28. September 2014: 26. Sonntag im Jahreskreis

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Liebe Schwestern und Brüder,
Inzwischen befinden wir uns in Jerusalem. Dort war Jesus von den Leuten – darunter viele, die als Sünder galten – wie ein König empfangen worden:
Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn“ sangen die Leute.

Jesus war in den Tempel gegangen und hatte die Händler und Geldwechsler vertrieben.

Wie zu erwarten stellen ihn die Hohenpriester und Ältesten zur Rede und fragten ihn: mit welchem Recht tust du das alles. Wer hat dir dazu die Vollmacht gegeben.

Damit stellen sie Jesus vor ein Dilemma:
Beruft er sich auf einen göttlichen Auftrag – dann wird er als Gotteslästerer verurteilt werden.

Wenn er sich aber nur seine eigene Ansicht und Einsicht beruft, dann werden sie ihn verurteilen, weil er den Tempel und den Tempelkult angegriffen hat.

Jesus sitzt also in der Klemme. Nur mit einem geschickten Schachzug kann er sich daraus befreien: Er stellt eine Gegenfrage:
Er wird die ihm gestellte Frage beantworten, wenn ihm die Ältesten beantworten, ob Johannes im Auftrag Gottes taufte oder nur aus eigenem Antrieb:

Nun saßen die Hohenpriester in der Klemme:
Denn wenn sie sagen: Johannes taufte im Namen Gottes, dann machen sie sich unmöglich, weil sie Johannes nicht glaubten.
Wenn sie antworten: Es war seine eigene Sache – dann brachten sie das Volk gegen sich auf, das Johannes für einen Propheten hielt.

Nun war die Situation wieder offen und Jesus hatte sich schlau aus der Affäre gezogen. Aber statt wegzugehen und seinen Sieg auszukosten, begann er eine neue Runde in der Auseinandersetzung:

Mit dem Gleichnis von den beiden ungleichen Söhnen stellte er den Hohenpriestern und Ältesten die Zöllner und Dirnen als Beispiel vor, weil sie der Predigt des Johannes glaubten und sich bekehrten.

Die Botschaft Jesu ist klar:
Gott ruft die Menschen zur Umkehr, damit sie von ihrem Unrecht ablassen und anfangen, nach Gottes Willen zu leben.

Alleine darauf kommt es an: dass ich wirklich Gottes Willen tue!

Deshalb ist es nötig, dass wir Christen selbstkritisch bleiben – dass wir unser Verhalten, unser Tun immer wieder mit dem vergleichen, was Jesus getan und gelehrt hat:

Ist Gott die Mitte meines Lebens? Liebe ich Gott?
Oder benutze ich das Wort, benutze ich Gott dafür, um meine eigenen Interessen und Vorlieben zu rechtfertigen?

Liebe ich meine Mitmenschen? Oder beurteile ich und verurteile sie?
Bin ich bereit zu teilen? Zu helfen? Gutes zu tun – auch da, wo mich keiner verpflichten würde?

Die selbstkritische Prüfung der eigenen Gesinnung und des eigenen Handelns nennt Jesus Umkehr.
Das konkrete Üben, wirklich nach Gottes Willen zu fragen und ihn zu tun, nennt Jesus Buße.

Umkehr und Buße sind also nichts Schlimmes. Es geht nicht darum, etwas Böses oder Schlechtes auf sich zu nehmen, quasi als Strafe.

Umkehr und Buße sind nichts anderes als die ständige Einübung darin, Gottes Willen für sich zu erkennen und ihn zu tun.

Sie sind nötig, damit wir Gottes Güte in der Welt sichtbar machen.

21. September 2014: 25. Sonntag im Jahreskreis

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Liebe Schwestern und Brüder
Es ist ein geflügeltes Wort geworden, das Michail Gorbatschow vor 25 Jahren in den Mund gelegt wurde: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!“

Ich möchte diesen Satz aber nicht als Motto wählen – auch wenn er zunächst eine ganz alltägliche Erfahrung beschreibt:

Wer die Entwicklungen verpasst, an dem zieht das Leben vorbei und er hat das Nachsehen und viele Nachteile:
Das System der DDR konnte sich nicht verändern und auf die Entwicklungen in seiner Gesellschaft reagieren – und es verschwand!

Aber dieser Satz ist zugleich gnadenlos:
Kein Busfahrer würde mehr an der Haltestelle ein paar Augenblicke warten, bis der heraneilende Passagier gerade noch hereinhüpfen kann.
Deswegen ist er meiner Meinung nicht geeignet als Norm für das Miteinander der Menschen.

Das heutige Evangelium beschreibt genau das Gegenteil:
Nicht nur in der Frühe, auch spät am Vormittag und sogar erst kurz vor Feierabend wurden die Arbeiter angeworben – und nicht bestraft dafür, sondern erhielten das, was sie zum Leben brauchten – und zwar noch vor den anderen, die den ganzen Tag die Gluthitze des Tages ertragen hatten.

Wir dürfen da schon Verständnis haben für deren Entrüstung, die wir in ähnlichen Situationen durchaus kennen:

Da zieht jemand neu in das Haus ein – und genießt von Anfang an die Sympathie aller im Haus und wird gefragt, wenn es etwas zu regeln gibt.

Da kommt jemand neu in die Firma und wird sofort denen gleich gestellt, die schon lange dabei sind.

Sollten nicht die, die neu dazu kommen, sich erst mal hinten anstellen und sich anpassen und einfügen, statt gleich in der ersten Reihe zu stehen?
Das weckt Neid und Eifersucht.

Liebe Schwestern und Brüder, ist es aber nicht auch so, dass jeder – auch und gerade der zuletzt dazu kommt – die Gemeinschaft bereichert?
Sollte nicht der Letzte genauso ernst genommen werden, wie der letzte?
Es wäre doch ungerecht zu sagen: Weil du neu bist, hast du hier nichts zu sagen. Wer könnte sich da willkommen fühlen?

Liebe Schwestern und Brüder, dieses Gleichnis über das Himmelreich lehrt mich zweierlei:

Zum einen, dass die Türe nie verschlossen wird: Jesus hat es vorgelebt:
Er hat die in sein Reich berufen, die als Zöllner und Sünder überall ausgeschlossen waren.

Es gibt bei Gott kein zu spät – vielmehr kann jeder seine Einladung zu jeder Zeit annehmen – solange er lebt.
Und deshalb sollten auch wir uns freuen über jeden, der mit uns leben will und zu uns gehören will:

Und zweitens:
In den Fragen, die demnächst von der Weltbischofssynode diskutiert werden heißt das für mich: Wir dürfen nicht sagen: dein Leben war verkehrt – jetzt ist die Tür geschlossen. Du hast keinen Platz am Tisch des Herrn.
Wir sollten vielmehr jeden, der zu uns kommt und mit uns leben will willkommen heißen und uns freuen, dass wir nun mit ihm das Brot teilen können.

Jesus hat die Menschen nicht festgelegt auf ihre Vergangenheit – er hat ihnen eine neue Zukunft eröffnet – und wir, seine Kirche, sollten das gleiche tun: wenn Menschen zu uns kommen, wenn sie auf der Suche nach Gott sind, dann sollen wir sie froh und dankbar aufnehmen – und sie nicht in die letzte Reihe schicken.

07.09.2014: 23. Sonntag im Jahreskreis

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Liebe Schwestern und Brüder,
Der Apostel Paulus bringt es im Römerbrief auf den Punkt:
Alle Gebote über das Zusammenleben der Menschen sind in dem einen Satz zusammengefasst: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
denn die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses!

Soweit die Theorie. Das Matthäusevangelium hingegen setzt sich mit folgender Situation auseinander: „Wenn dein Bruder sündigt!“

Der viel ältere Text aus dem Buch Ezechiel schärft erst Recht die Pflicht ein, die Menschen auf das Unrecht hinzuweisen, das sie tun – damit sie umkehren und nicht ihrer Sünde wegen sterben müssen.

In den Prophetenworten erscheint Gott wie ein Monarch, der sein Volk durch die Gewalt seiner Feinde straft, weil es Gräueltaten verübt, statt auf seinen Gott zu hören.

Die Menschen tun einander Böses.

Wie soll man sich verhalten, gegenüber einem, der Unrecht tut?
Wenn einer betrügt, wenn einer seine Kinder schlägt, wenn einer zu viel Alkohol trinkt, wenn einer ungerecht ist und gemein?

Erinnern sie sich an Beispiele, wo sie gesehen haben, dass jemand auf dem falschen Weg ist und sie sich damit plagten: soll ich etwas sagen? Darf ich etwas sagen? Darf ich mich einmischen?

Das Mt. Evangelium gibt den ersten Christen für eine solche Situation Hinweise, die zu größter Sorgfalt raten: Vier Augen Gespräch – zwei Zeugen – schließlich die ganze Gemeinde!

Das ist ein großer Aufwand, bevor es zu dem radikalen Schnitt kommt: er sei für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.

Neigen wir nicht dazu, schon viel früher zu entscheiden: Mit dem oder will ich nichts mehr zu tun haben?

Neigen wir nicht dazu, mit anderen über die Fehler eines Menschen zu sprechen – statt mit ihm zu reden?

Vielleicht würden wir unser Urteil ändern, wenn wir mit dem sprechen, dem wir ein Unrecht vorhalten.

Liebe Schwestern und Brüder, die Verkündigung Jesu ist voll von Beispielen, wie er Sündern begegnet ist:
Ohne Vorhaltungen – sondern er lud sie ein, bot ihnen Gemeinschaft an, sprach ihnen die Vergebung zu.

Wie der Hirte das verlorene Schaf sucht, so will Jesus den Menschen nachgehen und sie zu sich holen.
Wie die Frau sich freut, wenn sie die verlorene Drachme wiedergefunden ist, so freut sich Jesus über jeden Menschen, der wieder anfängt
an Gottes Güte zu glauben.

Jesus will die Menschen zu sich einladen, zur Gemeinschaft mit Gott einladen, er will ihnen helfen, an Gottes Güte zu glauben und deshalb selbst gütig zu werden.

Jesus ist gekommen, um zu retten, um zu sammeln, um zu heilen ‑
nicht um zu urteilen und auszuschließen!

Darum geht es: Schwestern und Brüder zu gewinnen!

Das sollte man uns einzelnen Christen anmerken: dass wir barmherzig miteinander umgehen!

Und wir sollte es auch von unseren Bischöfen erleben und erwarten können: dass sie nicht Urteile fällen über die Menschen und darüber wie sie als Familie und als Mann und Frau zusammen leben.

Schließlich und endlich sollten die Zeiten vorbei sein, in denen Menschen wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Unrechtstaten an den Pranger gestellt werden. Ausgesetzt dem Spott, dem Hohn und der Häme der vorbeiziehenden öffentlichen Aufmerksamkeit.

Schwestern und Brüder,
gibt es denn jemand, der wirklich eine weiße Weste hat?
Brauchen wir nicht alle die Nachsicht, das Verständnis, die Geduld unserer Mitmenschen?

Lasst uns sparsam damit umgehen, andere zu beschuldigen und sie auszuschließen. Es sollte uns darum gehen, Brüder und Schwestern zu gewinnen, die mit uns leben im Glauben an Gottes Güte.