26. April 2014: 4 Ostersonntag

Hier geht es zu den liturgischen Texten: Schott

Liebe Schwestern und Brüder!
der Vergleich mit dem „Hirten“ klingt nach Überlegenheit. Zwischen dem Hirten und den behüteten Schafen liegt ein deutliches Gefälle:
Der Hirt kennt den Weg; er weiß wo Wasser ist und gute Futterstellen;
er gibt das Kommando zum Aufbruch und zum Rasten;
er heilt die verletzten Schafe und findet die verirrten.

Die Überlegenheit macht den Vergleich Jesu mit einem Hirten gefährlich:
als wollte Jesus sagen: Ihr seid die Schafe!

Das Evangelium will aber gar nicht die Überlegenheit des Hirten herausstellen. Das Evangelium will gar nicht betonen: Jesus weiß alles, auf ihn müsst ihr hören.

Bedenken wir: Die Propheten und die Psalmen bezeichnen Gott als den Hirten Israels: Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen!
heißt es im Psalm 23 – beispielsweise.

Es geht um den Anspruch Jesu, dass ER der Hirte Israels ist – im Auftrag seines himmlischen Vaters – und nicht andere, die auch und fälschlicherweise beanspruchen, Hirten zu sein.

Diese anderen sind aber – so polemisiert das Evangelium – keine Hirten, sondern nur wie bezahlte Knechte, die weglaufen, wenn Gefahr droht.

Sie suchen nur ihren Verdienst, ihren Gewinn an den Schafen – während ihnen an den Schafen selbst nichts liegt.

Jesus aber ist der gute Hirt: ihm geht es um die Schafe. Mit seiner ganzen Person steht er für sie ein.

Das, liebe Schwestern und Brüder, ist der springende Punkt:
Jesus gibt sein Leben hin für die Schafe, weil er die Schafe kennt, das heißt, weil er sie liebt. Und wenn Jesus sein Leben gibt, dann wird er es ebenso wieder gewinnen und nehmen – denn der Tod hat keine Macht über ihn.

Schon immer werden in der Kirche die Bischöfe und Priester als die Hirten bezeichnet – im Gegenüber zu der Gemeinde. Man spricht vom Hirtenamt. Der Bischof hat einen Hirtenstab als Zeichen seines Amtes und Dienstes.

Wenn der Vergleich wegen der Überlegenheit schon auf Jesus bezogen in die Irre leiten kann – dann erst recht wenn die Amtsträger der Kirche sich als Hirten bezeichnen.

Es mag eine große Anerkennung sein, wenn das Volk Gottes von einem sagt: Du bist ein echter und guter Hirt! Doch sollten wir Pfarrer sehr zurückhaltend sein, uns selbst als Hirten zu bezeichnen.

Es wäre schon gut, wenn wir als erste der Stimme Jesu folgen;

es wäre schon gut, wenn wir nicht müde werden, das Wort des Lebens, die frohe Botschaft unentwegt zu verkünden und das Volk Gottes im Glauben zu stärken;

es wäre schon gut, wenn wir die Sakramente von Taufe bis Krankensalbung so mit den Christen feiern, dass wir nicht nur Riten vollziehen, sondern so, dass die Menschen im Herzen angesprochen sind und sie Stärkung und Trost erfahren – eine echte Begegnung mit Gott.

Liebe Schwestern und Brüder, die Bischöfe und wir Priester sollen und dürfen dem Volk Gottes dienen und für uns ist es angemessen zu sagen:
wir tun, was unsere Aufgabe ist und sind nicht mehr als Diener des Reiches Gottes – zusammen mit denen, in deren Dienst wir stehen.

Und gerade aus dieser Sicht, möchte ich sie, Schwestern und Brüder, ein wenig wachrütteln: es ist wichtig, dass Frauen und Männer sich entschließen, den Dienst der Verkündigung zu übernehmen!
Wir müssen dankbar sein für jede und jeden, der sein Leben in den Dienst des Reiches Gottes stellt.
Und wir sollten Gott darum bitten, dass junge Menschen diese Berufung in sich wahrnehmen und sich entscheiden: ich werde Religionslehrer, ich werde Pastoralreferentin, ich werde Priester, ich will in einer klösterlichen Gemeinschaft dem Reich Gottes dienen.

Liebe Schwestern und Brüder, im Kern geht es darum, ob wir uns darüber herzlich freuen, wenn ein Mensch Jesus als Erlöser und Heiland, als seinen guten Hirten erkennt und ganz bewusst aus diesem Glauben lebt – ob in einem weltlichem oder in einem kirchlichen Beruf.

12. April 2015: 2. Sonntag der Osterzeit

Hier geht es zu den liturgischen Texten: Schott

Liebe Schwestern und Brüder!
Immer wieder ärgern sich Menschen über mich, wenn sie mir etwas erzählen und ich antworte: „Das glaube ich nicht! Das muss ich selber sehen!“ – Ich weiß nicht, ob Sie das auch manchmal sagen, oder denken!

Das glaube ich nicht! Das kann ich nicht glauben! Das kann ich mir nicht vorstellen! Das muss ich selber sehen!

Ich reagiere so, wenn ein Bericht, eine Schilderung, eine Erzählung ganz anders ist als meine eigene Erfahrung und Kenntnis: „Das gibt es nicht!“
sagt man ganz spontan und möchte dabei weniger die Glaubwürdigkeit und Vernunft des Erzählers in Frage stellen, sondern drückt noch mehr seine eigene Verwunderung, Überraschung aus – und sein Unverständnis.

Wenn etwas so stark meinen Erfahrungen widerspricht, dann muss ich es selber sehen, damit ich mein Weltbild anpassen kann, damit ich es mir vorstellen kann.

Das ist unsere Situation im Hinblick auf den Glauben an die Auferstehung Jesu: es ist nicht verwunderlich, wenn wir sagen: Das kann ich mir nicht vorstellen. Das gibt es nicht. Das kann ich nicht glauben!

Deshalb bin ich froh, dass das Johannesevangelium diese Geschichte vom Apostel Thomas erzählt, der genau so reagiert:
„Das möchte ich selber sehen, erleben, damit ich es glauben kann.“

Denn gerade auf diese Geschichte kann ich meinen Glauben stützen:
einer der Apostel – oder eigentlich alle – haben so normal reagiert:
Sie konnten es zuerst nicht glauben.
Sie konnten ihrer eigenen Erfahrung nicht trauen.
Es heißt auch in anderen Ostergeschichten: Sie waren noch nicht zum Glauben gekommen! Es wird erzählt, das die Apostel bei der zweiten und dritten Erscheinung des Auferstandenen ihn immer noch nicht sofort erkannten und sie meinten er sei ein Gespenst.

Langsam erst festigten sich in ihnen der Eindruck und die Gewissheit über das, was sie erlebt hatten. Dann aber verkündigten sie es offen und ohne Angst: Jesus, der gekreuzigt wurde. Er ist auferstanden! Er lebt!

So dürfen auch wir heutigen zugeben, wenn es uns schwer fällt, an die Auferstehung zu glauben: Wie ist das möglich?

Was haben die Apostel erlebt oder gesehen? Gibt es andere Erklärungen – Selbsttäuschung, Betrug, Illusion, Einbildung?

Das alles beschäftigt uns – und wir können die Fragen nicht sicher beantworten über das hinaus, was uns die Ostererzählungen überliefern – und das ist sehr vieldeutig und unterschiedlich.

Eines aber ist sicher: Kaum hatte man Jesus hingerichtet, vermehrte sich die Schar seiner Jünger rasant und in kurzer Zeit.
Man schloss sie aus der Synagoge aus, man verhörte sie, man nahm sie gefangen, man peitschte sie aus – und immer wegen dieser einen Sache:
Sie verkündigten Jesus als Messias Gottes, der von den Toten auferstan­den sei! Und wie Jesus selbst gefährlich erschien, weil er die Führenden in Frage stellte, so erschienen auch seine Jünger gefährlich, weil sie die Autoritäten nicht mehr anerkannten, sondern an Jesus glaubten und wie er das Reich Gottes verkündeten:

Was immer auch geschehen war? Was immer sie erlebt hatten?
Es war stark! Und es veränderte die Jünger! Es machte sie stark und unerschrocken.

Liebe Schwestern und Brüder!
Jesus ist auferstanden, ich glaube daran und bin auf die Antworten gespannt, die meine Fragen finden werden.
Jesus ist auferstanden! Dieser Glaube prägt das ganze Leben, die Ideale, die Werte, alles steht unter diesem Vorzeichen. Es geht nicht um Jetzt! Es geht um danach! Das danach wird es geben – von Gott geschenkt, wie das jetzige Leben!

Und welche Konsequenzen das zu Ende gedacht und gelebt hat, das sagt die Apostelgeschichte: Sie hatten alles gemeinsam. Niemand nannte etwas sein Eigentum. Alle brachten ihren Besitz und jedem wurde zugeteilt, was er nötig hatte.

Liebe Schwestern und Brüder! Selig sind wir, wenn wir glauben.

4./5. April 2015: Predigt in der Osternacht

Liebe Schwestern und Brüder!
es waren ganz gewiss schlechte Zeiten, als Jesus in Israel lebte:
Es gab allen Grund, die Zukunft zu fürchten. Die Römer ließen keine Zweifel an ihrer Dominanz aufkommen. Einen Menschen an Kreuz hängen und warten, bis er erstickt war – das war nichts Außergewöhnliches.

Umso bedrückter, ja geradezu niedergeschmettert waren die Frauen und Männer, die mit Jesus von Galiläa nach Jerusalem gekommen waren, um mit ihm dort das Paschafest zu feiern.

Diese Wallfahrt entwickelte sich zum Desaster mit tödlichem Ausgang. Abgesehen von der Trauer um den vermeintlichen Messias und die Enttäuschung über sein Scheitern mussten sich seine Gefährtinnen und Gefährten wirklich Gedanken machen: wie kommen wir wieder heil nach Hause, nach Galiläa.

Die Römer und die Führenden im Volk Israel hingegen dachten: dieser Mann und seine Freunde werden uns keine Schwierigkeiten mehr machen: All das Gerede vom himmlischen Vater, von Vergebung und Auferstehung, vom Reich Gottes, das angebrochen sei – erledigt!
Davon wird man nie mehr etwas hören. Das Problem ist gelöst!

Doch weit gefehlt: Kaum hatte man diesen Jesus aus dem Weg geräumt, ging es erst richtig los mit diesen Leuten. Es verbreitete sich die Kunde, dass Jesus von den Toten auferstanden sei. Nicht nur, dass seine Freunde sich sozusagen mit diesem Glauben trösteten – nein: sie wurden immer mehr. Das Jesus Problem ging erst richtig los, als man dachte, dass man es beseitigt hätte.

Der Glaube an Jesus, den Gekreuzigten verbreitete sich trotz aller Verfolgung der Christen unaufhörlich: Antiochia, Perge, Korinth, Ephesus. Es dauert keine 20 Jahre bis es in Rom eine Gemeinde von Christen gab.

Liebe Schwestern und Brüder! Diese ersten Christen vor 1950 Jahren waren nicht besser d’ran als wir heute: sie verließen sich auf die Verkündigung, auf die Überlieferung auf die Predigt derer, die schon an Christus glaubten.

Das ist bis heute so: wir hören das Zeugnis der Apostel, dass Christus auferstanden ist und glauben: an die Erlösung, an die Befreiung von Tod und Sünde. Wir glauben an Versöhnung und Frieden durch Christi Tod und Auferstehung.

Vor 200 Jahren entstand ein Osterlied: es drückt aus, was der Glaube an Jesu Auferstehung für uns bedeutet:

Jesus lebt, mit ihm auch ich! Tod, wo ist dein Schrecken?
Er, er lebt und wird auch mich von den Toten auferwecken.
Er verklärt mich in sein Licht; dies ist meine Zuversicht.

Schwestern und Brüder,
einen Gekreuzigten als Erlöser, als Gottes Sohn preisen und verkünden, das ist auch heute ein starkes Stück.
Wie immer schon versprechen die Reichen und Mächtigen, dass sie Frieden bringen und Ruhm und Macht.
Ein Gekreuzigter – einer von den vielen, denen man ein grausiges Ende bereitet hat – wird wohl kaum dafür in Frage kommen!

Doch unser Glaube sagt:

Jesus lebt, ihm ist das Reich über alle Welt gegeben.
Mit ihm werd auch ich zugleich ewig herrschen, ewig leben.
Gott erfüllt, was er verspricht; dies ist meine Zuversicht.

Schwestern und Brüder, ich bin dankbar, dass das Zeugnis und die Verkündigung der Apostel mich erreicht hat.
Ich bin dankbar, dass ich durch Christus hoffen und gewiss sein kann:
Gott hält für uns ein neues Leben bereit ‑ in seinem Licht.
Der Glaube an Jesus und seine Auferstehung, seine Jüngerschaft macht mich frei – was kann die Welt schon nehmen, was kann die Welt schon geben – was nicht im Licht Gottes wirken würde wie rostiges Eisen.

Das einzige, was zählen wird, ist: Du bist von Gott geliebt und darum darfst Du leben im Licht Gottes. Heute im Glauben und dann endgültig und unverhüllt.

3. April 2015: Predigt zu Karfreitag

Liebe Schwestern und Brüder,
Oft schon haben wir das Begräbnis eine Menschen miterlebt.
Ich erlebe die Bestattung des Verstorbenen als eine wichtige Zäsur:
der Abschied ist vollzogen. Der Vorgang ist an sein Ziel gekommen.
Die Aufregung legt sich und man wird ruhiger ‑ auch wenn der längere Teil der Trauerarbeit erst noch kommt.

So ähnlich empfinde ich auch jetzt, da ich gehört habe: „Sie setzten Jesus dort bei!“ Die schrecklichen Qualen, die Jesus zugefügt wurden, sind nun zu Ende. Er hat es geschafft. Es ist vorbei. Es kehrt ein wenig Ruhe ein.

Die Ruhe lässt einem Zeit, um Nachzudenken:
Sofort aber stehen wieder die Bilder vor Augen, weil sie noch so frisch sind: die Geschichte von Verrat, im Stich gelassen werden, mit Lügen konfrontiert werden, wehrlos ausgeliefert sein, die Folter, die Demütigungen, die unerträglichen Qualen, die brutale Gewalt.

Schwestern und Brüder, das gibt es jeden Tag in dieser Welt. Es gehört zur alltäglichen menschlichen Erfahrung. –
Auch wenn wir uns eine heile Welt wünschen und alles Mögliche unternehmen, um das Leben möglichst „perfekt“ zu gestalten und zu organisieren: Dabei haben wir in unserer Weltgegend beachtliches erreicht: Wer mit 70 Jahren stirbt, gilt bei uns noch als jung.

Wer sich Kinder wünscht, kann sie auf irgendeine Weise bekommen; wer keine will, kann es verhindern.

Selbst die bei uns als arm gelten, haben mehr als viele andere Menschen in der Welt. Was immer sich jemand wünscht, gibt es zu kaufen.

Wir versuchen das Paradies auf Erden herzustellen.

Doch ganz funktioniert es nicht: Manchmal ereilt uns ein Schrecken: die Natur spielt uns einen Streich oder die Technik versagt oder Menschen leben ihre Aggression aus und richten Unheil an oder das wohltemperierte Gleichgewicht von Finanzen und Wirtschaft gerät aus den Fugen.

Dann sind wir wieder auf dem Boden der Realität: diese Welt ist nicht und wird niemals das Paradies: Zu dieser Welt gehört der Tod!
Zu dieser Welt gehört die Gewalt, die Natur und Menschen verüben!

Und wenn wir genau überlegen hat unser fast paradiesischer Zustand in Mitteleuropa viel zu tun mit dem Elend in anderen Gegenden der Welt.

Heute ganz besonders, aber nicht nur heute, erinnern wir uns daran, dass Jesus Christus durch Unrecht und Gewalt getötet wurde. Damit stellen wir uns der Realität. Wir stellen uns der Herausforderung, wie wir mit Tod und Elend leben und dennoch an das Gute glauben können: daran, dass der gute Gott diese Erde aus Liebe erschuf und ihr deshalb auch Zukunft gibt.

Wie können wir inmitten von Unrecht und Gewalt an das Gute glauben?

Ich möchte fast sagen: wenn wir uns nicht zu Dienern des Todes machen wollen, bleibt uns nichts anderes übrig. Denn nur wenn wir an das Gute glauben, nur wenn wir an das Leben und seine Zukunft glauben, nur dann haben wir die Kraft, der Gewalt und dem Unrecht zu widerstehen, die den Tod bringen.

Jesus Christus, der gelitten hat, ist der Grund, warum wir an das Gute und an das Leben glauben können: Er lebte ganz aus dem Vertrauen auf den himmli­schen Vater und seine treue Liebe.
In seinem Leiden wurde er auf die Probe gestellt bis hin zu dem Klageruf: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Sein Vertrauen war stärker als die Angst, der Zweifel und der Schmerz. Er ist der Versuchung nicht erlegen: der Versuchung, sich aus der Schlinge zu ziehen, sich davon zu stehlen oder gar zurück zu schlagen.

Er hielt fest an seinem Vertrauen bis zum Gebet: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. So hat er gezeigt: mitten im Schrecken der Welt kann man an das Gute und an den guten Gott glauben. In diesen Tagen feiern wir es: Gott hat ihn nicht im Stich gelassen. Sao ist Christus uns zum Erlöser geworden, der uns das Paradies aufgeschlossen hat.

Da wir aber an Christus glauben, der der Versuchung widerstand, haben wir zu Gewalt und Unrecht ein eindeutiges Verhältnis: Wir dürfen weder Gewalt noch Unrecht verüben, sondern müssen diese beiden Geißeln der Menschen, die den Tod bringen, in uns überwinden. Gewalt und Unrecht sollen in unserem Handeln keine Chance haben.