31. Dezemeber 2011: Jahresschlussfeier

Das Jahr wechselt – für mich verbindet sich damit eine gewisse feierliche Stimmung: Es ist etwas besonderes, dass ein neues Jahr beginnt.
Mir scheint, es geht nicht nur mir so: das zeigen die verschiedenen Silvesterbräuche, die Neujahrsansprachen Ansprachen der Politiker, und die vielen Rückblicke auf das vergangene Jahr.
Kann mit der neuen Jahreszahl eine neue Zeit beginnen – eine Zeit in der sich etwas ändert – in der ich etwas anders mache als bisher?

Tatsächlich: Wenn wir innehalten und zurückschauen; wenn wir unsere Ideale, die jeder hat, mit dem vergleichen, was gewesen ist; dann ergibt sich beim Blick nach vorne auf die Zeit, die vor uns liegt, so mancher Gedanke: ich will mich bemühen, dass ich dies erreiche, dass ich mich in diesem Punkte ändere, dass ich diesen Missstand abschaffe, dass ich dies und jenes einführe und neu beginne, dass ich öfter, …

Die Lesungen in dieser Messfeier geben mir für Rückschau und neue Ausrichtung manchen Hinweis:

1. Lesung: Num 6,22-27
22 Der Herr sprach zu Mose: 23 Sag zu Aaron und seinen Söhnen: So sollt ihr die Israeliten segnen; sprecht zu ihnen: 24 Der Herr segne dich und behüte dich. 25 Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. 26 Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil. 27 So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen und ich werde sie segnen.

Kurze Betrachtung
Mit den Worten des Aaron – Segens vertrauen wir uns bis auf den heutigen Tag dem Segen Gottes an.
Wie können sie Gottes Segen in ihrem Leben erkennen und wahrnehmen?

Gottes Segen erfahren wir in jedem Gut, das wir haben. Das Leben, die Gemeinschaft, der Besitz, das Leistungsvermögen, die Unterstützung und Zuwendung von Menschen – sind erfahrbare Zeichen dafür, dass Gott uns segnet und uns sein Heil schenkt – jene Ganz – Heit, die ihm selbst zu eigen ist.
Wir sind von Gott gesegnet –

Antwortpsalm Ps 90 (GL 736)

1. Herr, du warst unsre Zuflucht * von Geschlecht zu Geschlecht.

2. Ehe die Berge geboren wurden, die Erde entstand und das Weltall, * bist du, o Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.

3. Du lässt die Menschen zurückkehren zum Staub * und sprichst: „Kommt wieder, ihr Menschen!“

4. Denn tausend Jahre sind für dich wie der Tag,  der gestern vergangen ist, *  wie eine Wache in der Nacht.

5. Von Jahr zu Jahr säst du die Menschen aus; *  sie gleichen dem sprossenden Gras.

6. Am Morgen grünt es und blüht, * am Abend wird es geschnitten und welkt.

13. Unsere Tage zu zählen, lehre uns! * Dann gewinnen wir ein weises Herz.

14. Herr, wende dich uns doch endlich zu! * Hab Mitleid mit deinen Knechten!

15. Sättige uns am Morgen mit deiner Huld! * Dann wollen wir jubeln und uns freuen all unsre Tage.

18. Es komme über uns die Güte des Herrn, unsres Gottes!  Laß das Werk unsrer Hände gedeihen, * ja, laß gedeihen das Werk unsrer Hände!

 2. Lesung: Jak 4,13-15
13 Ihr aber, die ihr sagt: Heute oder morgen werden wir in diese oder jene Stadt reisen, dort werden wir ein Jahr bleiben, Handel treiben und Gewinne machen -, 14 ihr wisst doch nicht, was morgen mit eurem Leben sein wird. Rauch seid ihr, den man eine Weile sieht; dann verschwindet er. 15 Ihr solltet lieber sagen: Wenn der Herr will, werden wir noch leben und dies oder jenes tun.

 kurze Betrachtung
Auch der kurze Abschnitt aus dem Jakobusbrief gibt mir einen wichtigen Hinweis für die Besinnung und Ausrichtung meines Tuns:
Es ist ein mahnendes Wort: dass wir über all unseren Vorhaben und Plänen, über Beruf und Arbeit und täglicher Mühe nicht der Illusion verfallen, wir hätten das Leben im Griff.
Das Leben ist Gottes Gabe – er gibt uns die Zeit auf der Erde, damit durch uns seine Liebe sichtbar wird. Wir leben, weil er es will – in seiner gütigen liebenden Vorsehung entscheidet er, wann er uns aus dieser Erdenzeit zu sich in seine Ewigkeit holt.

Schließlich stellt Jesus uns in den Seligpreisungen seine Ideale, seine Werte vor Augen: es sind die Ideale und Werte des Himmelreichs, von dem Jesu immerzu gesprochen hat und das er uns geöffnet hat:

Evangelium Mt 5,3-12
3
  Jesus begann zu reden und lehrte seine Jünger und das Volk, das zu ihm kam. Er sagte:
     Selig, die arm sind vor Gott; / denn ihnen gehört das Himmelreich.
4   Selig die Trauernden; / denn sie werden getröstet werden.
5   Selig, die keine Gewalt anwenden; / denn sie werden das Land erben.
6   Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; / denn sie werden satt werden.
7   Selig die Barmherzigen; / denn sie werden Erbarmen finden.
8   Selig, die ein reines Herz haben; / denn sie werden Gott schauen.
9   Selig, die Frieden stiften; / denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
10 Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; / denn ihnen gehört das Himmelreich.

das sind die 8 Ideale, nach denen Jesus gelebt hat und die er allen, die ihm folgen empfiehlt. Er sagt: die danach handeln sind selig.
Das heißt: sie haben Anteil an Gottes Fülle und vollkommener Schönheit.

Die Einfachheit, die versucht, im Einklang mit der Schöpfung und Gottes Willen als Kind Gottes zu leben;

Die Sehnsucht nach dem Leben, nach dem Wahren und Guten und Schönen, das wir in dieser Welt nur wie durch einen Schleier sehen können. Wie schmerzlich vermissen wir oft Wahrheit, Güte und Schönheit.

Die Achtsamkeit gegenüber dem Anderen: die Achtung seiner Wünsche, Empfindungen und seines Willens – die Achtsamkeit vermeidet alles, was den anderen Schmerzen zufügt und ihn zu etwas zwingt.

Die Gerechtigkeit, die jedem gibt, was ihm entspricht, die keine Unterschiede macht, die niemanden links liegen lässt.;

Die Großzügigkeit im Teilen mit den Menschen, die in Not sind, weil sie Schuld auf sich geladen haben, die in Armut geraten sind oder krank geworden sind;

Wie wohltuend sind Menschen, denen man anmerkt, dass sie das meinen, was sie sagen und die versuchen, danach zu handeln: Menschen, die das Gegenteil sind von scheinheilig – heute sagt man authentich- früher sagte man glaubwürdig oder echt.

Der Frieden ist unschätzbares Gut – und wie großartig ist es, wenn man wenigstens ab und zu etwas zum Frieden beitragen kann.

Kostbar ist es, wenn Menschen auch dann sich und ihren Idealen treu bleiben, wenn es schwierig wird: Fast immer erfordern diese Ideale, diese Werte des Himmelreiches Bereitschaft zum Teilen von Zeit und Besitz, Verzicht auf eigene Interessen – manchmal aber ist es noch schwieriger – wenn man nicht verstanden wird, wenn man in Widerspruch zur herrschenden Meinung gerät.

Wer nicht regelmäßig seinen Lenkeinschlag korrigiert, landet ganz gewiss im Straßengraben – hoffentlich nicht gerade in einem Abgrund.
Deshalb ist es eine gute Übung – nicht nur zum Jahreswechsel – inne zu halten und den Kurs zu bestimmen.
Wohin richte ich mein Leben aus? Welche Werte bestimmen mein Leben?

Die Werte des Himmelreiches – sie führen zu Frieden und Gerechtigkeit, zu Wahrheit und Freiheit und sind getragen von der Liebe, die alles zusammenhält.
Beginnen wir gestärkt mit diesen Idealen in dieser Nacht das neue Jahr.

25. Dezember 2011: Weihnachten

Kann sich etwas mehr unterscheiden als Himmel und Erde, als Gott und Mensch?

Der Himmel bedeutet Ewigkeit, bedeutet Vollkommenheit, bedeutet lebendiges Sein. Der Himmel ist ungetrübte Freude und nicht mehr zu überbietendes Glück – nicht nur für einen oder manche – sondern für jeden, der da ist. Nur Gott kann diesen Himmel schenken.
Gott ist selber dieser Himmel. Weil er ewig ist. Weil er sich selbst genügt und in sich vollkommen ist.

Ganz im Gegensatz zum Menschen, der bei jedem beliebigen Schnupfen spüren muss, wie unvollkommen er ist. Bei jedem Streit erfährt er leidvoll, seine Begrenzungen. Der Mensch erlebt sich als bedürftig, anfällig, unvollkommen, bedroht, begrenzt in seinen Möglichkeiten und in seiner Freiheit. Sein Glück ist sprichwörtlich zerbrechlich wie das Glas.

Gott ist Mensch geworden. – Was ist das für ein Satz! Eine unvorstellbare Behauptung!

Die Idee, dass sich Götter mit den Menschen verbinden könnten, gehört zur Mythologie der alten Völker. Sie sprechen davon, dass Götter mit Menschen Kinder zeugen.

Wir stellen uns nicht vor, Gott habe auf menschliche Weise mit Maria ein Kind gezeugt. Jesus beten wir an, als Gottes Sohn und Menschen Sohn, nicht als ein Zwischenwesen, teils Gott, teils Mensch.

Gott ist Mensch geworden: Der unsterbliche Gott wurde ein sterblicher Mensch; der Vollkommene Schöpfer ein bedürftiger Mensch.
Wer glaubt, dass in Jesus der Sohn Gottes Mensch geworden ist, rückt Gott und Mensch ganz nahe zusammen. Es scheint fast so, als ob Gott im Menschen aufginge, so wie die Sonnenkollektoren das Sonnenlicht aufnehmen und in Wärme oder elektrische Energie umwandeln.

Wenn ich glaube, dass Gott in Jesus Mensch geworden ist, was ist dann mit Gott geschehen? Gibt es Gott noch als Gott – oder hat er sein Gott sein aufgegeben und eingebüßt?
Wer könnte dann noch den Menschen aus seiner Bedürftigkeit befreien? Wer könnte ihm dann noch die Sünden vergeben? Wo bliebe dann der Himmel, wenn Gott nicht mehr Gott wäre?

Nein, ich glaube, dass Gott immer als Gott uns Leben schenkt und uns im Dasein hält. Er ist es eben, der uns annimmt, der sich uns zuwendet, der uns erlöst und rettet und befreit.
Gott bleibt Gott – auch wenn er in Jesus Mensch geworden ist.

Ist Jesus dann nicht wirklich Mensch? Ist Jesus nur so etwas wie eine von Gott gesteuerte Maschine, die dem Menschen täuschend ähnlich ist, bis hin zur Fähigkeit zu weinen und zu sterben?
Dann wäre Jesus nicht echt, sondern sein Geschick wäre nur ein guter, ein göttlich guter Trick – aber eben nicht echt. Dann wäre Jesus nicht Gottes Sohn und es wäre nichts Besonderes geschehen, als Jesus geboren wurde und etwa 30 Jahre später starb. Es wäre nicht wert, seinen Geburtstag so festlich zu begehen.

Wie kann ich also glauben, dass Gott Mensch geworden ist? Was glaube ich da eigentlich?

Dies glaube ich, weil Jesus so gelebt hat, wie es überliefert ist;
dies glaube ich, weil er so von Gott gesprochen hat, wie es uns überliefert ist;
dies glaube ich, weil er so gestorben ist, wie es uns überliefert ist,
dies glaube ich, weil er auferstanden ist, wie es uns überliefert ist.

Im österlichen Licht also , aus der Perspektive von Ostern, kann ich glauben und bekennen: Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.
Wir haben gesehen und gehört, mit welcher Überzeugung und Wahrhaftigkeit er Gottes Liebe verkündete und sie denen schenkte, die ihm glaubten.

Das göttliche Wort der Vergebung;
Das göttliche Wort der Befreiung;
Das göttliche Wort, das Leben schenkt,
in ihm ist es Mensch geworden.

Es ist Weihnachten.

24. Dezember 2011: Predigt in der Christmette

Verherrlicht ist Gott in der Höhe! Denn er wendet sich den Menschen in Liebe zu  und bringt der Welt den Frieden.“

Ich wundere mich immer wieder, dass unsere Bischöfe in den Nachrichten vor allem zitiert werden, weil sie die Politiker und Regierungen zum Frieden aufrufen –
Weihnachten gilt als Fest des Friedens! – Ist es das? Nur weil die Engel verkünden: Friede auf Erden!

Warum eigentlich war es ein ungeschriebenes Gesetz, das in früheren Zeiten auf den Schlachtfeldern an Weihnachten nicht geschossen wurde – auch wenn man sich am Tag danach wieder mit aller Härte und Grausamkeit bekämpfte.

Warum soll am Weihnachtstag Frieden sein ? –  Warum nicht auch danach? Ändert Weihnachten etwas? Ist Weihnachten nachhaltig?

Als Jesus damals geboren wurde, nahm die Welt keine Notiz davon. Buchstäblich keine! – Die Frauen wurden vergewaltigt, die Sklaven gekauft und verkauft, die Schlachtfelder mit Blut getränkt – es war kein Unterschied.

Ändert sich etwas durch Jesu Geburt? Ist Weihnachten nachhaltig? Wenn sich etwas geändert hat – was könnte das sein?

Es ist nicht mehr und nicht weniger zu beobachten als bei jeder Geburt: eine Frau bringt unter Schmerzen ein Kind zur Welt, ist erschöpft und es ist ein Mensch mehr auf dieser Welt, der geliebt wird und lieben lernt.

Was könnte sich bei der Geburt Jesu geändert haben?

Es muss etwas ganz und gar verborgenes sein – Vielleicht so verborgen, wie wenn man auf eine wunde Stelle eine Salbe streicht und einen Verband macht. Außerdem passiert nicht viel. Und doch hilft die Salbe dem Körper, dass die Wunde heilt.

Mit der Geburt Jesu hat für uns Christen etwas begonnen, klein und unscheinbar, unbemerkt – aber es ist der Anfang einer neuen Zeit – so sehr, dass wir die Zeit danach ordnen: Vor und nach der Geburt des Herrn.

Worin besteht diese neue Zeit?

Es ist die Zeit in der sich Gott und Menschen versöhnten durch Jesus Christus. Denken wir darüber nach, worin diese Versöhnung besteht: Jesus vertritt dabei sozusagen die Seite Gottes: Und was tut er:  Er vergibt die Sünden! Er ruft in seine Nähe. Er heilt. Er liebt. Und er redet ins Gewissen – vor allem denen, die andere zu Sündern und zu Feinden Gottes erklären. Und er steht zu seinen Worten und Taten – ohne Rücksicht auf sich selbst.
So geht Jesus auf die Menschen zu, damit Versöhnung geschehen kann.

Und die Menschen: Die an Jesus glaubten, folgten ihn und nahmen seine Worte für bare Münze – mit enormen Folgen für ihr Leben.
Denn von dem Tag an, da sie Jesus glaubten, dass Gott frei spricht, statt zu verurteilen – von dem Tag an waren sie neue Menschen; befreit dazu, sich selbst und ihr Leben anzunehmen, weil Gott sie annimmt und angenommen hat. Befreit, die Mitmenschen anzunehmen, weil Gott sie ebenso annimmt wie sie selbst.

Was hat sich an Weihnachten geändert – durch Jesu Geburt?

Das liegt an uns: ob wir die Freudenbotschaft glauben,  dass Gott uns annimmt. Wenn wir an Jesus glauben, dann feiern wir an Weihnachten nicht nur Jesu Geburt, sondern unsere neue Geburt – unsere Versöhnung mit Gott und werden dauerhaft und nachhaltig zu weihnachtlichen Menschen, die Frieden in sich haben und zu Katalysatoren des Friedens werden können und so Gott verherrlichen.

18. Dezember 2011: 4. Adventsonntag

„Sag ja zu den Überraschungen,
die deine Pläne durchkreuzen,
deine Träume zunichte machen,
deinem Tag eine ganz andere Richtung geben –
ja vielleicht deinem Leben.
Sie sind nicht Zufall.
Lass den himmlischen Vater die Freiheit
selber den Einschuss deiner Tage zu bestimmen.“

Dieser Ausspruch von Dom Helder Camara scheint mir genau auf die Haltung zu passen, die das Lukasevangelium mit Maria, der Mutter Jesu verbindet.

Das Evangelium entwirft eine wunderschöne Geschichte als Ouvertüre für das ganze Evangelium:

Ist die Erscheinung des Engels nicht eine Überraschung, die die Pläne dieser jungen Frau zunichte machen?

Diese Begegnung gibt nicht nur dem Tag, sondern dem Leben dieser Frau eine ganz andere Richtung.

Und Maria lässt dem himmlischen Vater die Freiheit, den Einschuss ihrer Tage zu bestimmen indem sie sagt: „Mir geschehe nach deinem Wort“.

„Sag ja zu den Überraschungen,
die deine Pläne durchkreuzen,
deine Träume zunichte machen,
deinem Tag eine ganz andere Richtung geben –
ja vielleicht deinem Leben.
Sie sind nicht Zufall.
Lass den himmlischen Vater die Freiheit
selber den Einschuss deiner Tage zu bestimmen.“

Kann ich die Überraschungen des Lebens als Gottes Wirken in meinem Leben begreifen?

Diese Haltung ist nicht einfach. Sie konträr zu der Lebenseinstellung, die sagt: Ich habe mein Leben im Griff.

Ich wünsche mir doch, dass ich im Alter unabhängig bleibe und ohne größere fremde Hilfe auskomme.

Ich mache viele Pläne und entwickle Vorhaben
– und wenn es anders kommt?

Ich könnte mich dann auch fragen: Was will Gott mir zeigen?
Was will Gott mir sagen? Was ist sein Ruf an mich – durch diese Überraschung.

So könnte Gott mir ganz nahe rücken. Ich würde anfangen, das Leben als das zu betrachten, was es ist: als Gottes Gabe und Auftrag.

Gott ist dann nicht fern – hinter den Grenzen des Alls und der Zeit,
sondern ganz nah – und er bestimmt den Lauf meiner Tage.

Kann ich ihm vertrauen, so wie das Lukasevangelium es von Maria sagt:
Dass er rettet und Heil schafft – mir und allen?

„Sag ja zu den Überraschungen,
die deine Pläne durchkreuzen,
deine Träume zunichte machen,
deinem Tag eine ganz andere Richtung geben –
ja vielleicht deinem Leben.
Sie sind nicht Zufall.
Lass den himmlischen Vater die Freiheit
selber den Einschuss deiner Tage zu bestimmen.“

Ich möchte die Überraschungen und die Läufe meines Lebens als Gottes „Einschuss“ in meine Tage sehen lernen.

Bußgottesdienst im Advent 2011

Zu Hause sein – bei sich selbst und mit anderen

Einleitung
Karl Valentin prägte den Spruch:
Heute Nachmittag besuche ich mich. Ich bin gespannt, ob ich daheim bin. Zu Hause sein – bei sich selbst und mit anderen.
Darüber können wir in unserem Bußgottesdienst nachdenken.

Gebet
Herr, unser Gott, in deinem Haus sind wir als deine Gemeinde.
Du schaust auf uns. Du siehst unser Versagen und unser Bemühen.
Wir bitten dich um den Heiligen Geist:
Er gebe uns Kraft zur Umkehr und gieße uns neues Leben ein. Amen.

Ansprache: Liebe Schwestern und Brüder
„Die Stadt Regensburg ist nicht mehr das, was sie früher war.“ Jemand aus der Nachbarschaft sagte das vor einiger Zeit zu mir.
Leicht verbittert war der Ton – denn der Mann ist in Regensburg aufgewachsen, aber er fühlt sich nicht mehr zuhause – es ist nicht mehr seine Stadt, es ist nicht mehr sein zuhause.

Diese Erfahrungen kennen wir alle. In immer kürzeren Abständen verändern sich die Dinge.

Man muss den Arbeitsplatz wechseln. Oder sogar den Arbeitgeber.
Man zieht an einen neuen Ort und weiß, dass man auch da nicht sehr lange bleiben wird.

Die Frage: Wo sind sie zuhause“ lässt sich kaum noch beantworten.
Da wo ich jetzt wohne, wo ich aufgewachsen bin oder noch da, wo ich zuletzt wohnte?

„Mobilität macht auch vor der Religion und der Liebe nicht Halt.

Manche finden nie sop richtig ihre geistige Heimat in einer Religion – suchen immer noch etwas anderes …
Man sucht seinen Weg, immer weiter, hat der Weg noch ein Ziel – so wie es Abraham gegeben war, der zwar seine Heimat verließ – aber dem ein neues Land verheißen war.

Ähnlich ist es in der Liebe. Immer mehr Frauen und Männer verlassen ein Beziehungshaus und ziehen um in eine neue Beziehung“ (Paul M. Zulehner), weil sie sich in der alten nicht mehr wohl fühlten, weil es zuviel Streit gab, weil man sich zu sehr aneinander gewohnt hatte und sozusagen das Besondere fehlte, das, warum ein junger Mensch Vater und Mutter verlässt und sich an einen anderen bindet.

Alte Menschen denken mit Schrecken an die Möglichkeit, dass sie vielleicht nicht in ihrer Wohnung bleiben können und in ein Heim ziehen müssen, das eben nicht ihr Heim ist und es niemals werden wird – vielmehr ein Ort der Fremde – so etwas wie ein Dauerkrankenhaus, das trotz aller Bemühungen immer fremd und verunsichernd bleibt.

Menschen, die auf Dauer nirgendwo zu Hause sind, können „seelisch obdachlos“ werden, weil sie zwar eine Wohnung haben und vielleicht auch eine Liebe. – aber sie haben kein wirkliches zuhause. Sie gehören nirgendwo wirklich dazu. Gerade in einer Zeit mit so vielen Veränderungen ist es wichtig, in sich zu ruhen. Es ist wichtig, einen geistigen uns spirituellen Anker zu haben.
damit man nicht nur von den Wellen und Winden umhergetrieben wird ohne Richtung und Ziel in sein Leben zu bringen.

Schriftwort (Joh 14, 1-6)

Im Johannesevangelium lesen wir:

Jesus sagte: Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich. Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten?
Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. Und wohin ich gehe – den Weg dorthin kennt ihr.

Thomas sagte zu ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?

Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, außer durch mich.

Ansprache 2. Teil
„Das Haus des Vaters“ hat viele Wohnungen.  Wer will, findet beim himmlischen Vater sein Zuhause.

Nicht erst dann, wenn wir einmal gestorben sein werden –  jetzt schon können wir beim Vater und mit dem Vater leben.
Jeder wird vom Vater angenommen.  Jeder kann und darf auf die Stimme Jesu hören und sich ihm zugehörig fühlen – ihm und damit dem Vater im Himmel.
Wer ihn als Vater annimmt und zu ihm kommt,  hat eine geistige Mitte, eine spirituelle, geistliche Heimat.

Die aber, die zum Vater kommen, haben die Möglichkeit, sich gegenseitig zu stärken, als eine wirkliche Gemeinschaft.

Gemeinde Jesu sein heißt: aneinander Anteil nehmen, einander Sympathie schenken und Vertrauen können.
Gemeinde Jesu sein heißt: Einer meint es dem anderen gut. Keiner ist fremd, Jeder ist willkommen.

Gerade wir, die so viele Veränderungen bewältigen und bewältigen müssen, haben die Möglichkeit so Heimat zu erleben.
Wir gehören dazu: zu Jesus Christus und seiner Gemeinde, zum Volk Gottes, zum himmlischen Vater – in seinem Haus dürfen wir wohnen.

Gebet
Gott, Vater des Erbarmens, komm uns entgegen, und hilf uns, dass wir uns so sehen, wie wir sind.
Bewahre uns vor Mutlosigkeit und Selbstgefälligkeit.
Gib uns Kraft und Mut, in unserem Leben das zu ändern, was geändert werden muss und was wir ändern können.
Schenke uns ein neues Herz und einen neuen Geist durch Christus, unseren Herrn. Amen.

 Gewissenserforschung

1. Bei sich selbst zu Hause sein

„Wenn du in dir selber nicht zu Hause bist, bist du nirgendwo zu Haus“, singt Peter Horton. Darum geht es, einen Selbststand, eine eigene Identität zu haben, zu wissen, wohin ich gehöre, wo ich daheim und geborgen bin.

Denke ich manchmal darüber nach, was meine Wurzeln sind? Was meine Ideale sind? Was mich zufrieden macht?

Glaube und Gottvertrauen gehören zu unseren Wurzeln. Pflege ich diese Wurzeln? Und wie?
Was könnte ich mehr tun, um diese Wurzeln zu stärken und aus ihnen zu leben?

Nehme ich mir Zeit für mich selbst? Zeit zum Gebet? Zum Gottesdienst?

Nehme ich meine persönlichen Wünsche und Bedürfnisse wahr und ernst? Was sind sie? Ordne ich diese? Nicht alles, was ich wünsche, ist wichtig; manches vielleicht sogar schädlich!

Was bedrückt und belastet mich? – Zum Beispiel schuldhaftes Verhalten in meiner Vergangenheit.
Wie kann ich das überwinden, so dass es meine Lebensenergie nicht blockiert?

Renne ich vor meinen Problemen davon oder sogar vor mir selbst? Fernsehen, Internet, Veranstaltungen zuhause bieten dazu viele Möglichkeiten.

Pflege ich meine Talente, meine kleinen und großen Fähigkeiten? Sehe ich, was ich kann oder schaue ich nur auf das, was ich nicht oder nicht mehr kann?

Kapsele ich mich von meiner Umwelt ab, genüge ich mir selbst, so dass ich einsam werde?

Benütze ich Alkohol und anderes, um Ruhe zu suchen und Gelassenheit?

Orgelspiel etwa drei Minuten

2. Mit anderen zu Hause sein

Ein Zuhause ist nicht nur ein Dach über dem Kopf, nicht nur eine Wohnung. Menschen, die mich lieben und schätzen, mit denen ich glauben und beten, leben und arbeiten kann, las­sen uns zu Hause sein.

Suche ich Gemeinschaft der Christen?  Trage ich etwas zum Gemeindeleben bei? Durch meine Teilnahme an den Veranstaltungen

Bejahe ich den christlichen Glauben?

Feiere ich die Feste des Glaubens mit?

Prägt der Glaube mein Leben zuhause?

Erfahre ich Geborgenheit, in meiner Familie? Bin ich dankbar dafür

Bin ich, sind wir gastfreundlich?

Habe ich eine offene Tür für Nachbarn,  die meine Hilfe brau­chen?

Pflege ich Freundschaften? Bin ich für meine Freunde da? Bin ich vertrauenswürdig?

Äußere ich offen meine Wünsche und Bedürfnisse?
Ziehe ich mich zurück, wenn nicht alles nach meinem Ge­schmack läuft?

Übernehme ich Verantwortung für das Gemeinwohl?
in der Hausgemein­schaft, im Wohnbezirk? in Gruppen, Verbänden, Parteien?

Traue ich mich etwas zu sagen, wenn ein klares Wort angebracht ist?

3. Menschen ohne ein Zuhause

Zu keiner Zeit gab es so viele heimatlose Menschen wie in unserem Jahrhundert: Flüchtlinge, Asylsuchende, Obdachlose … Nicht alle Probleme lassen sich leicht lösen, vor allem nicht von Ein­zelnen.

Was empfinde ich bei dem Wort „Asylbewerber“?  Ärger, Angst, Mitleid …?

Hege ich Vorurteile?  Oder helfe ich, Vorurteile abzubauen?

Zeige ich Verständnis für Menschen, die sich in großer Not befin­den? Lege ich ein gutes Wort für sie ein?

Glaube ich, dass alle Menschen Kinder Gottes sind, also zur Fa­milie Gottes gehören?

Gehe ich auf Neuankommende zu? Zeige ich Ihnen, dass sie willkommen sind? In der Nachbarschaft? In der Pfarrgemeinde?

Schuldbekenntnis

Vor dem allmächtigen Gott bekennen wir unsere Schuld, und voreinander gestehen wir ein, dass wir gefehlt haben: Ich bekenne …

Vergebungsbitte
Wir bitten dich, allmächtiger Gott, sei uns gnädig und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Amen.

Friedensgruß

Danklied Kündet allen in der Not (GL 106, Advent)

Vater unser

Segen

Leicht veränderte Vorlage
aus dem Buch „15 Bußgottesdienste“ von Horst Krahl

11. Dezember 2011: 3. Adventsonntag

Zeugen sind an und für sich Leute, die sagen:
Ich heiße …
Ich war am diesem Tag da und dort …
Ich habe dies und das gesehen und gehört.

Johannes wird vom Johannesevangelium zwar als Zeuge, als von Gott gesandter Zeuge vorgestellt, aber sein Zeugnis beginnt seltsam: Ich bin nicht der Messias. Ich bin nicht Elija! Ich bin nicht der Prophet. Die Juden in Jerusalem wollten aber wissen, wer er ist – immerhin strömten ja die Leute zu ihm hinaus und er taufte sie, nachdem sie ihm ihre Sünden bekannt hatten ‑
er muss einen gewaltigen Eindruck gemacht haben.

Einen so großen, dass die Evangelien allesamt von Johannes berichten und seine Stellung zu Jesus klären.
Doch an diesem Tag erfahren die Juden noch nicht viel: Nur, dass der, der kommt, viel größer ist, also direkt von Gott kommt, da Johannes sich nicht mal für würdig hält, ihm die Schuhriemen aufzubinden.

Aber er, Johannes, ruft dazu auf, ihm – dem Herrn ‑ den Weg zu ebnen! Der Herr – so das Evangelium – ist das Licht der Welt.

Wie so oft ergeben die Worte in ihrer strengen Bedeutung keinen Sinn. Das Licht braucht keinen Weg und ein Herr, der so großartig ist, braucht keinen Wegbereiter.

Für uns können diese Sätze nur das gleiche bedeuten wie für die Menschen, die Johannes begegneten: Das Licht der Welt kommt!
In diesem Licht lässt sich nichts verbergen. Da sieht man, was drüber und drunter ist, was sich versteckt, was überkleistert ist, was sich im hintern Winkel verbirgt.

Was wird da offenbar werden, vor mir, vor den anderen in diesem Licht – meine Menschlichkeit oder meine Scheinheiligkeit?
Höchste Zeit, meine Menschlichkeit zu entwickeln.

Der Herr aller Herren kommt! ‑ das heißt Gott selbst kommt.

Achte ich seine Gebote, diene ich dem Leben, das von ihm kommt oder bin ich darauf aus, mir ein schönes Leben zu machen?
Ist mein Leben auf seine Ankunft ausgerichtet? Oder habe ich mit dem Luxus, der Bequemlichkeit, der Ruhe verschrieben?

Kenne ich seine Gebote noch?

Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!
Du sollst den Namen Gottes nicht missbrauchen!
Gedenke des Sabbats halte ihn heilig!
Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen!

Lebe ich nach diesen Geboten?

Johannes ruft in der Wüste: Ebnet den Weg für den Herrn.
Machen wir uns bewusst, wie die Übertragung heißt:
Ändert Euer Leben, damit ihr bereit seid und der Herr in euer Leben kommt.

4. Dezember 2011: 2. Adventsonntag

Advent – heißt Ankunft.
Es ist spannend, am Anfang in der Mitte und am Ende des Advents die verschiedenen Dimensionen des Advent zu entdecken.

Zuerst geht es um die erneute Ankunft des Herrn – am Ende der Zeit, wenn die alte Schöpfung vergeht und die neue Schöpfung kommt.

Dann geht es um die Ankündigung des Messias durch Johannes den Täufer, der auf Jesus hinweist, der nach der lukanischen Darstellung gerade ein halbes Jahr jünger ist als Johannes selbst.

Und schließlich geht es um die Geburt des Messias, die historisch betrachtet im Dunkel der Geschichte liegt.

Wir feiern und bedenken die dreifache Ankunft unseres Messias!

Heute wird unsere Aufmerksamkeit auf Johannes den Täufer gelenkt. Warum: Er ist sozusagen der Türöffner:

Er öffnet uns für Jesus, den verheißenen Messias, und er ebnet dadurch dem Messias den Weg. – Er bringt den Messias und die Menschen, zu denen er gesandt ist zueinander: Wie?

Indem er uns zur Umkehr ruft!

Schwestern und Brüder! Das fremdartige, herbe Auftreten des Johannes ist wichtig: Dadurch wird er glaubwürdig. Dadurch sieht jeder: er sucht nicht Anerkennung. Er sucht nicht den Weg in die Festsäle und zu den Banketten, um dort aufrüttelnde Worte zu sprechen.

Er lebt in der Wüste und er lebt von der Wüste.

Er kann zur Umkehr rufen. Ihm kann ich es abnehmen, weil er selbst prophetisch lebt.

Johannes ruft zur Umkehr und zur Taufe zur Vergebung der Sünden.

Habe ich Umkehr nötig? Haben Sie Umkehr nötig?

Eine schwierige Frage: denn einerseits habe ich gelernt. Umkehr habe ich immer nötig. Ich muss nur an das Bemühen um das Gebet denken und auch an die Bereitschaft, mein Geld mit Armen zu teilen.

Andererseits versuche ich als Christ zu leben. Anbetung Gottes,
Spenden für Arme, ein offenes Herz für die Nöte der Menschen, die helfende Hand – das alles üben sie – seit langem!

Auf unsere Pfarrei bezogen kann ich aber doch erkennen, dass Umkehr mindestens in dieser Hinsicht nötig ist:

Der Umkehrruf heißt:

Lasst ab von Eurer Teilnahmslosigkeit!

Zum Christ-Sein gehört nicht nur der Gottesdienst, sondern das tägliche Engagement. Es mangelt in unserer Pfarrei nicht an Christen, die einladen, die sich etwas ausdenken, die dafür etwas tun.

Es mangelt an denen, die sich beteiligen, die Interesse zeigen, die zusammen kommen, die Gemeinschaft bilden.

Zu dem Vortrag über das Gebet kürzlich kam niemand.

Zur der Veranstaltung über Präimplantationsdiagnostik kamen etwa 10 Mitglieder der Pfarrgemeinde;

Zu den adventlichen Gesprächen am Dienstag kamen drei.

Auch beim Festmahl zur Einweihung von St. Leonhard blieben Plätze leer.

Schwestern und Brüder!
Das ist mein Umkehrruf an die Gottesdienstbesucher in Herz Jesu!
Fangt an, Gemeinde zu werden! Nehmt Anteil! Macht mit!
Wendet Euch nicht ab! Wenn Sie Wünsche haben, sagen sie es!

Gemeinde lebt vom Miteinander!