21.03.2021: 5. Fastensonntag

Die österliche Bußzeit ist eine Zeit der Gewissenserforschung und der Einsicht in die eigenen Versäumnisse und Fehler. Dies versuchen wir, damit wir es in Zukunft besser machen. Dahinter steht die Überzeugung: Es geht Anders! Und es geht anders besser!

Das Evangelium deutet es an, wenn Jesus sagt: „Jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen.“ Der Herrscher dieser Welt: damit meint das Johannesevangelium die gottlose Welt, die Welt, die sich dem Ruf des Lebens verweigert und auf den Tod setzt: auf Ausbeutung und Beherrschen, auf Gewalt und Stärke.

Es ist eine Ankündigung, die in der Erdenzeit niemals ganz wahr werden kann. Aber es ist eine Ankündigung, dass es jetzt schon anders ist und anders wird und anders geht.

In Bolivien entdecken Menschen, wie sie im Urwald des Amazonas eine Landwirtschaft betreiben können, die keine Brandrodung des Urwalds braucht, sondern den Urwald als Chance nützt. Es gibt vielfältigere Früchte und Gemüse, gute Ernten. Das ermöglicht ein gutes Leben, so dass die jungen Menschen in ihren Dörfern bleiben, statt in die Slums der Städte zu ziehen auf der Suche nach Arbeit. Es geht anders! Es geht besser!

Die Erziehung hat sich wesentlich verändert. Kinder werden heute nicht mehr mit Zwang und Gewalt erzogen. Heute werden sie gestärkt und gefördert. Sie lernen die Grenzen des Mitmenschen zu achten.
Es geht anders. Es geht besser!

Vor 50 Jahren stanken die Städte nach Abgas, Abwässer wurden in Bäche und Flüsse geleitet. Donauabwärts von Kelheim gab es keine Fische mehr. Heute steigern wir den Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen, wir streben Klimaneutralität an und sorgen uns um saubere Gewässer. Es geht anders. Besser!

Bis jetzt noch werden für die Herstellung unserer Kleidung, unserer tech­nischen Geräte und von vielem mehr Menschen und Kinder ausgenützt und leiden gesundheitlichen Schaden: doch wir fangen an, dies zu ändern.

Es gibt neuerdings ein Lieferkettengesetz, das zum Ziel hat, dass bei der Gewinnung der Rohstoffe, der Herstellung der Zwischenpro­dukte und Endprodukte die Umweltschutzvorschriften und die Arbeitsschutz­vorschriften eingehalten werden. Es geht anders. Besser!

Vor hundert Jahren noch galt in unserem Land der Krieg als legitime Möglichkeit, die Interessen der eigenen Nation gegen andere durchzusetzen. Trotz aller Rückschläge und Rückschritte dürfen wir aber sagen: Die Mehrheit möchte heute keinen Krieg. Die Mehrheit wünscht sich ein friedliches Miteinander der Staaten. Es geht anders. Besser.

Die Aktion MISEREOR arbeitet seit Jahrzehnten daran, dass vieles anders und besser wird. Niemand hat gezählt, wie viele Menschen, wie viele Menschen in ihren Dörfern dadurch zu einem besseren Leben kamen.

Sowohl die Länder des Südens als auch die reichen Länder des Nordens der Erde werden angesprochen. MISEREOR macht uns aufmerksam, dass diese Ungleichheit miteinander zu tun hat.

Damit es besser geht, müssen gerade die reichen Länder lernen, dass es anders geht: ein gutes Leben, ein zufriedenes Leben, ein erfülltes Leben finden wir nicht durch Konsum und Rausch, nicht im Anhäufen von Reichtum.

Frieden und Zufriedenheit, Erfüllung finden wir, wenn wir Verbundenheit spüren, wenn es uns gelingt, die Interessen der anderen so ernst zu nehmen wie unsere eigenen, wenn es uns gelingt, einen Ausgleich zu finden, den alle als gerecht empfinden.

Dazu ist unsere Spende für MISEREOR wichtig und notwendend. Ich bitte Sie herzlich darum. Genauso wichtig ist, dass wir auf dem Weg bleiben und offen dafür sind, dass vieles anders geht und besser geht.

07.03.2021: 3. Fastensonntag

Hier geht es zu den Texten der Liturgie:

Nicht nur hier, sondern in allen vier Evangelien werden Szenen geschildert, in denen Jesus heftige Gefühle und Gefühlsausbrüche zeigt: Er war voll Zorn über das Unverständnis der Menschen, heißt es. Die Evangelien erzählen alle, jedes auf seine Weise, wie Jesus die religiöse Führungsschicht angriff – und zwar in schärfster Weise – und so ihre Feindschaft auf sich zog.

So auch hier: Jesus randaliert im Tempel. Man müsste sich nicht wundern, wenn er gefesselt und abgeführt würde.
Den Vorwurf: „Ihr macht aus dem Haus meines Vaters eine Markthalle“ wird Jesus kaum im ruhigen, sanften Plauderton geäußert haben. Und auch nicht die Äußerung: „Ich kann in drei Tagen den Tempel wiederherstellen.“
Aber diesen Hinweis auf seine Auferstehung können die angesprochenen natürlich nicht verstehen.

Ihr macht das Haus meines Vaters zu einer Markthalle! Ihr macht Geschäfte mit dem Namen meines Vaters. Ihr benützt ihn, um euch zu bereichern! Ihr verstoßt gegen das zweite Gebot: Ihr missbraucht den Namen des Herrn unseres Gottes für Eure Zwecke!

Liebe Schwestern und Brüder,
ich nehme diese Szene zum Anlass in die Gegenwart zu schauen: Wie wird heute gegen dieses Gebot verstoßen?
In welcher Weise wird heute der Namen Gottes mehr verzweckt, als dass er geehrt wird.

Als erstes muss ich natürlich in mein eigenes Haus schauen: Mein Beruf als Pfarrer, als Leiter einer Gemeinde und professioneller Verkünder und Liturge ermöglicht mir ein gutes Leben: sowohl die finanzielle Ausstattung als auch die Lebensbedingungen und das Ansehen zumindest in der kirchlichen Gemeinde sind sehr angenehm. Auch die Vielfältigkeit der Aufgaben ist interessant. Es ist tatsächlich keine schlechte Wahl in der röm.kath. Kirche Pfarrer zu sein.
Die Versuchung besteht, dass im Lauf der Jahre die ursprüngliche Motivation, die frohe Botschaft zu verkünden durch die gediegene Bürgerlichkeit untergraben wird. Dass der Beruf eher Grundlage für dieses Leben wird und die Berufung in den Hintergrund tritt.

Ich schau aber auch auf meine Kirche, besonders auf die Bischöfe, denen die Leitung der Kirche anvertraut ist: Sie bemühen sich sehr darum, die bestehenden Strukturen aufrecht zu erhalten und zu stärken:
Vom Zölibatsgesetz bis zum Ausschluss der Frauen vom Priesteramt, von der eucharistischen Trennung unserer Schwesterkirchen bis hin zu den Eheleuten, die nach einer Scheidung noch einmal heiraten und denen die Kommunion, die Mahlgemeinschaft in der gemeinde und damit mit Christus verweigert wird.

Die Versuchung ist groß, die in zwei Jahrtausenden entwickelten Regeln und Gesetze als göttlich zu bezeichnen, um die eigene Stellung in dieser großen Organisation „Kirche“ zu verteidigen.

Ich schau auch auf die ganze Gesellschaft, die sich als weltlich versteht und in der Religion Privatsache ist. Was hat sie mit dem 2. Gebot zu tun?
Diese Gesellschaft hat die ganze Welt zur Markthalle erklärt: Der Urwald um den Amazonas wird vermarktet, die Gesundheit der Kinder in Afrika wird dem Gewinn der Bergbaufirmen geopfert, beim Transport des Erdöls kommt es immer wieder zu Unfällen, die zuerst Fischen, Vögeln und Pflanzen das Leben kosten. Verfeindete Gruppen töten sich gegenseitig, statt ihre Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen – die Nutznießer sind die Verkäufer der Waffen.

In den Verfassungen der demokratischen Staaten steht zwar, dass die Würde des Menschen nicht verletzt werden darf. Doch unsere Unterneh­men und auch unsere Politik gestehen nicht allen Menschen die gleiche Würde zu: Viele zahlen den Preis für unsere Überheblichkeit: In den Textil­fabriken Asiens, in den Minen Südamerikas, in den Treibhäusern Spaniens, in den Ländern, die vom steigenden Meeresspiegel bedroht sind.

Wir Menschen machen das Haus Gottes, diese Welt, seine Schöpfung, zu einer Markthalle. Sogar der Wert eines Menschen wird daran gemessen, was er zum Bruttosozialprodukt beiträgt.

Die Menschheit steht vor einer großen Aufgabe und sie muss diese Aufgabe bewältigen: Die Menschheit muss sich so organisieren, dass die Würde jedes Menschen und sein Wohl der oberste Wert ist, weil er Gottes Ebenbild ist. Und wir? Glauben wir an Gottes Treue und daran, dass er jeden Menschen liebt und zum Heil führt? Helfen wir dabei? Suchen wir danach, was anders – besser – geht?