19. Februar 2012: 7. Sonntag im Jahreskreis

Die liturgischen Texte

Versuchen Sie einen Moment in die Rolle des Gelähmten und seiner vier Freunde zu schlüpfen. Mit großem Aufwand und das Aufsehen aller erregend kommen sie zu Jesus. Die ganze Hoffnung ist: Wird Jesus mich heilen? Und dann: „Deine Sünden sind dir vergeben!“

Sind meine Sünden wirklich das wichtigste Problem für Jesus? Sieht er nicht, dass mich die Krankheit viel mehr niederstreckt?

Was habe ich schon für Sünden? Was habe ich für Sünden?

Eine gute Frage. Habe ich überhaupt Sünden?  Gibt es überhaupt Sünden?

Stellen wir einmal eine andere Frage: Habe ich manchmal ein schlechtes Gewissen? Und wofür? Da fällt mir eher etwas ein.

Haben diese Dinge, wegen denen ich ein schlechtes Gewissen habe, nichts mit Gott zu tun? Habe ich nur einem Menschen gegenüber ein schlechtes Gewissen? Oder auch Gott gegenüber?

Gott gegenüber brauche ich doch kein schlechtes Gewissen haben, denken manche, weil Gott ja bekanntlich alles verzeiht.
Prompt sind wir wieder am Anfang: insgesamt bin ich doch ein guter Mensch – vor Gott jedenfalls.
Wenn ich so denke, würde ich an der Stelle des Gelähmten sagen: „Ich brauche keine Sündenvergebung, ich brauche Heilung!“

Es geht hier um etwas ganz zentrales, um elementares, existenzielles in unserem Glauben: Wie definiere ich meine Beziehung zu Gott?
Ist er nur meine universale Versicherung, der sich verpflichtet hat, mir nach dem Tod ewiges Leben zu schenken?
Oder ist dieser Gott auch ein Du in diesem Leben, ein Du, gegenüber dem ich für mein Leben verantwortlich bin – sowie ich gegenüber anderen Menschen Verantwortung trage für mein Tun und Lassen.

Gott hat uns ins Leben gestellt. Sein Auftrag ist, dass wir dieses Leben annehmen und dem Leben dienen – so dienen wir auch Gott.
Wenn wir uns dem Leben verweigern, wenn wir uns selbst oder anderen Schaden zufügen, dann verstoßen wir gegen den Auftrag Gottes an uns: dem Leben, also ihm zu dienen.

Wenn wir sagen, dass wir keine Sünden haben, dass wir uns vor Gott nichts vorwerfen müssen, leugnen wir zugleich, dass Gott einen Anspruch an uns hat.

Wenn wir ein schlechtes Gewissen haben – wofür auch immer –  dann für ein Unterlassen oder Tun, durch das wir dem Leben geschadet haben, einem anderen oder uns selbst.
Wenn wir ein schlechtes Gewissen haben, werden wir uns über uns selbst bewusst: ich bin zu wenig einfühlsam gewesen, ich bin zu grob gewesen, ich habe mich der Verantwortung entzogen, …

Dieses Defizit an Menschlichkeit in uns, diese Verweigerung gegenüber dem Leben, diese Sünde heilt Gott, so dass wir uns wieder aufrichten können und im Strom des Lebens bleiben können.

Markus sagt: Jesus, der Menschensohn hat die Vollmacht, auf Erden Sünden zu vergeben.  Wir dürfen ihn uns zum Vorbild nehmen:
Wenn wir einander vergeben, entsteht neue Beweglichkeit, neues Miteinander, Frieden und Leben.

Hinterlasse einen Kommentar