Benedikt XVI. verfügt Änderung der deutschen Übersetzung der Wandlungsworte

„für den normalen Besucher des Gottesdienstes erscheint dies fast unvermeidlich als Bruch mitten im Zentrum des Heiligen. Sie werden fragen: Ist nun Christus nicht für alle gestorben? Hat die Kirche ihre Lehre verändert? Kann und darf sie das? Ist hier eine Reaktion am Werk, die das Erbe des Konzils zerstören will?“

Benedikt XVI in seinem Brief an die deutschen Bischöfe wegen der Neuübersetzung des Kelchwortes. hier der gesamte Text

Ich finde es beachtlich, mit welchem Einfühlungsvermögen für die „normalen Besucher der Gottesdienste“  Benedikt XVI. seine eigene Entscheidung für die neue Übersetzung des Kelchwortes kommentiert.
Seine Einschätzung der Reaktionen dürfte ziemlich realistisch sein. Und dennoch muss es demnächst heißen: „Das ist mein Blut, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ Warum tut man das den „normalen“ Besuchern der Gottesdienste an?

Wegen einiger, die sich vielleicht dadurch erweichen lassen, den ordentlichen Ritus der Messe als gültige Messe zu akzeptieren?

Kardinal Ratzinger hat öfter bedauert, dass man nach dem Konzil den neuen Ritus der Messe sehr aprupt und übergangslos einführte. Daran kann viel wahres sein. Wahrscheinlich ging es den Katholiken damals so wie uns heutigen, als plötzlich das alte nicht mehr galt. Aber muss man jetzt den Fehler wiederholen? Wenn die bisherige Fassung „für alle“ rechtgläubig war, dann kann sie es doch auch in Zukunft bleiben. Die Zeit wird es erweisen, ob die Neufassung der deutschen Übersetzung „für viele“ verstanden und akzeptiert werden kann.
Kann es keine Erprobungszeit geben, so wie damals, als die deutschen Texte eingführt wurden?

In einer mehrsprachigen Konkordanz des Messordos – herausgegeben von Libreria Editrice Vaticana finden sich übrigens folgende Übersetzungen des „pro multis“ im lateinischen Text des Ordo Missae:

Englisch: „It will be shed for you and for all men …“
Französisch: „versé pour vous et pour la multitude …“
Italienisch: „versato pervoi e per tutti …“
Spanisch: „vosotros y por todos los hombres …“
Deutsch: „das für euch und für alle vergossen wird …“

Wenn argumentiert wird, dass man um der Einheit willen die Übersetzung ändern muss, dann ist zu bemerken, dass in 4 von 5 Übersetzungen das „für alle“ als zutreffendere Übersetzung gewählt worden war.

Wenn umständlich dargelegt wird, dass die Übersetzung „für viele“ in Wirklichkeit meint „für alle“, warum belässt man es dann nicht bei der bisherigen Übersetzung?

Ich mag es drehen und wenden wie ich will: als katholischer Priester stellen sich mir auch nach der Lektüre des Briefes von Benedikt XVI genau die oben zietierten Fragen.
Sie sind durch die Argumente des Briefes für mich nicht befriedigend beantwortet. Diese Fragen bleiben berechtigte Einwände und deshalb bitte ich die deutschen Bischöfe inständig, mit all ihrem Freimut aufzutreten und Benedikt XVI zu bedrängen, dass er zumindest auf unbegrenzte Zeit die bisherige Übersetzung neben der neuen gelten lässt – so wie er es sich gewünscht hätte, dass der jetzige ordentliche Ritus nicht so plötzlich und unvermittelt gegen den damaligen römischen „tridentischen“ Ritus durchgesetzt worden wäre.

 

Wie kann die Kirche ihre Sendung in dieser Zeit erfüllen?

Das sollte meiner Meinung nach das Thema eines Dialogs in der Kirche sein.
Als Vision für die Sendung der Kirche ist nach wie vor hervorragend geeignet, was das Konzil über Kirche gesagt hat: „Die Kirche ist Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott und für die Einheit des ganzen Menschengeschlechtes“ (LG 1). Auch wenn man versuchen sollte, diesen Satz in eine zeitgemäße Sprache umzuformulieren.

Für den Dialog darüber möchte ich eine 1. These vorstellen:

Bei fast jedem Taufgespräch wird mir als Begründung für den Taufwunsch genannt: Die Werte des Christentums sind mir wichtig. Ich frage oft nach, welche Werte das seien: Rücksicht, Kompromissbereitschaft, dass man sich nicht um jeden Preis durchsetzt, Liebe zum Frieden, … – solche Werte werden genannt. Die Menschen haben Werte, die sie mit dem Christentum verbinden. Das Christentum ist für viele eine Chiffre für Menschlichkeit, Humanität, Verantwortungsbewusstsein.

Außerdem wird mir meistens erklärt, dass ein aktives Mittun in der Gemeinde für ein christliches Leben nicht nötig sei. Es ist schwierig, sich mit der Kirche zu identifizieren:

Für die Menschen – auch für die, die ihr Kind zur Taufe bringen steht  Kirche für Rückständigkeit (Zölibat), für eine dunkle Geschichte (Kreuzzüge) für Autoritarismus (Papsttum), für Sexualfeindlichkeit (Pille, Homosexualität, etc.). Die Bischöfe werden vielfach als Personen wahrgenommen, die in ihrem Amt Selbstdarstellung betreiben, und denen es vor allem um den Erhalt des Systems und der Institution geht, die aber keinen Millimeter abrücken von ihren „überkommenen und rückständigen“ Traditionen, die die Leute nicht mit dem christlichen Glauben in Verbindung zu bringen vermögen.

1. Der Glaube an Jesus Christus ist Fundament und Motivation für das Handeln der Kirche. Glauben ist eine Beziehung zu Jesus Christus und zum Vater, den er verkündet hat. Wie jede Beziehung kann auch diese sich ändern, sie kann intensiver und schwächer werden. Man kann immer mehr vergessen oder sich mit dem anderen immer vertrauter machen.
Wenn wir Kirche sein wollen, werden wir immer wieder nach Jesus fragen: was seine „Lehre“, was sein Leben, was sein Tod für unser Leben bedeuten.
Als Kirche stehen wir für den Glauben an Jesus Christus. Wir dürfen deshalb diesen Glauben bedenken, aneignen, hinterfragen, anzweifeln, ausdrücken, vorschlagen, verkünden, darlegen, begründen, auslegen,

Als Lernbedarf sehe ich:Getaufte und gefirmte Christen haben Hemmungen, über ihren Glauben zu sprechen, weil sie Angst haben, ihn falsch auszudrücken.
Die Bischöfe und Priester haben das „Lehramt“ so sehr betont, dass sich die Christen als inkompetent erfahren haben. Ihnen wurde die Rolle von passiv Hörenden zugeteilt. So kann keine Identifikation der Getauften mit dem Glauben stattfinden.

Nötig ist folgendes:
Getaufte und Gefirmte hören zusammen mit den „Lehrern des Glaubens“ (Hierarchie – Bischöfe – Theologen)  auf das Evangelium. Sie finden eine gemeinsame Sprache für ihren Glauben. Dies ist ein fortwährender Prozess, der dazu führt, dass Christen sagen können: Ich glaube …
Es geht dabei weniger um die korrekte Formulierung als um das wirklich geglaubte.

Ich würde mich freuen, wenn es auf diese 1. These bereits Reaktionen gäbe.

Was Prof. Dr. Klaus Müller in Münster sagte …

ist hier zu lesen:  Rede von Professor Müller

Lieber Sven,
ich habe ein bisschen recherchiert. Die ganze Rede habe ich noch nicht gelesen, nur die einschlägigen Stellen am Anfang. Jeder Vergleich greift nur einen bestimmtenVergleichspunkt heraus. Selbstverständlich hat die kath. Kirche keine Gefängnisse, betreibt keine Folter, ist nicht atheistisch usw.
Aber: was diese atheistischen Staaten erfahren mussten ist: Es gab eine Fassade von Staatsräson, die „Führer“ verschlossen die Augen vor der Realität. Das Volk identifizierte sich schon lange nicht mehr mit dem System.
Es wurde nur äußerlich der Eindruck aufrecht erhalten.

Dass insofern der Zustand der kath. Kirche und ihrer Mitglieder ähnlich sein könnte, formulieren sie selbst. Sie wird kleiner werden. Das größte Problem sind nicht die Fragen von Zölibat, … – wiewohl auch diese Fragen nicht einfach abgetan werden dürfen – wie sie es schon seit 40 Jahren getan werden (seit Benedikt XVI. ein junger Professor war). Das größere Problem ist, dass das Sprechen von der frohen Botschaft Jesu auf bestimmte Formulierungen festgelegt wird.

Versuche, den christlichen Glauben ins Heute zu übersetzen werden innerkirchlich als Glaubensabfall und als Aushöhlung des Glaubens bewertet, die entsprechenden Theologen mit Lehrverfahren belegt. Die Sprache der kirchenamtlichen Theologie erreicht die Katholiken nicht mehr. Sie können damit nichts mehr anfangen. Sie gehen nicht mehr zur Sonntagsmesse. Und sie gehen auch nicht mehr an Weihnachten in die Kirche.
Sie wenden sich sogar – wie sie richtig bemerken – vom Gottesglauben ab.

Ich fürchte, dass dies auch daran liegt, dass die hohen Vertreter der Kirche nur die immer gleichen Formeln wiederholen. Die Kirche macht nicht den Eindruck, als ob es etwas zu entdecken und zu finden gäbe. Es herrscht der Ton des „Das ist die Wahrheit! Glaube oder geh!“

Die Kirche ist aber gesandt, den Menschen die frohe Botschaft zu verkünden, das Versöhnungswerk Christi fortzuführen, damit die Menschen zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes gelangen, ..
Sie darf nicht selbst zum Hindernis für den Gottesglauben werden.

Es geht darum, den Menschen den Zugang zu Gott zu eröffnen, der die Liebe ist, das Geheimnis der Schöpfung, dessen Geist in allem Lebendigen ist, so dass die Erkenntnis Gottes und die Liebe zu Gott zur Grundlage wird für wahre Mitmenschlichkeit und für den verantwortungsvollen hegenden Umgang mit der Schöpfung, die uns anvertraut ist. Die Kirche, so wird das 2. vat. Konzil oft zitiert, soll Zeichen der innigsten Vereinigung der Menschheitsfamilie mit Gott sein.

Damit sie diese Aufgabe wirklich erfüllt, muss sie gesprächsbereit und offen sein und das tun, was Jesus getan hat: den Menschen zusagen, dass Gottes Geist in ihnen ist, dass Gott ihr Vater ist und dass das Reich Gottes ihnen offen steht – diese Botschaft hat die Menschen verändert – besonders die Zöllner und Sünder.

Heute aber treten die mächtigsten Vertreter der Kirche auf wie der letzte heilige Rest, der bis auf den letzten Blutstropfen die heilige Kirche und ihre Gesetze und Traditionen verteidigt und der damit beschäftigt ist, alle, die auch nur einen Stein neu tünchen wollen, als Quertreiber, Nestbeschmutzer und Verräter aus ihren Reihen zu vertreiben. Dabei gibt es eine Gruppe, die immer einflussreicher wird, und erklärt:
Es muss ein Zustand wiederhergestellt werden, der an einem bestimmten Punkt der Vergangenheit herrschte: nämlich in der Zeit nach dem 1. vatikanischen Konzil.

Ja, ich glaube, dass Gott in der Kirche wirkt. Aber ob Gottes Geist nur aus den Vertretern der Hierarchie spricht? Ob er nicht vielleicht doch auch in den Herzen der gläubigen Theologen spricht?

Beginn eines Dialogs?

Sehr geehrter Herr Wolf, sehr geehrte Leser dieser Diskussion,

ich gebe Herrn Wolf völlig recht: bisher kam es zwischen H. Wolf und mir zu keinem Dialog.
Soll ein Dialog in Gang kommen, wäre es – meiner,  Meinung nach – unerlässlich, eine gemeinsame Grundlage herzustellen. Worin könnte diese bestehen?

Ich würde  vorschlagen, dass wir uns gegenseitig versichern, dass wir verbunden sind durch den Glauben an den himmlischen Vater Jesu. Jesus, das fleischgewordene Wort Gottes ist im Heiligen Geist eins mit dem Vater und der Vater mit ihm.

Ferner würde ich vorschlagen, dass wir uns gegenseitig zubilligen, dass der jeweils andere als Christ in der katholischen Kirche leben möchte.

Ich würde außerdem gerne von der gegenseitigen Versicherung ausgehen, dass der jeweils andere als einer erkannt wird, dem es ein ehrliches und ernstes Anliegen ist, dass die kath. Kirche auch in Zukunft ihre Sendung erfüllt, die der Auferstandene ihr gegeben hat.

„Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,19.20)

Ich möchte ansonsten nicht weiter damit fortfahren, Antworten und Gegenantworten hin und her zu senden, die unter die Überschrift gestellt werden: Herr Wolf beweist Herrn Müller, dass er sich der Häresie schuldig gemacht hat, was – in der Sprache meines Dialogpartners gesprochen – eine Todsünde darstellt und deshalb die ewige Verdammnis nach sich zieht, sollte der Verbrecher nicht von seinem Verbrechen, der Häresie, ablassen.

Sodann braucht ein Dialog noch ein Thema, das besprochen werden soll. Mein Vorschlag:

Wie kann die Kirche die Botschaft Jesu wieder so verkünden, dass Jesu Erlösungswerk im Leben der Menschen fruchtbar wird? Wo sind die Ursachen im Leben der Kirche zu suchen, die dazu führten, dass sich in unserer Gesellschaft nur noch eine Minderheit mit dem christlichen, katholischen Glauben identifizieren kann und eine noch kleiner Minderheit bereit ist, am Leben der Kirche teilzunehmen. Was führte zu diesem Vertrauensverlust der Kirche? Wie kann die Kirche versuchen, das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit zurück zu gewinnen.

1. Bemerkung: Die im Memorandum angesprochenen Themenfelder scheinen mir dabei durchaus eine Rolle zu spielen. Damit formuliere ich aber keine konkreten Forderungen, sondern äußere nur die Meinung, dass diese Themenfelder eine große Bedeutung für den Vertrauensverlust der Kirche haben.

2. Bemerkung: Der Dialog muss wohl die Option beinhalten, dass die Kirche bereit ist, sich zu verändern. Die Überzeugung, dass in der Kirche schon immer alles in Ordnung war, würde sich der Herausforderung vor der die Kirche steht verweigern.

Ich bin gespannt, ob diese Dialoggrundlage aufgegriffen wird. Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass Alternativen zu meinen Vorschlägen, was die Basis des Dialogs und das Thema des Dialogs sein kann, genannt werden können.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Müller.