Ansprache: Liebe Schwestern und Brüder,
Jemand hat mir erzählt, dass er beim Bücherkauf den Schluss eines Buches liest und dann entscheidet, ob er das Buch kaufen möchte. Der Schluss, das Ende fasst nochmals alles zusammen.
Heute endet das Kirchenjahr. Dieser Sonntag setzt den Schlusspunkt – nachdem wir die Erwartung des Messias, seine Ankunft, sein Leben, sein Sterben und Auferstehen, seine Heimkehr zum Vater und seine Gabe den Heiligen Geist erinnert haben.
Der Schlusspunkt heißt: „Jesus Christus ist König. Aber sein Königtum ist nicht von dieser Welt.“
So wie das Lukasevangelium schon bei seiner Geburt Jesus als den wahren Retter der Welt schildert – im Gegensatz zum Kaiser in Rom –
Ganz anders, aber doch in der Aussage ähnlich, zeigt uns das Johannesevangelium Jesus als König – im Gegensatz zur Regierung Roms – vertreten durch den Statthalter Pilatus und den König der Juden von Roms Gnaden: Herodes.
Richtig interessant ist aber, dass das Evangelium sagt, Jesus ist König, weil er für die Wahrheit einsteht!
Was soll das denn sein? Wer meint, immer die Wahrheit zu wissen, ist selten sympathisch und manchmal gefährlich! Gibt es überhaupt eine Wahrheit?
Aber langsam, bevor wir unseren Vorbehalten folgen und uns abwenden.
Wahrheit ist … das, wonach wir uns richten. In der Gesellschaft, in der wir leben, ist der höchste Wert die Freiheit, zu sagen und zu tun, was mir gerade einfällt und ebenso hoch steht der Besitz: je mehr ich mir leisten kann, desto besser.
Ich kann das gut nachvollziehen: Schon ein Kind möchte es selbst machen, möchte selbst bestimmen und möchte dies und jenes haben. Es ist eine ganz natürliche und kindliche Einstellung: Gut ist das, was ich für mich haben möchte und was ich will.
Dieser kindliche, natürliche und harmlose Egoismus wird aber zur Quelle von Verletzungen, Streit und Feindschaft, wenn er in der Entwicklung zum Erwachsen sein nicht überwunden wird.
Jesus steht für eine andere Wahrheit – mit seinem Leben ist er dafür eingestanden:
Jesus steht dafür, dass jeder Mensch durch Gottes Geist lebt.
Jeder Mensch ist es wert, geliebt zu werden und ist geliebt.
Das ist das wichtigste und Größte, was von einem Menschen zu sagen ist:
Du bist geliebt.
Diese Wahrheit ist größer und höher als die kindliche Selbstsucht: Gut ist, was ich will. Und daraus folgt die andere Seite der Wahrheitsmedaille.
Das wichtigste ist, dass ich den anderen Menschen helfe, nütze, Gutes tue, heile, tröste, stütze – ihn liebe. Was kann ich für Dich tun, damit es Dir gut geht?
Liebe Schwestern und Brüder,
diese Haltung gibt es nur bei Menschen, die ihr Leben auf die höchste Wahrheit ausrichten: auf Gott, der die Liebe ist.
Um dieser Wahrheit willen ist Jesus geblieben, statt wegzulaufen.
Um dieser Wahrheit willen ließ Jesus sich Gewalt antun, statt sich zu verteidigen. ‑ Um dieser Wahrheit willen!
Und die, die nach dem suchen, was den Menschen menschlich macht,
die nach dem göttlichen im Menschen suchen – diese Menschen hören auf Jesus, weil sie es in ihm finden und erkennen:
Das erste und wichtigste ist:
Liebe Gott, den Ursprung, die Liebe. Er steht über dir und über allem.
Deshalb: Liebe den anderen: Tu ihm Gutes. Heile. Tröste. Stärke. Teile.
Das ist unsere Wahrheit. Danach richten wir uns.
Jedenfalls versuchen wir es immer wieder. Und immer wieder.