Ich beginne meine Ansprachen meistens so: Liebe Schwestern und Brüder,
Bei Briefen zwischen Freunden steht unten oft: Liebe Grüße!
Was meinen wir, wenn wir jemand „lieb“ nennen und „lieb“ grüßen?
Ist er lieb, weil er so nett ist? Weil er wie ein liebes Kind tut, was man von ihm will?
Ich bin der Meinung, wir sollten mit dem Wort „lieb“ sorgfältig umgehen – denn das, was das Wort „lieb“ meint, ist so kostbar, so wertvoll, so besonders, dass man es auf keinen Fall leichtfertig verwenden sollte. Man würde es entwerten und banalisieren!
Wenn ich sie „liebe Schwestern und Brüder“ nenne, dann, weil sie mir lieb und teuer sind; weil sie mir wertvoll sind!
Vor allem aber, weil wir als Schwestern und Brüder verbunden sind in der Liebe Gottes, des Vaters und in der Liebe Jesu, unseres Herrn und Erlösers.
Die Liebe Gottes! – Woran kann ich merken, dass Gott voll Liebe ist – so wie es das Johannesevangelium beteuert und bekennt und verkündet!
Woran kann ein Mensch merken, dass er von irgendjemandem geliebt wird?
Gibt es Zeichen und Hinweise, die einem erkennen lassen: Ich glaube dir, dass du mich liebst?
Ich möchte nicht den Spezialfall der romantischen, partnerschaftlichen Liebe oder Verliebtheit betrachten: da gibt es eindeutige Signale, die kaum zu übersehen sind.
Ich möchte von der Liebe sprechen, mit der Eltern und Kinder meist – einander lieben; oder mit der Partner sich auch nach vielen Jahren noch lieben können.
Gibt es jemanden, der sie liebt? Und wenn ja, was heißt das eigentlich?
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich jetzt keine Kennzeichen der Liebe aufzähle. Denn die Liebe zwischen Menschen drückt sich so vielfältig aus, wie Menschen eben sind.
Und ‑ die Liebe ist auch nicht immer nur auf den anderen bezogen. Auch wer liebt, will etwas für sich selbst!
Das Johannesevangelium spricht davon, dass „Gott, der Vater“ Jesus liebt und dass Jesus seine Jünger genauso liebt.
Schließlich sollen die Jünger einander lieben, wie Jesus sie geliebt hat!
Wie konnten die Jünger merken, dass Jesus sie liebt?
Wie konnte Jesus merken, dass sein Vater ihn liebt?
Wie kann heute ein Mensch merken, dass Gott ihn liebt?
Die Antwort darauf ist nicht ganz leicht: nicht leicht zu geben und nicht leicht zu hören.
Es ist wie immer bei der Liebe. Es gibt viele Zeichen und Hinweise: Dazu gehört für mich alles Schöne und Gute, das ich in meinem Leben erfahren darf:
andere Menschen haben mich Liebe spüren lassen.
ich erlebe Geborgenheit bei Menschen und in der Schöpfung;
nicht zuletzt staune ich über die Welt und das Universum, das ein Kunstwerk ist, wie es sich kein Mensch ausdenken könnte:
Es ist das Leben selbst, das mich an SEINE Liebe glauben lässt: dass ich leben darf, mit ihnen allen,
dass dieses Leben weitergeht und nicht im Nichts verschwindet, das zeigt mir, dass ER es mir gab und dass er mich liebt.
Selbst das Geheimnis des Sterbens deutet noch auf den hin, von dem das Leben kommt. Denn alles, was zum Sterben gehört, bewegt uns Menschen, noch genauer zu fragen: Was sollen wir tun?
Welchen Sinn hat das Leben? Was ist das Ganze und Eine, das alles Zusammenhält.
Es gibt nicht nur viele Zeichen – alles ist ein Zeichen, für IHN, der sein Leben mit uns teilt.
Ich will in seiner Liebe bleiben: ich will festhalten am Ja zum Leben, das seinen Ursprung hat in SEINEM Ja zur Vergänglichkeit.