6. Mai 2012: 5. Sonntag der Osterzeit

Hier geht es zu den liturgischen Texten:

Gott bleibt in mir! Ich bleibe in Gott!? Kann ich Gott in mir erfahren, spüren, wahrnehmen, Kann ich merken, dass Gott in mir ist? Was ist in mir? Was ist im Menschen?

Manche versuchen den Menschen und alle Phänomene des menschlichen Lebens durch biologische, chemische und physische Vorgänge erklären.
Zum Beispiel werden bei einem meditierenden oder betenden Menschen die Gehirnströme gemessen und man stellt fest, dass ganz bestimmte Hirnregionen beim Gebet, bei der Meditation besonders aktiv sind.
Umgekehrt regt man gezielt diese Hirnregionen in gleicher Weise mit elektrischen Impulsen an und stellt fest, dass die Versuchsperson ähnliches erlebt wie ein betender und meditierender Mensch.

Ist Religion, ist das Glaubenserleben nicht mehr als das Produkt einer bestimmten Technik, das Bewusstsein zu regulieren?
Ist damit bewiesen, dass der Mensch das religiöse Empfinden selbst produziert? Können wir das Beten ersetzen ‑ durch Elektroden am Kopf, die das Gehirn anregen?

Ähnliche Fragestellungen gibt es: Hat der Mensch wirklich einen freien Willen? Gibt es Verantwortung? Ist der Mensch ein geistiges Wesen?  Hat er eine Seele? Und wenn ja, was ist sie?

Was ist im Menschen?

Von welcher Seite auch man sich dem Menschen nähert:  Auffallend ist: Wir Menschen machen uns selbst zur Frage:

Wir fragen nach unserem Ursprung ‑ Ohne eine Antwort zu finden.
Wir fragen nach unserem Wesen – und ergründen es nicht.
Wir fragen darüber hinaus, warum überhaupt etwas ist – und kommen nicht an den Ursprung heran.

Doch eine Erkenntnis ist wesentlich: Der Mensch fragt, er will ergründen und verstehen. Das gehört zu seinem Wesen.

Was ist im Menschen? Das Fragen. Das Erforschen. Das Erkunden.  Das Verstehen wollen. Das nenne ich den menschlichen Geist!
Im Menschen ist der Geist des Verstehens.
Hinter allem Bemühen um Erklärungen steht die Hoffnung, der Glaube, dass unsere Welt, dass unser Leben verstanden werden kann. Dass es einen Sinn ergibt. Dass es irgendwie zusammengehört und gut ist.

Dieses Zusammengehören, dieser Sinn, dieses Ganze, das wir Menschen erforschen und verstehen möchten, das ist es, was wir in unserem Glauben Gott nennen.

Wir nennen es Gott, weil dieses große Geheimnis, dass die Menschheit ergründen will, der Ursprung ist und deswegen in allem ist, was es gibt.

Wir nennen es Gott, weil dieses große Geheimnis alles miteinander verbindet und zusammenhält, so dass es einen Sinn ergibt und ein Ganzes ist.

Wir nennen dieses große Geheimnis, den Ursprung und das Ganze, das wir zu ergründen suchen, Gott, weil es ein Du ist, das in dieser Welt und seinen unzähligen Phänomenen und Wechselwirkungen wirkt und sich darin ausdrückt und all das ist und will.

Ich bleibe in Gott, weil ich ein Teil dieses großen und ganzen bin, weil ich ja sage zu dem Sein in der Welt mit all seinen Phänomenen, weil ich das Leben annehme, das von Gott kommt und dieses Leben liebe.
Gott bleibt in mir, weil sein Geist in mir ist und sein Leben! Mein Fragen und Verstehen, mein Leben und Lieben – das ist Gottes Kraft in mir.
Wer Ja zum Leben sagt, wer das Leben und das Lebendige liebt, der bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.