27.06.2021: 13. Sonntag im Jahreskreis

Zu der Frau sagt Jesus: „Dein Glaube hat dich gerettet!“
Zu dem Synagogenvorsteher sagt Jesus: „Fürchte dich nicht, glaube nur!“

Die beiden ineinander verwobenen Geschichten ermuntern die Hörer des Evangeliums vor allem und zuerst zum Glauben: Glaube und du wirst heil! Glaube und du wirst leben!

Lassen sie es mich weitersprechen: Glaube, dass du heil wirst, glaube, dass du leben wirst.

Wir müssen vorsichtig sein:
Mit den Kindern in der 4. Klasse denke ich in der Fastenzeit darüber nach, was dem Menschen hilft, Krankheit und Leid zu bewältigen. Wir denken auch nach über den Zuspruch: „Das wird schon wieder gut!“

Manche Kinder sagen: Der Zuspruch hilft, weil er Mut macht.
Manche sagen: Der Satz vertröstet nur, ohne dass etwas besser wird.

Ich darf es mir also nicht zu einfach machen und sagen: Glaube nur an Jesus, dann wird alles gut.

Es sind nämlich auch Glaubende unter denen, die an Corona, an Krebs, am Schlaganfall, an Blutvergiftung versterben.
Und: auch Glaubende sind von Angststörungen geplagt.

Kann ich dann dafür werben, dass sie daran glauben, dass sie heil werden?
Darf ich dafür werben, dass sie daran glauben, dass sie leben werden?

Kann ich das? Darf ich das?

Gewiss ist: jeder Mensch wird einmal sterben: an einer Krankheit, im hohen Alter, durch einen Unfall, …

Gewiss ist auch: manche Menschen haben ein hartes, ein zu hartes Leben und für sie wird nichts gut und heil.

Die Frau mit den Blutungen und das 12jährige Mädchen sind Beispiele dafür. In den beiden Geschichten geht es für sie nochmals gut aus.

Können Sie dennoch glauben? An ihr Heil, an ihr Leben? –
Trotz des offensichtlichen Unheils und der Todesgewissheit?

Liebe Schwestern und Brüder,
manche kranke und sterbende Menschen haben Zuversicht, sie haben Frieden, ruhen in sich selbst – warum?
Weil jemand bei ihnen ist und ihnen zeigt: Du bist mir wichtig. Du bist mir wertvoll.

Diese Erfahrung vermittelt eine Ahnung von dem Heil, vom Leben. So kehrt Frieden ein – wenigstens ein Stück.

Menschen, die glauben können, dass ihr Leben – so leidvoll es auch ist – einmündet in den Himmel Gottes, der schöpferischen Liebe, solche Menschen haben nicht selten Frieden in sich – obwohl sie wirklich ganz verlassen sind und kein Mensch bei ihnen ist.

Mir fällt dazu ein Satz des Jesuitenpaters Alfred Delp ein, der von den Nazis ermordet wurde. In seiner Todeszelle schrieb er: Wir wollen dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt.
Und der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer dichtete in der Todeszelle die Zeilen:
Von guten Mächten treu und still umgeben, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen – und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Der Glaube an Gott, der immer für uns und bei uns ist, kann auch in der unheilbaren Krankheit und im nahen Tod inneren Frieden bringen – eine Vorahnung des Heils, das uns erwartet.

Zum Schluss möchte ich noch ihren Blick auf den Schluss der Geschichte lenken: Jesus sagte, man soll dem Mädchen zu Essen geben:

Das Leben braucht Nahrung. Genauso braucht der Glaube an das Leben Nahrung:
Wenn wir füreinander sorgen, stärken wir den Glauben, daran, dass wir heil werden und leben.

Wenn wir jemandem zeigen: Ich bin bei dir. Du bist mir wichtig.
Dann stärken wir den Glauben, dann bringen wir Heilung und erwecken das Leben.

13.06.2021: 11. Sonntag im Jahreskreis

Ansprache: Liebe Schwestern und Brüder,
Was braucht die Menschheit um zu überleben?
Frieden mit sich selbst und untereinander –
den Glauben, an das Gute im anderen und in der Welt, –
die Liebe zum Leben, zum Mitmenschen, ‑
und die Hoffnung, das das Leben stärker ist als der Tod.

Wenn Frieden, Glauben, Liebe und Hoffnung sind – da wirkt Gottes Geist, da ist Gottes Reich unter uns.

Liebe Schwestern und Brüder,  es müsste eigentlich so sein, dass in aller Welt die Menschen sagen: die christliche Kirche (evangelisch oder katholisch oder orthodox) das sind die Leute, die Frieden bringen, die an das Gute glauben, die die Liebe leben und die Hoffnung bringen.

Doch in unserem Land herrscht eine andere Stimmung:
Kirche wird als machthungrig, geldgierig, verkommen, korrupt und Menschen missbrauchend wahrgenommen und dargestellt.

Und ja – es gibt einfach zu viele Beispiele, als dass man sagen könnte: Es geht nur um Einzelne.

Ordenshäuser und Bistümer und das auf der ganzen Welt, wurden in einer Art und Weise geleitet, dass manche oder jedenfalls viel zu viele Ordensleute und Priester in Umständen lebten in denen vor allem Unterordnung zählte, Gehorsam, Angst vor Sanktionen und die Unmöglichkeit zu den eigenen Bedürfnissen und Wünschen zu stehen.

Das System der Unterordnung richtete bei weitem nicht überall und auch nicht in der Mehrzahl, diese Schäden an – doch auf jeden Fall viel zu oft.

Welches System: Ein System, das nur Macht von oben kennt. Ein System, das zu strenge Regeln vorgibt und zugleich zu viel Macht verleiht. Ein System, das nicht die Befähigung, die menschliche Reife und Weisheit fördert, sondern die Linientreue.

Ein geschlossenes System, das in der Selbstillusion lebt, für alles zuständig zu sein und den Menschen sagen zu können und zu müssen, wie sie leben sollen. Ein solches System führt dazu, dass Menschen sehr stark unter ihrer Unterlegenheit leiden, enttäuscht und verbittert sind. Das Risiko ist groß, dass manche selbst Macht erleben wollen: über die, für die sie zuständig und verantwortlich sind: Sie haben die Möglichkeit zu bestrafen und zu belohnen. Die ihnen anvertrauten sind von ihnen abhängig.
Das ist das vergiftete Umfeld, in dem Missbrauch gedeihen kann.
Und dieser Ungeist wirkt, auch wenn es zu keinen verbrecherischen Taten kommt – versteckt durch den Rauch der Selbstbeweihräucherung.

Solche Machtstrukturen gibt es auch heute in der Gesellschaft. Sie sind nicht mehr an Amt und Würden gekoppelt, sondern an Geld und Beziehungen.

Solche Machtstrukturen, werden zurecht abgelehnt und unsere Kirche muss gerade bitter lernen, dass die Menschen – ob nun getauft oder nicht – das nicht mehr wollen – und ist immer noch nicht bereit dafür.

Das ist vielleicht der tote Punkt, von dem Kardinal Marx in seiner Erklärung spricht. Die Kirche, meine Kirche, muss sich bekehren.

Denn Jesus wollte nicht, dass sich seine Jünger ihm unterwerfen, er hat sie zu seinen Freunden gemacht. Er wollte nicht, dass sie klein sind – er hat sie aufgerichtet.

Liebe Schwestern und Brüder, wir sind nicht in der Position, dass wir die Machtstrukturen in der Kirche ändern können. Was wir aber können ist:

Wir können uns überzeugen, dass Jesus Christus uns zeigt, dass wir geliebt sind und dazu berufen sind zu lieben. Er hat uns seinen Frieden hinterlas­sen, den Frieden, den ein Kind findet, wenn es in den Armen seiner Mutter ruht. Er lehrt uns, dass wir an seinen guten Vater im Himmel glauben können und er gibt uns Hoffnung, dass das Leben Zukunft hat.

Und liebe Schwestern und Brüder, davon überzeugt, können wir ganz persönlich der gute Boden dafür sein, dass Frieden, Glaube, Liebe und Hoffnung leben und wachsen und gedeihen und gute Früchte bringen.

Im Augenblick leiden wir an dem jämmerlichen Bild, das die Menschen von der Kirche haben und zeichnen und das die Kirche abgibt;
wir leiden unter dem Zustand der Kirche, die einzustürzen droht wie Notre Dame in Paris einzustürzen drohte. Wir leiden daran, dass dadurch so viele Menschen keinen Zugang zu der wunderbaren Botschaft Jesu finden.

Aber bleiben wir Jünger Jesu. Folgen wir ihm nach. Bleiben wir zusammen als seine Gerufenen (Kirche) auf dem Weg. Behalten wir die Hoffnung.