18.07.2021: 17. Sonntag im Jahreskreis

Liebe Schwestern und Brüder,
fast 8 Milliarden Menschen leben auf unserer Erde. Das ist eine gewaltige Zahl. Und es ist ein gewaltige Menge an Begabungen, an Sehnsüchten, an Problemen.

Eines der größten Probleme ist nach wie vor der Hunger: Über 800 Millionen Menschen leiden unter Hunger.

Ungefähr 80 Millionen Menschen fliehen um Kriegshandlungen zu entkommen. Noch viel mehr Menschen leben in Kriegsgebieten und leiden darunter.

Diese Millionen Menschen mit ihren Nöten und Sorgen sehe ich stellvertreten in den 5000 Männern, die gemäß dieser Geschichte um Jesus versammelt waren. Diese 5000 stehen stellvertretend für das Heer der Menschen, die sich nach Frieden sehnen. Sie stehen für die Menschen, die mit Problemen kämpfen, mit Krankheiten, die verzweifelt sind. Menschen, die ihr Leben irgendwie als sinnlos und bedroht erfahren.

Die ganze Menschheit steht vor riesigen Problemen: die Welt wird sich in den nächsten Jahrzehnten verändern. Viele werden wegen steigender Meereshöhe nicht mehr dort leben können, wo ihre Ahnen über lange Zeit lebten.
Die Weltbevölkerung nimmt jedes Jahr um ca. 50 Millionen Menschen zu. Wie soll der Hunger gestillt werden, die Kinder unterrichtet, die Kranken versorgt?
Wenige Multimilliardäre reißen immer mehr an sich. Der Wohlstand ist immer ungleicher verteilt. Die Benachteiligten fangen an, sich dies nicht mehr gefallen zu lassen.

All diese Menschen sehe ich versammelt auf dem Berg – hoffend darauf, dass Jesus ihnen einen Weg zeigt.

Als Berichterstattung eines Ereignisses fasse ich die Geschichte nicht auf.
Wie sollte sich Jesus in der einsamen Gegend 5000 Menschen verständlich machen? Wie hätten die Römer auf eine solche Versammlung reagiert?
Woher kamen am Schluss plötzlich die 12 (!) Brotkörbe, obwohl doch nur ein kleiner Junge 5 Brote und zwei Fische zur Verfügung stellen wollte.

Vielmehr verkündet diese Geschichte, was Jesus bedeutet: sie ist Ausgangspunkt der sogenannten Brotrede, die wir an den kommenden Sonntagen anhören werden.

Aber auch für sich allein ist diese Geschichte schon eine Mutmachge-schichte:

Es geht mir um den kleinen Jungen mit seinen 5 Broten und 2 Fischen. Er bringt dieses bisschen in der Naivität eines Kindes, das helfen will. Es kann aber nicht einschätzen, dass das doch viel zu wenig ist für die Menge.

Brote und Fische stehen für das, was die Menschen suchen:
Achtung ihrer Würde, dass sie für sich und ihre Familie sorgen können,
dass sie satt werden und in Frieden nach ihren Gebräuchen an einem sicheren Ort leben können.
Die Menschen suchen Hoffnung, dass sie die Welt gut gestalten können und dass all ihr Bemühen nicht umsonst ist.

Dieser kleine Junge ist der Held in der Geschichte. Warum? Weil er das wenige, das bisschen herbeibringt. Er will es zur Verfügung stellen und teilen. Er will helfen – wenn auch mit fast nichts.

Da fallen mir die Helfer ein, die nur mit einem Spaten ins Ahrtal kommen, um zu helfen. Da sind die Leute, die einfach Suppe und Eintopf bringen, damit sich die Menschen stärken können. Es ist nicht viel. Aber die Wirkung ist tausendmal größer. Es bringt Hoffnung. Es gibt Kraft. Es bewahrt vor Verzweiflung.

Das ist das Geheimnis dieser Geschichte: Jesus zaubert nicht unsere Probleme weg. Das Wunder dieser Geschichte wiederholt sich immer wieder: wenn Menschen auf Gott hören und Gottes Werke tun, wenn Menschen teilen und trösten, Gerechtigkeit herstellen und Wunden heilen, wird sich das Gute, das sie tun, multiplizieren und vervielfachen. Wir brauchen nicht denken, was kann ich schon tun. Wir dürfen darauf vertrauen, dass sich das wenige Gute, das wir mit unseren kleinen Möglichkeiten tun, vervielfacht, weil Gott das Gute in die Schöpfung eingepflanzt hat. Es ist wie ein Pilzgeflecht, das sich unterirdisch ausbreitet und überall seine Früchte hervorbringt – in Gottes Kraft.

11.07.2021: 15. Sonntag im Jahreskreis

Liebe Schwestern und Brüder,
„wie wird man mich aufnehmen?“ – fragt sich ein junger Mensch, der zum ersten Mal den Eltern seines Freundes begegnet, fragt sich jemand, der eine neue Arbeitsstelle antritt, …

Wie wird man mich aufnehmen?
Vorher überlegt man, wie man sich zeigen wird, wie man auftreten wird: Möglichst bald eine kleine Einstandsparty mit Sekt oder Kaffee und Kuchen? Bescheiden und zurückhaltend?
Oder offensiv erzählen, was man schon geleistet hat?
Oder geschickt seine Sachkenntnis zeigen durch intelligentes Nachfragen?
Welche Kleidung? Vorher zum Haareschneiden?

Gemäß dem Evangelium befreit Jesus seine Jünger von diesen Sorgen als er sie aussendet, damit sie – genau wie er – das Reich Gottes verkünden, das den Menschen nahe ist.

Jesus sagt: Ihr braucht nur einen Gefährten, Schuhe, ein Übergewand und einen Wander­stab – keine frische Ersatzkleidung, kein Geld und keinen Essensvorrat!

Ich stelle mir das praktisch vor: Zwei Männer kommen nach stundenlanger Wanderung in der Hitze des Nahen Ostens in ein Dorf: Verstaubt, verschwitzt, hungrig – wie jeder sehen kann.

Mitten im Ort bleiben sie stehen – rufen Leute her – und beginnen ihre Botschaft auszurichten: „Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“

Jeder, der sie hört, sieht sofort: die brauchen etwas zu essen, Wasser zum Waschen und einen Schlafplatz.

Wer sie aufnimmt und sie versorgt, dem werden sie von Jesus erzählen, Und da sie vom Reich Gottes reden, werden die Menschen ihre Nöte ausbreiten und ihre Kranken holen und hoffen, dass das Reich Gottes sichtbar wird: dass Kranke gesund werden und Streitereien und mehr befriedet werden.

Das stärkste Zeichen, die größte Herausforderung für die Gesandten wie für die Angesprochenen ist die Bedürftigkeit der Verkünder.

Gibt es irgendeine Ähnlichkeit zu unserer kirchlichen Situation?
Ich gebe zu, da muss man sich sehr anstrengen, um etwas zu finden.

Wir Seelsorger und Seelsorgerinnen haben ein festes Gehalt, treten durchschnittlich bürgerlich auf, haben studiert …

Ein Pfarrer in der Pfarrei ähnelt bei uns eher dem Leiter einer örtlichen Niederlassung und die Verkünder sind eine Mischung zwischen Religionslehrer, Veranstaltungsmanager und ab und zu auch psychosozialer Unterstützerin.

Dafür, dass es so geworden ist, gibt es viele gute Gründe. Die verlässlichen Strukturen machen vieles möglich: die Sorge um die Gemeinde,
dauerhafte Angebote wie Kindergärten und Sozialstationen.
Das geht nur durch kontinuierliches Bemühen und Verlässlichkeit.

Der Nachteil ist: Institutionen fördern Gewohnheiten und Trägheit,
Besitz produziert Macht und das Interesse ihn zu schützen und zu mehren.

Ich glaube nicht, dass die Aussendung der Jünger ohne Vorratstasche ein Gesetz ist für alle Zeiten. Ich glaube aber schon, dass diese Geschichte auch heute für uns wichtig ist:

Wer das Reich Gottes verkündet und die Auferstehung Jesu, wer zur Umkehr ruft, muss sich immer wieder prüfen, damit er sich nicht bequem „in einem Sessel ausruht“ und sich auf seine Institution verlässt.

Entscheidend ist einzig und allein: Die Botschaft, Jesus Christus,
Das Reich Gottes ist nahe! Glaubt daran und Kehrt um!

Mit anderen Worten:

Das Leben ist mehr als Kleidung und Nahrung, Geld und Komfort. Das Leben ist Vertrauen, Zuwendung, Nähe, Sorge füreinander, Anteilnahme, Wohlwollen.