Ansprache: Liebe Schwestern und Brüder,
Was braucht die Menschheit um zu überleben?
Frieden mit sich selbst und untereinander –
den Glauben, an das Gute im anderen und in der Welt, –
die Liebe zum Leben, zum Mitmenschen, ‑
und die Hoffnung, das das Leben stärker ist als der Tod.
Wenn Frieden, Glauben, Liebe und Hoffnung sind – da wirkt Gottes Geist, da ist Gottes Reich unter uns.
Liebe Schwestern und Brüder, es müsste eigentlich so sein, dass in aller Welt die Menschen sagen: die christliche Kirche (evangelisch oder katholisch oder orthodox) das sind die Leute, die Frieden bringen, die an das Gute glauben, die die Liebe leben und die Hoffnung bringen.
Doch in unserem Land herrscht eine andere Stimmung:
Kirche wird als machthungrig, geldgierig, verkommen, korrupt und Menschen missbrauchend wahrgenommen und dargestellt.
Und ja – es gibt einfach zu viele Beispiele, als dass man sagen könnte: Es geht nur um Einzelne.
Ordenshäuser und Bistümer und das auf der ganzen Welt, wurden in einer Art und Weise geleitet, dass manche oder jedenfalls viel zu viele Ordensleute und Priester in Umständen lebten in denen vor allem Unterordnung zählte, Gehorsam, Angst vor Sanktionen und die Unmöglichkeit zu den eigenen Bedürfnissen und Wünschen zu stehen.
Das System der Unterordnung richtete bei weitem nicht überall und auch nicht in der Mehrzahl, diese Schäden an – doch auf jeden Fall viel zu oft.
Welches System: Ein System, das nur Macht von oben kennt. Ein System, das zu strenge Regeln vorgibt und zugleich zu viel Macht verleiht. Ein System, das nicht die Befähigung, die menschliche Reife und Weisheit fördert, sondern die Linientreue.
Ein geschlossenes System, das in der Selbstillusion lebt, für alles zuständig zu sein und den Menschen sagen zu können und zu müssen, wie sie leben sollen. Ein solches System führt dazu, dass Menschen sehr stark unter ihrer Unterlegenheit leiden, enttäuscht und verbittert sind. Das Risiko ist groß, dass manche selbst Macht erleben wollen: über die, für die sie zuständig und verantwortlich sind: Sie haben die Möglichkeit zu bestrafen und zu belohnen. Die ihnen anvertrauten sind von ihnen abhängig.
Das ist das vergiftete Umfeld, in dem Missbrauch gedeihen kann.
Und dieser Ungeist wirkt, auch wenn es zu keinen verbrecherischen Taten kommt – versteckt durch den Rauch der Selbstbeweihräucherung.
Solche Machtstrukturen gibt es auch heute in der Gesellschaft. Sie sind nicht mehr an Amt und Würden gekoppelt, sondern an Geld und Beziehungen.
Solche Machtstrukturen, werden zurecht abgelehnt und unsere Kirche muss gerade bitter lernen, dass die Menschen – ob nun getauft oder nicht – das nicht mehr wollen – und ist immer noch nicht bereit dafür.
Das ist vielleicht der tote Punkt, von dem Kardinal Marx in seiner Erklärung spricht. Die Kirche, meine Kirche, muss sich bekehren.
Denn Jesus wollte nicht, dass sich seine Jünger ihm unterwerfen, er hat sie zu seinen Freunden gemacht. Er wollte nicht, dass sie klein sind – er hat sie aufgerichtet.
Liebe Schwestern und Brüder, wir sind nicht in der Position, dass wir die Machtstrukturen in der Kirche ändern können. Was wir aber können ist:
Wir können uns überzeugen, dass Jesus Christus uns zeigt, dass wir geliebt sind und dazu berufen sind zu lieben. Er hat uns seinen Frieden hinterlassen, den Frieden, den ein Kind findet, wenn es in den Armen seiner Mutter ruht. Er lehrt uns, dass wir an seinen guten Vater im Himmel glauben können und er gibt uns Hoffnung, dass das Leben Zukunft hat.
Und liebe Schwestern und Brüder, davon überzeugt, können wir ganz persönlich der gute Boden dafür sein, dass Frieden, Glaube, Liebe und Hoffnung leben und wachsen und gedeihen und gute Früchte bringen.
Im Augenblick leiden wir an dem jämmerlichen Bild, das die Menschen von der Kirche haben und zeichnen und das die Kirche abgibt;
wir leiden unter dem Zustand der Kirche, die einzustürzen droht wie Notre Dame in Paris einzustürzen drohte. Wir leiden daran, dass dadurch so viele Menschen keinen Zugang zu der wunderbaren Botschaft Jesu finden.
Aber bleiben wir Jünger Jesu. Folgen wir ihm nach. Bleiben wir zusammen als seine Gerufenen (Kirche) auf dem Weg. Behalten wir die Hoffnung.