02.11.23: Allerseelen

Ansprache: Liebe Schwestern und Brüder, liebe Angehörige,
der seit einem Jahr Verstorbenen,
wir empfinden es als schlimm, wenn jemand stirbt, der uns viel bedeutet und mit dem wir eng verbunden sind. Wir möchten nicht, dass er weg ist.
Wir empfinden das als großen Verlust. Er/Sie fehlt uns. Das macht uns traurig. Es treibt uns die Tränen in die Augen. Es raubt uns die Lebens­freude. Was soll ich ohne sie/ihn?

Es kann sein, dass wir alles so machen, als lebte der andere noch.
So weigern wir uns, die Wirklichkeit anzuerkennen. Wir leugnen sie.
Zumindest eine Zeit lang, bis wir es irgendwann schaffen.

Es kann sein, dass wir Gegenstände und Fotos heraussuchen und Orte besuchen, wo wir mit dem Verstorbenen waren und schönes erlebt haben. So bleibt die Erinnerung lebendig. Die kann uns der Tod nicht nehmen. Bis wir irgendwann wieder offen werden für neue Erlebnisse und Erfahrungen.

Es kann sein, dass wir überlegen: es hätte anders kommen können:
wenn er da sich nicht so angestrengt hätte, wenn sie sich mehr geschont hätte, wenn er früher zum Arzt gegangen wäre, wenn ich mich besser durchgesetzt hätte oder auch ihn in Ruhe gelassen hätte – vielleicht würde der andere dann noch leben!

So ähnlich war es für Marta, die Schwester des Lazarus. Sie sagt zu Jesus:
„Wärest du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben!“

In diesen Worten liegt ein leiser Vorwurf, den Marta dadurch abmildert, dass sie sagt: Trotzdem glaube ich, dass Gott dir jede Bitte erfüllt!

Eine knifflige Situation für Jesus, den Freund des Lazarus und seiner Schwestern Marta und Maria. Soll er sich verteidigen? Soll er sie belehren? Wird er den Vorwurf zurückweisen oder Ausflüchte suchen, damit er die Situation beruhigt und wieder seinen Frieden hat?

Das Evangelium entwickelt als Lösung der Situation ein Glaubensgespräch über die Auferstehung der Toten. Marta erwartet die Auferstehung am Ende der Zeiten; wenn es mit der Welt zu Ende geht.

Der Evangelist führt die Gedanken weiter, indem Jesus sagt:

„Wer an mich glaubt wird leben – auch wenn er stirbt! Wer an mich glaubt, wird auf ewig (ganz gewiss oder überhaupt) nicht sterben.

Liebe Schwestern und Brüder,
wegen dieses Satzes glaube ich und baue darauf,
dass unsere lieben Verstorbenen weder irgendwelche Strafen erleiden, bevor sie ins Licht Gottes kommen, noch gibt es eine Wartezeit.

Ich glaube fest und überzeugt, dass es kein Fegefeuer gibt und dass die Verstorbenen nicht als „arme Seelen“ bezeichnet werden sollten, weil sie nicht arm sind, sondern reich:
Gott schenkt ihnen Heilung und Heil, sie sind jetzt vollkommen
– also ganz und gar so, dass es nicht besser geht.

Liebe Schwestern und Brüder,
nicht dass dieser Glaube den Trauerschmerz überflüssig machen würde.
Wir verlieren durch den Tod unsere Lieben – und das tut weh.
Bei einem länger, beim anderen kürzer, bei einem stärker, beim anderen schwächer – das ist ganz persönlich, individuell.

Doch dieser Glaube verändert die Situation:
Der Gedanke an den Verstorbenen ist hoffnungsvoll. Er ist im Licht.
Er ist am Ziel. Er hat Anteil an der Freude Gottes.
Für ihn darf ich mich freuen – ganz ohne Sorgen.

Ohne Zweifel fällt es einem leichter, an liebe Menschen zu denken, die nicht da sein können, wenn ich weiß, dass es ihnen gut geht.

Dann kann ich auch leichter das Schöne, das um mich ist genießen und mich daran freuen. Dann kann ich eher im Frieden mich dem zuwenden, was mich erfüllt.
Dann breitet sich leichter die Dankbarkeit aus und die Zufriedenheit oder auch die innere Aussöhnung mit dem was zwischen uns war.

Es war gut. Es darf gut werden hoffentlich bald.
Und ich darf auch traurig sein. Immer wieder und so lange wie es nötig ist.

Denn die Trauer ist der Heilungsprozess der Seele.
Unsere Verstorbenen wünschen uns sicher am meisten, dass wir wieder froh sein können – um so mehr, als sie in der Freude leben. Amen.

Fürbitten

Lektor: Guter Gott, du versprichst uns, dass wir im Leben und im Sterben bei dir geborgen sind. In der Hoffnung, dass unsere Verstorbenen bei dir leben, beten wir:

  • Wir bitten um Frieden für alle, die im Unfrieden mit sich und ihren Mitmenschen aus ihrem Leben gegangen sind.
  • Wir bitten um Geborgenheit für alle, die im Leben bedroht wurden und den Gefahren schutzlos ausgesetzt waren.
  • Wir bitten um dein göttliches Licht für die Menschen, die in ihrem Leben unter der Dunkelheit von Depression, Feindschaft und Zweifeln litten.
  • Wir bitten um deine göttliche Vollkommenheit für die Menschen, die uns ganz nahestanden und denen wir viel zu verdanken haben.
  • Wir bitten um Heilung und Befreiung für die Opfer von Gewalt und für allem deren Leben unter großen Schmerzen und Beschwerden zu Ende ging.

Lektor: Gott, du bist der Schöpfer des Lebens. Du bist auch das Ziel unseres Strebens und die Vollendung unserer Sehnsucht. Gib, dass nichts und niemand uns von dir trennen können. Darum bitten wir durch Jesus Christus, unseren Bruder und Herrn.