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Liebe Schwestern und Brüder!
Der Menschensohn hat keinen Ort, zum Ausruhen!
Lass die Toten die Toten begraben!
Keiner, der zurückblickt, taugt für das Reich Gottes!
Wie reagieren wir auf diese Denksprüche Jesu?
Vielleicht haben wir uns ja daran gewohnt: Wenn in der Kirche, wenn in der Bibel solche Sätze gesagt werden, muss man sie nicht so ernst nehmen.
Aber werden wir mit dieser Einstellung Jesus gerecht?
Tun wir ihm nicht Unrecht, wenn wir ihn einfach nicht für ganz ernst nehmen?
Doch bevor ich diese Sätze für mich auslegen kann – es sind ja sogenannte „Denksprüche“ – muss ich unbedingt nachschauen, in welchem Zusammenhang sie stehen:
Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Er geht auf Konfrontation und er weiß, dass es für ihn keinen Ausweg mehr geben wird.
Er weiß, dass die Lehrer der Religion und ihre Richter ihn und sein Handeln und Reden nur verurteilen können.
Zugleich aber ist er entschlossen, seine Botschaft bis zum Ende zu verkünden: Das Reich Gottes ist nahe! Gott verurteilt nicht. Gott schließt niemanden von seiner Liebe aus.
Doch gerade diese frohe Botschaft, die er kompromisslos lebt und verkündet, bringt ihn so in Gefahr und in die Zwickmühle.
Gerade in dem Ausschnitt, den wir gerade gehört haben, werden beide Seiten deutlich:
Die jünger weist er Zurecht: sie sollen nicht über das Dorf richten, das ihn nicht aufnehmen wollte – niemand wird ausgeschlossen.
Gott liebt auch die, die ihn ablehnen. Das aber bedeutet ein so grundlegendes Umdenken, dass es nur ein entweder oder gibt:
Wer mit Jesus geht, wer wie er rückhaltlos Gott und seiner Liebe traut, der ist anders als alle Welt, der beginnt etwas neues, der kann nicht mehr zurück ins alte Leben! In das Leben, das aus beurteilen und verurteilen aus abgrenzen und ausgrenzen besteht.
Liebe Schwestern! Liebe Brüder!
Ich will das mit drei Beispielen unserer gegenwärtigen Situation in Verbindung bringen:
1. Heute (GESTERN) empfingen 12 Männer die Priesterweihe.
Jeder folgt auf seine Weise dieser Berufung, im Auftrag Jesu das Reich Gottes zu verkünden. Ich wünsche ihnen, dass sie das Vertrauen in Gottes Liebe für sich selbst durchhalten und sich bis in die Wurzeln ihrer Persönlichkeit davon prägen lassen.
2. Am kommenden Freitag werden in unserer Pfarrkirche 104 junge Menschen gefirmt: ich wünsche ihnen, dass der Geist Jesu sie stärkt für ihr Leben: dass alles, was sie anfangen, seinen Ausgangspunkt hat, beim Vertrauen in Gott, der niemanden ausschließt von seiner Liebe.
3. Über eine Denkschrift der ev. Kirche in Deutschland wird in diesen Tagen heftig diskutiert: „Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken!“
Gibt diese Schrift die christlichen Standpunkte zu Ehe und Familie auf? – das werfen ihr die Kritiker jedenfalls vor!
Auch in den Fragen von Familie, Partnerschaft und Ehe geht es um das Vertrauen in Gottes Liebe, die niemanden ausschließt und die jedem gibt, was er zu seinem Heil braucht.
Leben entsteht durch die Liebe zwischen Mann und Frau. Und wer liebt, wünscht sich, dass diese Liebe unzertrennlich ist.
Dies anzuerkennen und dies zu unterstützen ist die eine Sache.
Die andere Sache ist, dass es auch andere Lebensformen gibt und schon immer gab.
Darf ich glauben, dass Gottes Liebe auch Frauen und Männer umfasst, die nicht in einer Ehe leben oder deren Liebe doch zerbrochen ist?
Muss ich deswegen aufhören, die Liebe zwischen Frau und Mann in der Ehe besonders zu schätzen: als Sakrament, in dem Gottes Leben schaffende und treue Liebe sichtbar wird?



