10.12.2017: 2. Adventsonntag

Hier geht es zu den Texten der Liturgie: schott

Liebe Schwestern und Brüder,
Das Markusevangelium ist das ursprünglichste. Es hat zum ersten Mal den Versuch unternommen, eine Erzählung von Jesus zu formen: wie er begonnen hat, was er getan, was sein Botschaft war, wie man auf ihn reagiert hat und wie er geendet hat.

Es ist keine Biografie, keine Chronik, aber das Evangelium erzählt ein Nacheinander der Ereignisse im Leben Jesu.
Es schildert seinen Weg: von Galiläa nach Jerusalem.

Von der Kindheit Jesu überliefert das Markusevanglium nichts. Es weiß nichts von einem Engelsbesuch bei seiner Mutter.

Die Sache mit Jesus begann – so Markus ‑, als Johannes, der Täufer auftrat und verkündete: Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich. Er wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.

Im nächsten Satz bereits wird berichtet, dass sich Jesus von Johannes im Jordan taufen ließ – ebenso wie alle anderen Menschen, die zu Johannes gekommen waren.

Wir sollten daran denken, wenn wir an Weihnachten die Geburtsgeschich­ten von Matthäus und Lukas hören. Denn es hilft uns, sie besser zu verstehen – sie verkündigen Jesus als Sohn Gottes – ebenso wie Markus, der beginnt: „Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes.“

Alle Evangelien berichten aber, dass Johannes Jesus getauft hat.
Jedes Evangelium schildert ihn und sein Wirken: Den Umkehrruf, sein beeindruckendes Auftreten in Kamelhaar und seine karge Lebensweise.
Offenbar kann man die Jesusgeschichte nicht erzählen, ohne von Johannes auszugehen!

Die Jünger Jesu werden sich immer an ihn erinnern – ohne ihn wären sie nicht auf Jesus gestoßen. Ohne Johannes hätte Jesus kein Gehör gefunden. Er hat das Feld bereitet.

Johannes hat Jesus ankündigt. Er sagt: Er ist größer als ich.
Er tauft mit dem Heiligen Geist!

Wir – heute – sollten deshalb Johannes nicht als Vergangenheit abtun. Damit wir bereit sind für Jesus und seine Botschaft, sollten wir auf ihn hören.

Damit wir bereit sind für „die Taufe mit dem Heiligen Geist“.
Damit der Heilige Geist in uns stark werden kann, müssen auch wir uns von Johannes „taufen“ lassen: wir sollten unsere Sünden bekennen
und uns reinigen lassen, damit wir bereit sind für Jesus und sein Evangelium.

Das ist keine Handlung, die wir einmal tun, und dann ist es geschehen:
Das ist eine innere Angelegenheit, die wir immer wieder nötig haben:

Täuschen wir uns nichts über uns selbst:

  • Die Selbstliebe ist oft größer als die Nächstenliebe.
  • Wir urteilen statt zu verstehen.
  • Wir schließen andere aus unserem Leben aus – statt uns zu öffnen.
  • Wir behalten das unsere, statt zu teilen.
  • Wir verbiegen die Wahrheit – statt authentisch zu sein.
  • Wir sind blind und taub für die Not der Mitmenschen und
  • wir sind stumm und gelähmt, wenn es darauf ankäme, das Rechte zu sagen und zu tun.

Gehen wir zu Johannes: Bekennen wir uns zu unseren Sünden,
zu unserer Lieblosigkeit und Oberflächlichkeit,
damit wir Vergebung erfahren.

Damit wir bereits sind für die Taufe mit dem Heiligen Geist.

26.11.2017: Christkönigssonntag

Hier geht es zu den liturgischen Texten: schott

Liebe Schwestern und Brüder,
ich stehe in Conques, einer Wallfahrtskirche in Frankreich und Station auf dem St. Jakobsweg und sehe über einer Kirchentür ein in höchster Kunst gemeißeltes Bild, das genau dieses Weltgericht zeigt:
Die guten und braven werden von Engeln in den Himmel geholt.
Die bösen und lasterhaften werden in den Höllenschlund geworfen und leiden fürchterliche Qualen.

Als Hörer dieser Gerichtsszene habe ich die Wahl, wie ich das Gehörte für mich verstehe:

Ich kann hören: Wenn du nicht genügend Gutes tust, dann wirst du ein schlimmes Ende nehmen.

Oder: Streng dich an, Gutes zu tun, dann gehörst du zu den Auserwählten.

Oder aber, ich kann das heraushören, was das eigentlich neue ist und eine wirklich befreiende Botschaft:

Der höchste Richter über Gut und Böse sagt: „Was ihr dem geringsten meiner Schwestern und Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!“ –

Gott identifiziert sich mit den Kranken, Gefangenen, Hungernden.

Gott identifiziert sich mit den Arbeitssklaven in den Kleidungsfabriken Asiens und mit den Teppichknüpferkindern in Indien;
mit den Menschen, die keinen Platz mehr haben in unserer Gesellschaft finden, weil sie nichts verdienen, weil sie süchtig, straffällig  geworden sind, …

In diesen Menschen, die darauf warten, dass ihre Not gelindert wird,
dass sich ihnen jemand zuwendet und sie als Menschen achtet – in diesen Menschen begegnen wir Gott.

Und deshalb entscheidet sich an unserem Verhalten zu diesen Menschen am Rand, ob wir gut sind nach dem Vorbild Gottes, der sein Leben einem jeden mitteilt: der die Sonne aufgehen lässt über Guten und Bösen.

Schwestern und Brüder, das ist einer der Abschnitte der Heiligen Schrift, der mit klar macht, welcher Schatz dieses Buch ist und wie sehr die Heilige Schrift uns hilft, in unserer Menschlichkeit voranzuschreiten.
Dieses Buch ist Heilige Schrift, weil es uns hilft, Gott zu erkennen und ihn zu suchen und zu finden.

Auch das sogenannte Alte Testament ist ein Zeugnis der Suche der Menschen nach dem Urgrund des Seins, den wir Gott nennen. Auf jeder Seite wird spürbar: Gott selbst hat die Sehnsucht in uns gelegt, die uns antreibt, die Sehnsucht nach Leben und nach dem der uns das Leben gibt und geben kann.

Denen, die ihn suchen, gibt er sich zu erkennen: ja, unbeholfen sind wir Menschen bei dieser Suche: viele Geschichten des Volkes Israels geben davon ein beredtes Zeugnis. Doch gerade in den manchmal erschrecken­den Geschichten wird deutlich, dass die Sehnsucht nach Gott und dem Leben unaustilgbar in uns lebt und uns immer wieder mit der Suche beginnen lässt.

Die ganze Bibel, die wir niemals abschließend und endgültig recht deuten werden, ist deshalb Heilige Schrift. Zeugnis davon, dass Gott sich suchen und finden lässt.

Die Heilige Schrift ist ein Schatz, ein unerschöpflicher Schatz für den Menschen auf seiner Suche nach Gott.

Deshalb wünsche ich mir, dass wir die Heilige Schrift noch mehr lieben und uns noch mehr in sie vertiefen: denn in ihr sind die Spuren gelegt für den Weg hin zu Gott, hin zum Leben, hin zum gut sein und werden.

Nichts anderes ist der Sinn des Lebens, das uns von Gott geschenkt ist:
Dass wir gut sind und werden. Jeden Tag neu.

Die Heilige Schrift ist der Wegweiser, die Landkarte und führt uns ans Ziel.

Die Rede vom Gericht ist in Wirklichkeit keine Rede vom Gericht, sondern vom Weg des Lebens:
Wer sich dem Geringsten zuwendet und seine Not wendet, der wendet sich Gott zu,
der tut Gottes Werk.
Der findet zum Leben.

Ich liebe diese Botschaft der Heiligen Schrift,
diese Gottesoffenbarung in den Worten Jesu.