Hier geht es zu den liturgischen Texten: 
Liebe Schwestern und Brüder,
Der Apostel Paulus bringt es im Römerbrief auf den Punkt:
Alle Gebote über das Zusammenleben der Menschen sind in dem einen Satz zusammengefasst: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
denn die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses!
Soweit die Theorie. Das Matthäusevangelium hingegen setzt sich mit folgender Situation auseinander: „Wenn dein Bruder sündigt!“
Der viel ältere Text aus dem Buch Ezechiel schärft erst Recht die Pflicht ein, die Menschen auf das Unrecht hinzuweisen, das sie tun – damit sie umkehren und nicht ihrer Sünde wegen sterben müssen.
In den Prophetenworten erscheint Gott wie ein Monarch, der sein Volk durch die Gewalt seiner Feinde straft, weil es Gräueltaten verübt, statt auf seinen Gott zu hören.
Die Menschen tun einander Böses.
Wie soll man sich verhalten, gegenüber einem, der Unrecht tut?
Wenn einer betrügt, wenn einer seine Kinder schlägt, wenn einer zu viel Alkohol trinkt, wenn einer ungerecht ist und gemein?
Erinnern sie sich an Beispiele, wo sie gesehen haben, dass jemand auf dem falschen Weg ist und sie sich damit plagten: soll ich etwas sagen? Darf ich etwas sagen? Darf ich mich einmischen?
Das Mt. Evangelium gibt den ersten Christen für eine solche Situation Hinweise, die zu größter Sorgfalt raten: Vier Augen Gespräch – zwei Zeugen – schließlich die ganze Gemeinde!
Das ist ein großer Aufwand, bevor es zu dem radikalen Schnitt kommt: er sei für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.
Neigen wir nicht dazu, schon viel früher zu entscheiden: Mit dem oder will ich nichts mehr zu tun haben?
Neigen wir nicht dazu, mit anderen über die Fehler eines Menschen zu sprechen – statt mit ihm zu reden?
Vielleicht würden wir unser Urteil ändern, wenn wir mit dem sprechen, dem wir ein Unrecht vorhalten.
Liebe Schwestern und Brüder, die Verkündigung Jesu ist voll von Beispielen, wie er Sündern begegnet ist:
Ohne Vorhaltungen – sondern er lud sie ein, bot ihnen Gemeinschaft an, sprach ihnen die Vergebung zu.
Wie der Hirte das verlorene Schaf sucht, so will Jesus den Menschen nachgehen und sie zu sich holen.
Wie die Frau sich freut, wenn sie die verlorene Drachme wiedergefunden ist, so freut sich Jesus über jeden Menschen, der wieder anfängt
an Gottes Güte zu glauben.
Jesus will die Menschen zu sich einladen, zur Gemeinschaft mit Gott einladen, er will ihnen helfen, an Gottes Güte zu glauben und deshalb selbst gütig zu werden.
Jesus ist gekommen, um zu retten, um zu sammeln, um zu heilen ‑
nicht um zu urteilen und auszuschließen!
Darum geht es: Schwestern und Brüder zu gewinnen!
Das sollte man uns einzelnen Christen anmerken: dass wir barmherzig miteinander umgehen!
Und wir sollte es auch von unseren Bischöfen erleben und erwarten können: dass sie nicht Urteile fällen über die Menschen und darüber wie sie als Familie und als Mann und Frau zusammen leben.
Schließlich und endlich sollten die Zeiten vorbei sein, in denen Menschen wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Unrechtstaten an den Pranger gestellt werden. Ausgesetzt dem Spott, dem Hohn und der Häme der vorbeiziehenden öffentlichen Aufmerksamkeit.
Schwestern und Brüder,
gibt es denn jemand, der wirklich eine weiße Weste hat?
Brauchen wir nicht alle die Nachsicht, das Verständnis, die Geduld unserer Mitmenschen?
Lasst uns sparsam damit umgehen, andere zu beschuldigen und sie auszuschließen. Es sollte uns darum gehen, Brüder und Schwestern zu gewinnen, die mit uns leben im Glauben an Gottes Güte.