Erinnerung an den Herrn, der uns alle Verantwortung übergeben hat – bis er kommt.

Seien wir wachsam – für ihn. Wenn er kommt und mit ihm das Licht und der Glanz, dass wir ihn nicht überhören. Er kommt leise!