12.11.2017: 32. Sonntag im Jahreskreis

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Liebe Schwestern und Brüder,
ich habe mich schon oft gewundert und habe es bewundert:
wenn ich mit Kindern unterwegs war und ein Kind Hungerbekam, oder sich wehgetan hat, wenn irgendetwas – eigentlich unvorhergesehen passiert: sehr häufig nimmt eine Frau ihre Handtasche, fängt an zu wühlen, seufzt vielleicht, „wo habe ich bloß?“ und: ob Pflaster, ob Traubenzucker, ob eine kleine Schere, Streichhölzer … ‑ irgendetwas nützliches kommt auf einmal zum Vorschein: „Da habe ich es ja.“

Die kluge Frau hat etwas in der Handtasche! Sie ist vorbereitet – auch auf das unerwartete.

Vielleicht sind wir mit dieser kurzen und einfachen Alltagserfahrung gar nicht weit weg von dem, was das Evangelium meint:

Jesus erzählt das Gleichnis ja nicht, um zu beschreiben, wer alles vom himmlischen Hochzeitsmahl ausgeschlossen sein wird. Er will uns ja erklären, dass wir es wie die klugen Jungfrauen machen sollen, damit wir mit ihm zum himmlischen Hochzeitsmahl gelangen.

Wir sollen uns bereithalten! Wir sollen wachsam sein für das Reich Gottes und sein Kommen.

Das ist nicht leicht: denn in der Welt geht es oft ziemlich egoistisch zu;
Hassausbrüche, Gewalt, Krieg, Angst, Flucht, Hunger, Not.
Wer kommt da auf die Idee zu sagen: am wichtigsten ist es, an die Liebe zu glauben: an die Liebe Gottes zu uns Menschen und an die Liebe unter den Menschen.

Mit Macht drängen sich die Gedanken auf:
Du musst für dich selbst sorgen. Du kannst die Welt nicht retten. Jeder lügt doch ab und zu. Wenn die Reichen Steuern hinterziehen, warum soll ich dann ehrlich sein?

So könnten wir blind werden: blind für das Reich Gottes. Wir sehen nicht mehr, wie viele Menschen sich einsetzen für andere. Wir sehen nicht mehr, die Sehnsucht nach Frieden und die vielen Beispiele wie Menschen geholfen wird.

Was vielleicht noch schlimmer wäre:
Wir würden nicht mehr sehen, wie und wann und bei welcher Gelegenheit wir selbst etwas für das Reich Gottes tun können.

Wir würden die Augenblicke übersehen, wenn unsere Lampen ausgegangen wären, wenn wir den Glauben an das Reich Gottes, an Gottes Liebe verlieren würden.

Wir wären wie Frauen, deren Tasche leer ist, die nichts darin haben, weil sie nicht geglaubt haben, dass sie es einmal brauchen würden.

Das wäre töricht, Schwestern und Brüder!
Das wäre schlimm, weil die Welt dann noch viel dunkler würde!

Die vielen Momente der Freude, der Gemeinschaft, der Erleichterung,
der Erlösung würden wir verpassen.

Wir sollen es machen wie die klugen Jungfrauen.
Halten wir den Glauben lebendig, den Glauben an Gottes Liebe und an die Liebe unter den Menschen.
Glauben wir daran, dass diese Welt das Reich Gottes ist: dass diese Welt eine Welt des Friedens ist und der Gerechtigkeit.
Halten wir die Augen offen für die Gelegenheiten, in denen wir das unsere tun können und lassen wir uns beschenken von den Augenblicken der Freude, für die das Bild des Hochzeitsmahles steht.

Das Himmelreich ist mitten unter uns.
Es ist unsere Sache, dass es wächst und strahl und leuchtet.

05.11.2017: 31. Sonntag im Jahreskreis

Hier geht es zu den liturgischen Texten: schott

Liebe Schwestern und Brüder,
Dr. Martin Luther, der unbeugsame und Gott begeisterte Augustiner Mönch hat den Satz geprägt: „Was dir am wichtigsten ist, der Mittelpunkt deines Lebens, das ist eigentlich dein Gott!“

Wer ist eigentlich Gott? Der Schöpfer des Himmels und der Erde, sagen wir. Wir beten ihn an, wir bitten ihn und klagen ihm unsere Nöte, manchmal klagen wir ihn sogar an und machen ihn verantwortlich für das unermessliche Leid in der Welt.

„Ich bin ein großer König, der Herr der Heere, und ich bin gefürchtet bei den Völkern“ so stellt sich Gott im Prophetenwort des Maleachi vor.

Das Wort Luthers macht mich darauf aufmerksam, dass ein Zwiespalt entstehen kann, zwischen dem, wen ich als Gott anspreche – den Gott des Himmels und der Erde  ‑ und dem, was ich in meinem Leben wirklich der Mittelpunkt ist.

Wenn nämlich Gott der ist, der mir das Leben geschenkt hat und uns allen und
wenn er wirklich der ist, zu dem mein Leben hinführt;
wenn es wirklich wahr ist, dass vor ihm unzweifelhaft offenbar wird, was ich in meinem Leben Gutes und Böses getan habe, was wahr war und was falsch:
wenn Gott diese allergrößte Bedeutung hat, weil mein Leben allein von ihm abhängt, dann sollte er auch in meinem Leben in der Mitte stehen.
‑ Dann muss ich alles in meinem Leben auf ihn beziehen und ausrichten: Beruf, Familie, Freunde, Erholung und Ruhe, Arbeit und Vergnügen, Entspannung und Anstrengung, Besitz und Verzicht.

Ist es so? Oder macht mich Luthers Satz aufmerksam, dass ich zwar einen Gott bekenne, wenn ich sage: „Ich glaube an Gott“, dass aber mein Leben deutlich macht, dass ich anderen Dingen nachlaufe und ihnen so viel Bedeutung gebe, als wären sie Gott?

Der Prophet Maleachi klagt die Priester im Jerusalemer Tempel an, dass sie ihren Auftrag verraten haben: ihre Aufgabe war es, den Bund Gottes mit Israel lebendig zu halten und ihm treu zu sein und das Volk in der Treue zu Jahwe zu stärken –

Stattdessen brechen sie selbst den Bund, laufen anderen Göttern nach. Sie tun Unrecht und missachten die Gebote Gottes durch Ehebruch und Ausbeutung der Armen.  Fatal und das schlimmste daran ist: Ihr falsches Handeln verleitet die Israeliten dem Bund mit Jahwe untreu zu werden.

Dasselbe wirft Jesus den Schriftgelehrten vor: Sie verschließen den Menschen das Himmelreich, anstatt ihnen voranzugehen. Sie bauen Barrieren auf zwischen Gott und Mensch, anstatt die Menschen anzuleiten, dass sie auf Gottes Treue bauen können.

Und ich? Und wir? Wie ist es mit uns?
Bemühen wir uns gut zu sein und auf Gott zu hören ‑
oder stellen wir uns selbst an die erste Stelle?

Tue ich was richtig ist – oder was leichter ist?

Ist das Ziel meines Handelns der andere Mensch – oder ich selbst:
meine Bequemlichkeit, mein Einkommen,
und die Verteidigung meiner Stellung und Position?

Mache ich mich selbst zum Mittelpunkt oder stelle ich Gott in den Mittelpunkt meines Lebens?

Schwestern und Brüder, gerade die im Namen Gottes zu reden beauftragt sind, stehen in größter Gefahr und Versuchung, statt Gottes Treue zu verkünden und Gott zu dienen ihre eigene Macht und ihren Einfluss zu verteidigen und zu mehren. Natürlich erliegen wir Priester und die Bischöfe immer wieder dieser Gefahr. Das ist umso schlimmer als wir dadurch unseren Auftrag ins Gegenteilverkehren.

Deshalb sagt Jesus zu den Menschen: Geht selbst euren Weg. Alle haben Gott zum Vater. Nur einer ist euer Vater. Es gibt nur einen und ihr könnt und sollt selbst auf ihn hören.

Diese Erkenntnis, dass jeder Mensch Gott zum Vater hat, weil es nur einen gibt, sollen die Jünger Jesu überall und immer verkünden in Wort und Tat. Wir alle.

02.11.2017: Allerseelen

1. Lesung: Ijob 19, 1.23-27  – 2. Lesung: Röm 8, 14-23 – Evangelium: Joh 14, 1-6

Liebe Schwestern und Brüder!
Wahrscheinlich hat jeder unter uns schon eine ähnliche Situation erlebt:
wir mussten von lieben, von geliebten Menschen Abschied nehmen:
Ob uns ihr Tod überrascht hat oder ob wir sie durch Krankheit zum Tod begleitet haben. Wir mussten Abschied nehmen.

Das ist schwer, denn wir verlieren ein Stück von uns selbst, wenn ein geliebter Mensch von uns geht. Das macht uns traurig, es bewegt uns zutiefst. Wir fragen nach den Gründen. Wir wollen es nicht wahrhaben. Wir machen uns – meist überflüssige ‑ Vorwürfe, dass wir nicht alles oder nicht das Richtige getan hätten.

Aber es bleibt dabei: wir müssen Abschied nehmen.

Jesus und seine besten Freunde, seine Jünger und Apostel, saßen beim Essen zusammen. Es war eine extrem schwierige Situation:
Jesus wusste, und seine Freunde wussten, dass er den nächsten Tag wohl kaum überleben wird. Worüber soll man sprechen?
Was will man dem anderen sagen?

Jesus redete nicht um den Brei herum: „Ich gehe zum Vater, zum himmlischen Vater.“ was nichts anderes bedeutet, als dass sein irdisches Leben zu Ende sein wird und seine Jünger zurückbleiben.

Weiter sagt er: „Ich bereite den Platz für euch vor und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin.“

Liebe Gemeinde, liebe Angehörige unserer Verstorbenen,
was mich an Jesu Abschied von seinen Freunden beeindruckt ist, dass er es schafft, seinen Weg anzunehmen, ihn zu bejahen.
Er ringt nicht und sucht nicht Auswegen,
er sagt nicht: was habe ich, was haben andere falsch gemacht?
Er klagt nicht an. ‑
Er weiß es und er willigt darin ein: es wird nun geschehen.

Er braucht nicht klagen und zweifeln, weil er eine Zukunft vor sich sieht:
er geht zum Vater. Diese Überzeugung macht ihn gelassen und ruhig und gibt ihm die Kraft, auch seinen Jüngern Mut zu machen, ihnen Hoffnung zu geben und sie zu stärken.

Schwestern und Brüder, ich bin Jesus dankbar für seine Worte.
Ich bin ihm dankbar, dass er selbst so fest stand in seiner Hoffnung und dass er seinen Weg zu Ende gegangen ist.

Ich glaube ihm und ich bin überzeugt, dass ich ihm glauben darf, dass er glaubwürdig ist – wegen seines Muts, wegen seiner Großmut und Stärke, die er bis zum Ende behalten hat.

Wenn ich, wenn wir einen Menschen zu Grabe tragen,
dürfen wir – in aller Trauer und bei allem Schmerz – Hoffnung haben,
dass er an sein Ziel gekommen ist: dass Jesus ihn zu sich geholt hat und einen Platz für ihn vorbereitet hat. Er wird dabei als Kind Gottes offenbar, das Anteil hat an Gottes Ewigkeit.

Diese Hoffnung hilft mir, hilft uns, dass wir selbst das Leben weiter dankbar annehmen und dass wir uns wieder dem Leben zuwenden, dem Leben so wie es ist, begrenzt durch den Tod, der die Schwelle ist, über die wir hinübergehen in das Haus des Vaters.

Schwestern und Brüder,
wir brauchen den Tod nicht zu verdrängen und wir brauchen ihn nicht zu suchen. Wir leben ‑ und in guten wie  in bösen Tagen richten wir uns aus auf das Ziel, zu dem wir unterwegs sind:
Und wir achten darauf, dass wir dem Ziel entgegengehen. Was immer wir tun und unternehmen, es führt uns dem Ziel, dem Vater näher.

Jesus stärkt uns, dass wir über Schmerz und Trauer die Hoffnung nicht verlieren. Wie er unsere Verstorbenen empfangen hat, so wird er auch uns selbst an unseren Platz im Haus des Vaters geleiten.