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Liebe Schwestern und Brüder,
Ezechiel wurde wie große Teile seines Volkes Juda nach Babylon verschleppt. Zuerst kündet er davon, dass Jerusalem und der Tempel von Babylon ganz zerstört würden. Dann aber, nachdem dies Unheil eingetreten ist, kündet er von der neuen Zukunft für Israel und richtet es durch Hoffnungsbotschaften auf.
Ezechiel fühlt sich zum Wächter Israels berufen: Er soll Israel davor warnen, Unrecht zu tun und den Weg des Lebens zu gehen.
Brauchen wir nicht auch heute Wächter, die darauf achten, dass wir nicht den Weg des Lebens verlassen und Wege gehen, die Tod bringen – anderen und uns selbst?
Die Kirche, gerade auch Franziskus, tritt häufig als Wächter der Menschlichkeit auf: die Liste der Themen ist lang:
Die Gewinnsucht der Menschen wird angeprangert, die Diktatur des Relativismus bedauert, der Schutz des ungeborenen Lebens angemahnt,
die besondere Bedeutung der Ehe von Mann und Frau herausgestellt,
es wird zum Frieden gemahnt.
Sollen wir, dürfen wir als Kirche die Gesellschaften, die Regierungen und Völker mahnen – ausgehend von unseren Werten? Es ist ja ein wesentlicher Unterschied zu den Zeiten Ezechiels:
Israel sah sich als von Gott auserwähltes Volk, es war sein Volk, das sich verpflichtet wusste, den Weisungen Gottes zu folgen.
Unsere Gesellschaft ist eine offene Gesellschaft. Die gemeinsame Basis des Zusammenlebens sind nicht Gottes Gebote, sondern die Achtung der Menschenwürde, die Freiheit jedes Einzelnen, die Gleichheit vor dem Gesetz.
Doch die Lebensweise jedes Einzelnen, seine Moral und seine Wertvorstellungen – sind so verschieden, individuell. Jeder darf – innerhalb der Gesetze – leben, wie er will. Diese Gesetze stammen nicht von Gott, sondern vom Deutschen Bundestag, von der Menschenrechtskonvention, vom europäischen Rat und Parlament.
Die Christen sind eine – untereinander höchst unterschiedliche – Gruppe in der Gesellschaft, mit eigenen gemeinsamen Werten: (zum Beispiel: Ja zum Leben, auch zu Menschen mit Behinderungen) doch niemand wird uns zugestehen, dass wir sie denen aufdrängen, die keine Christen sind.
Propheten brauchen wir selbst: Propheten, die Gottes Wort der Mahnung und Warnung und der Hoffnung sprechen – für uns, die wir uns als das neue Volk Gottes verstehen, als Schwestern und Brüder Jesu, der uns mit Gott versöhnt hat.
Was hätte ein Prophet uns, der Kirche Gottes, zu sagen? Was hat er uns zu mahnen?
Werdet euch bewusst, dass ihr aus einer anderen Quelle lebt:
Ihr seid Gottes Kinder! Euer erstes und wichtigstes ist, dass ihr an die Liebe Gottes zu euch glaubt. Er ist Euer Leben. Er schenkt euch das Heil – dieses Heil ist im kommenden Leben für euch bereit – nicht in dieser Welt.
Euer wichtigstes ist, dass ihr Gottes Liebe erwidert: dass ihr euren Mitmenschen Gutes tut, dass ihr den Notleidenden helft, dass ihr niemanden überseht, dass ihr zu denen geht, die in der Gesellschaft keinen Platz bekommen.
Habt keine Angst davor, anders zu sein: Habt keine Angst, wenn nicht mehr viele euren Glauben teilen; habt keine Angst, wenn ihr ja sagt zum Leben, auch wenn es krank ist und schwer wird;
habt keine Angst davor, Eure Zeit und Euer Geld zu teilen:
Vielmehr: seid froh, dass ihr Gottes Liebe kennt, seid froh, dass ihr in der Gemeinde gleich gesinnte treffen dürft, seid dankbar für die Hoffnung, die euch gegeben ist. Eure Zukunft ist das Leben in Gottes Licht.