Hier geht es zu den Tageslesungen:
Was soll ich als Leser des Mk.Ev. mit dieser und all den anderen Wundergeschichten anfangen? Können sie mir etwas sagen und bedeuten? Kann ich sie einfach übergehen und auf sich beruhen lassen?
Aber immerhin ist das Evangelium Gottes Wort – wir verehren es fast so ehrfürchtig wie die eucharistischen Gaben, in denen Jesus sakramental gegenwärtig ist. Das Evangelium ist unsere maßgebende Quelle für den Glauben an Jesus, den Sohn Gottes, der uns befreit und erlöst hat. Also versuche ich mich langsam der Geschichte zu nähern.
Zunächst möchte ich einfach den Text richtig verstehen:
Es geht um einen Menschen mit Aussatz. Aussatz ist nicht nur die Lepra Erkrankung. Vielerlei Hautveränderungen wurden als Aussatz deklariert. Ein „Aussätziger“ war ausgeschlossen vom Tempel – von Gott. Er war wie tot. Hat Jesus den Aussätzigen geheilt? Wovon genau? Wie?
Auf der naturwissenschaftlichen Ebene finde ich keine Antwort darauf.
Doch der Evangelist gibt einen Hinweis: „Werde gereinigt!“ Diese Passiv Form deutet darauf hin, dass für Markus die Reinigung des Mannes Gottes Werk ist – durch Jesus vollbracht.
Ich möchte gerne noch weiter in die Geschichte hinein gehen. Und ich möchte sie ebenfalls dazu einladen. Wir können die Position des distanzierten Betrachters verlassen und uns mit einer der Personen identifizieren.
Zieht es sie zu den Jüngern Jesu, die dabei standen? Wenn sie Andreas wären – was würden sie denken?
Sind sie verwundert, dass Jesus sich über das Gesetz hinweg setzt und einen Unreinen berührt. Staunen sie über die Reinigung des Mannes?
Sind sie seltsam davon berührt, dass Jesus den Mann so harsch anredet, dass er niemand erzählen soll, durch wen er rein wurde?
Oder sie gehen an die Stelle der Priester am Tempel in Jerusalem, die die Reinigung feststellen und hören, wie es geschehen ist.
Fragen stehen im Raum: Wer ist dieser Jesus? Wieso hat er den Mann berührt? Was traut er sich? Warum hält er sich nicht an das Gesetz? Warum konnte er den Mann vom Aussatz befreien? Und warum hat er ihn doch zu uns geschickt, damit er das Dankopfer darbringe?
Sie können auch die Stelle der Verwandten und Angehörigen und der Nachbarn des Mannes einnehmen: Wie nehmen sie die Nachricht von der Heilung auf? Skeptisch abwartend, ob es wirklich von Dauer ist? Froh und dankbar, dass der Mann wieder gesund ist und wieder am Leben teilnehmen kann? Sind sie neugierig auf den Mann, der ihn rein machte? Oder ärgert sie die Unruhe, die durch das wunderbare Ereignis entsteht?
Sie könnten auch die Stelle des Mannes einnehmen: Sie könnten dieses Vertrauen teilen: wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde. Wovon möchte ich gereinigt, befreit werden, damit ich das Leben in mir spüre? Von meiner Traurigkeit? Von meinem Jähzorn? Von meiner Resignation? Unter welchen körperlichen oder seelischen Beschwerden leide ich? Kann ich diese meine kleine oder große Not Gott anvertrauen? Traue ich ihm zu, dass er mir helfen kann?
Und schließlich – vielleicht erscheint es ihnen zu gewagt: Sie könnten auch die Stelle von Jesus einnehmen. Ein Mensch kommt. Er ist in Not. Halte dich fern von ihm – sagt die gesellschaftliche Regel. Habe ich Mitleid mit den Menschen und dem, was ihr Leben einschränkt und schwer macht? Traue ich mich, den Menschen nahe zu kommen? Sie zu berühren? Traue ich mich, mich anders zu verhalten als die anderen?
Traue ich mir zu, einem Menschen zu helfen, der in seiner Not vor mir steht?
Welches ist ihre Rolle in der Geschichte? Jede hat ihren Reiz. Jede hat ihre besondere Bedeutung. Entscheidend ist aber, dass wir es mit Jesus zu tun bekommen, dass wir ihm begegnen und uns von ihm herausfordern lassen – zum Glauben an Gottes Nähe und Kraft.