12.07.2015

Hier geht es zu den Texten der Liturgie: 

Amos klagte das Unrecht und die Ungerechtigkeit an, die er bei seiner Reise nach Israel beobachtete. Er brachte die Herrschenden gegen sich auf: den König und seinen Hofstaat und auch die Priester im Tempel.

Es schimpfte und wetterte gegen die Missstände, di da herrschten, mit groben Worten wie diesen:

5. 21 Ich hasse eure Feste, ich verabscheue sie /
und kann eure Feiern nicht riechen.

22 Wenn ihr mir Brandopfer darbringt, /
ich habe kein Gefallen an euren Gaben /
und eure fetten Heilsopfer will ich nicht sehen.

23 Weg mit dem Lärm deiner Lieder! /
Dein Harfenspiel will ich nicht hören,

6,4 Ihr liegt auf Betten aus Elfenbein / und faulenzt auf euren Polstern. Zum Essen holt ihr euch Lämmer aus der Herde /
und Mastkälber aus dem Stall.

5 Ihr grölt zum Klang der Harfe, / ihr wollt Lieder erfinden wie David.

6 Ihr trinkt den Wein aus großen Humpen, /
ihr salbt euch mit dem feinsten Öl /
und sorgt euch nicht über den Untergang Josefs.

Mich erinnert das an die Worte, mit denen Franziskus den ungebremsten Kapitalismus anprangert: Er spricht von einer Wirtschaft, die tötet!

Das klingt hart: aber was ist mit den Menschen in den Nähereien,
was ist mit den Feldarbeitern, die den giftigen Nebel einatmen, wenn Flugzeuge über ihnen giftige Pflanzenschutzmittel sprühen?
Was ist mit den Kindern, die aus engen Schächten die seltenen Rohstoffe aus der Erde holen ….

Diese Liste ließe sich noch lange fortführen: Zigtausende Menschen sterben an der Weltwirtschaft, wie sie sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat – besonders seit dem Globalisierungsschub, der seit den 80er Jahren von multinationalen Konzernen betrieben wird.

Johannes Paul II forderte schon damals dass der Mensch und die Arbeit Vorrang haben müssten vor den Interessen des Kapitals.

Wenige Konzerne reißen die Güter der Welt an sich, in dem unersättlichen Bestreben, das eigene Kapital zu vermehren:
Es gibt ein paar Menschen, die könnten die Schulden Griechenlands bezahlen, ohne deshalb arm zu werden.

Schwestern und Brüder,
Jesus sandte die Apostel aus und gab ihnen Vollmacht, die Menschen von den unreinen Geistern zu befreien: diese inneren Stimmen treiben uns dazu an, uns über andere Menschen zu stellen und uns auf deren Kosten einen Vorteil zu verschaffen.

Wenn man nicht auf sie hört, dann sollen die Apostel ihnen sogar den Straßenstaub zurücklassen, um sich nicht anstecken zu lassen von dem Egoismus und der Hartherzigkeit.

Immer wieder trifft uns der Ruf: Kehrt um! Glaubt an das Evangelium! Glaubt an das Heil, das von Gott kommt!

Halten wir uns fern von der Heuchelei, die behauptet, die Armen wären selbst schuld an ihrer Armut;
Lassen wir uns von Jesus immer wieder von den unreinen Abergeistern befreien: dass wir den anderen ebenso wichtig nehmen, wie uns selbst,
dass wir der Wahrheit den Vorzug geben vor der Lüge,
dass wir den Frieden höher schätzen, als unser Streben zu bestimmen, was gemacht wird.

Pirmin Spiegel ist der Geschäftsführer von MISEREOR: er weigert sich, einen vergoldeten Kelch zur Messe zu benutzen, weil er gesehen hat, durch welches Unrecht und durch welche Unmenschlichkeit das Gold gewonnen wurde.

Hören wir nicht auf, immer wieder den nächsten Schritt zu tun und umzukehren zum Himmelreich, das von Gott kommt.

22.05.2022: 6. Sonntag der Osterzeit

Einführung:
Schön, dass wir wieder zusammengekommen sind.
Schauen sie neben und hinter sich. Grüßen sie einander mit einem freundlichen Blick. Es ist ein großes Geschenk, dass wir den Glauben teilen, dass wir gemeinsam Jesus nachfolgen,
dass wir versuchen in seinem Geist zu leben:
erfüllt von seinem Frieden:

Es ist gut, dass wir da sind,
weil uns das Leben von dem guten Gott geschenkt ist.

Es ist gut, dass wir da sind, in dieser Zeit,
in diesen Lebensumständen. Wir danken Gott für unser Leben:

Herr, du bist das Wort, das alles ins Leben ruft.
Du bist die Kraft, die in uns wirkt.
Du lädst uns ein an deinen Tisch.

Ansprache: Liebe Schwestern und Brüder,
als Jugendlicher ging in der St. Wolfgangskirche in Landshut in die Sonntagsmesse. Im Altarraum vorne war ein wandfüllendes Bild vom himmlischen Jerusalem – so wie es in der Lesung gerade beschrieben wurde. Es ist sehr hell und freundlich und einladend.
In der Mitte ist keine Kirche, kein Dom, kein Tempel, sondern Christus:

Liebe Schwestern und Brüder, daran möchte ich uns erinnern:
Gott braucht keine Wohnung. Gott braucht kein Kirchengebäude, um unter uns Menschen sein zu können. Denn Gott ist überall gegenwärtig.
Wenn wir „Gotteshaus“ sagen, sind wir in Gefahr, ein falsches Bild zu entwickeln: Als ob Gott in der Kirche wohnen würde und nicht „in ihrer Wohnung“.

Gott, ist da, wo Menschen leben, Gott ist da, wo Leben ist,
Gott ist da wo Menschen lieben, Gott ist da wo Liebe ist,
Gott ist da, wo Menschen hoffen, Gott ist da, wo Hoffnung ist.
(Detlev Jöcker)

Das ist großartig! Davon bin ich begeistert!

Zugleich bedeutet das, dass jeder Mensch direkt und unmittelbar mit Gott verbunden ist und sozusagen in seinem Licht lebt. Sie brauchen keine Mittler, um mit Gott in Kontakt zu treten.

Das ist wieder wichtig: im christlichen Glauben gibt es keine Rangordnung in der Nähe zu Gott. Sie dürfen ruhig scherzen und sagen, der Pfarrer wäre zuständig fürs schöne Wetter beim Pfarrfest, weil er einen besonderen Draht zu Gott habe. Aber: Das ist ein Scherz, der sich zurecht über den Anspruch amüsiert, Priester seien wegen ihres Amtes oder ihrer Weihe Gott näher – welch unangemessener Standesdünkel.

Ganz im Gegenteil: Gott schenkt seinen Geist jedem Menschen, jedem Lebendigen – und zwar ganz, nicht in Portionen. Dieser Geist weckt in uns die Sehnsucht nach dem Guten, nach Gerechtigkeit, nach Frieden.
Dieser Geist gibt uns die Kraft, anderen Gutes zu tun, gerecht zu handeln und zu urteilen und den Weg zum Frieden zu gehen.

Liebe Schwestern und Brüder,
das Stichwort „Frieden“ ist in diesen Monaten problematisch. Wir sind Zeugen des Unfriedens und müssen zumindest daran denken, dass die Gewalt auch zu uns vordringen kann. Hoffentlich bleiben wir davor verschont. Hoffentlich aber machen die Menschen der Gewalt in der Ukraine bald ein Ende.

„Frieden hinterlasse ich euch“ sagt Jesus zu den Jüngern.

Was ist dieser Friede, der anders ist als der Friede, den die Welt gibt?

Jesus hatte diesen Frieden in sich. Den Urgrund dieses Friedens hat er oft genannt: „Mein Vater liebt mich und ich habe seine Gebote gehalten, weil ich ihn liebe.“
Wir Jünger Jesu sollen verstehen: Der Vater liebt jeden von uns genauso wie Jesus und wir erwidern seine Liebe, wenn wir seine Gebote halten.

So wohnt der Friede Christi in uns – der stärker ist als aller Unfriede, den Menschen in der Welt anrichten können.

Eines ist klar: Wer diesen Frieden in sich hat, dem ist es unmöglich, einem anderen Menschen absichtlich Schaden zuzufügen.
Dieser Friede drängt danach, Schaden vom anderen fernzuhalten und dem anderen Gutes zu tun, Frieden zu bringen.

In dieser Welt wird es aber immer Menschen geben, die nach Macht und Herrschaft über andere streben, die Gewalt anwenden, um ihre selbst­süchtigen Ziele zu erreichen.
Das ist sehr schwer für die, die sich nach Frieden sehnen.

Die Frage nach Gegenwehr oder Gewaltverzicht ist ein Dilemma, vor dem wir immer wieder stehen: Nicht nur Kriegsparteien, sondern auch in unserem privaten Leben. In jedem Streit stehen wir vor dieser Frage.

Jesus hat für sich entschieden, sich und der Liebe seines Vaters treu zu bleiben: Er stand ein für seine Botschaft und genau deshalb erwiderte er die Feindschaft nicht. Darin liegt sein Sieg. Es braucht viel Mut, um diesen Weg zu gehen. Und den Frieden, der von Gott kommt.

Fürbitten

Lektorin: Guter Gott, in dir ist keine Spaltung. Du bist der Friede und von Dir geht Friede aus.
Herr sende deinen Geist aus und die Erde wird neu!

Alle: Herr sende deinen Geist aus und die Erde wird neu!

  • Wir beten für die Menschen in der Ukraine, dass sie den Krieg beenden und den Frieden suchen und dass die Angreifer von ihrem Unrecht ablassen.

Alle: Herr sende deinen Geist aus und die Erde wird neu!

  • Wir beten für alle Menschen, die unter Krieg leiden und Krieg führen,
    dass sie aufhören einander zu töten.

Alle: Herr sende deinen Geist aus und die Erde wird neu!

  • Wir beten für alle zerstrittenen Menschen, dass sie versuchen den Streit auch vom Standpunkt des anderen zu sehen und eine gerechte Lösung suchen.

Alle: Herr sende deinen Geist aus und die Erde wird neu!

  • Wir beten für unsere und für alle christlichen Kirchen: dass wir auf die Stimme des Heiligen Geistes hören und in seiner Kraft das Gute tun.

Alle: Herr sende deinen Geist aus und die Erde wird neu!

  • Wir beten für die Bischöfe: dass sie hellhörig sind und wahrnehmen und achten, was der Heilige Geist in den Glaubenden wirkt. Wir beten, dass sie nicht glauben, etwas Besonderes und besser zu sein.

Alle: Herr sende deinen Geist aus und die Erde wird neu!

Priester: Gott, dein Geist wirkt in uns das Leben. Jedem hast du die Gabe verliehen. Wir wollen auf deine Stimme hören und loben dich und preisen dich, weil du mitten unter uns lebst. Amen.

01.05.2022: 3. Ostersonntag

Einführung: Liebe Schwestern und Brüder!
In der Kälte brauchen wir einen Ort, um uns zu erwärmen,
im Dunkel suchen wir nach einem Ort, wo es hell ist,
wenn wir Hunger haben, suchen wir nach etwas zu essen,
wenn wir Durst haben suchen wir nach etwas zu trinken:

Zurecht nennen wir den Geist Feuer, das uns wärmt und Jesus das Licht der Welt. Er ist das Brot des Lebens und er wird in uns zur sprudelnden Quelle, die uns ewiges Leben schenkt.

Lassen wir jetzt unsere Seele wärmen und erleuchten,
lassen wir uns den Hunger stillen, nach einem Wort das uns Mut macht;
lassen wir unseren Durst nach Leben löschen: nach der Gewissheit, dass es gut ist zu leben.

Ansprache: Liebe Schwestern und Brüder,
Manchmal mache ich mir einen Spaß: Ich erzähle von irgendetwas – aber mache nur so unklare Andeutungen, dass niemand verstehen kann, was ich zu erzählen habe. Manchmal sagt man dann zu mir: „Du sprichst in Rätseln!“ So könnte man auch zu den Verfassern des Johannesevangeliums sagen: „Du sprichst in Rätseln!“.

Das Joh.Evangelium verwendet Wörter öfter in einem übertragenen Sinn verwendet, den die Hörer nicht verstehen (können):
Ich gebe dir lebendiges Wasser: wenn du davon trinkst, wirst du nie mehr Durst haben. Ich bin das Brot des Lebens. Wer davon isst, wir nie mehr hungrig sein. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben.

„Fischen“ bedeutet nicht unbedingt „Fischen“ und „Fisch“ nicht einfach „Fisch“.

Der Satz „Die Jünger gingen fischen und fingen nichts“ erzählt nicht vom leeren Netz. Wovon dann?

Vielleicht von der Situation der Jünger. Sie hatten durch Jesus viel gelernt – aber jetzt war Jesus nicht mehr da. Ihr früheres Leben – ihr früheres Denken und Urteilen – das ging nicht mehr. Das konnte sie nicht mehr erfüllen. Es wäre wie ein erfolgloser Fischzug.

Jesus und alles, was sie von ihm gelernt hatten, wirkte weiter: Bleibt in meiner Liebe. Wer den Willen meines Vaters tut, bleibt in meiner Liebe.
Das Gebot Jesu hieß: Liebt einander, wie ich euch geliebt habe!

Dieses neue Leben erfüllte die Jünger Jesu – auch nachdem er nicht mehr bei ihnen war. Das wurde ihre Nahrung. Ihr Leben hatte eine neue Überschrift: Die alte war: „Du musst die Gebote halten, damit Gott dich liebt!“ Die neue Überschrift heißt: „Gott liebt dich. Darum hören wir auf ihn und handeln aus Liebe!“

Das ist die Erklärung dafür, wie die kleine Jüngergemeinschaft in kurzer Zeit groß werden konnte. Warum immer mehr sich ihnen anschlossen. Das ist auch heute der Grund, warum Menschen Christen werden und sind und bleiben.

Es stimmt nämlich: Man kann niemand zum Glauben überreden oder mit Argumenten überzeugen. Aber wenn man den Menschen begegnet, um für sie da zu sein. „Was kann ich für dich tun?“ berührt man die Herzen und gewinnt Freunde ‑ nicht für sich, sondern für Jesus und das ewige Leben, das er schenkt.

Liebe Schwestern und Brüder, ich glaube, in dieser Geschichte geht es vor allem um eines: Die Jünger glauben dem Wort Jesu und folgen ihm –
und finden so ein erfülltes Leben und viele Menschen, die ebenfalls hungern und dürsten.

Man kann verschiedene Schlussfolgerungen ziehen. Ich versuche es so:

Wenn wir auf Jesus hören und den anderen Menschen im Blick haben und sehen, was er braucht, was ihm fehlt, was ihn bedrückt und krank macht, dann wird uns viel mehr geschenkt: Menschen, die mit uns glauben und hoffen.

Und zugleich werden wir merken: Es ist es, der in uns gewirkt hat.
Er ist es, der uns stärkt und nährt und nicht nur uns, sondern auch die, die unsere Freunde geworden sind.

Im Matthäusevangelium heißt es: Sorgt euch zuerst um das Reich Gottes, dann wird euch alles andere dazugegeben.
Bei seinem Abschied sagt Jesus: Verkündet das Evangelium allen Geschöpfen und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.
Ich bin bei euch alle Tage, bis zum Ende der Welt:

Das ist die gleiche Botschaft, wenn auch in ganz anderer Sprache.

Beginnen wir auch diese Woche und suchen wir die Gelegenheiten, was wir für unsere Angehörigen, Freundinnen, Kollegen tun können. Amen.

Fürbitten

Lektorin: Gott, wir haben die Botschaft Jesu gehört. Es fällt uns schwer, ihm zu glauben, nachdem er nicht mehr in der Welt ist. Es fällt uns schwer, zu glauben, dass seine Worte wahr sind und von dir kommen. In unseren Ängsten und Zweifeln beten wir:

  • Für alle Getauften, die den Heiligen Geist empfangen haben: dass sie nicht mehr für sich leben, sondern Vergebung bringen und neue Hoffnung wecken.
  • Für die Menschen, die in der Ukraine und an vielen Orten der Erde in Kellern und Bunkern sitzen und ausharren und Angst um ihr Leben haben müssen: dass sie einen starken Geist haben und nicht innerlich zerbrechen.
  • Für die Menschen in den Flüchtlingslagern in Mali, im Jemen, im Libanon, in Griechenland: dass sie die notwendige Hilfe erfahren, um zu überleben und dass ihnen der Weg aus den Lagern in eine bessere Zukunft geöffnet wird.
  • Wir beten auch für die Menschen in Deutschland, die immer noch unter den Folgen der Überschwemmungen im vergangenen Jahr leiden:
    dass sie ein neues Heim finden und nicht allein gelassen werden.
  • Wir beten für die ungezählten Menschen, die notleidenden Helfen: als freiwillige Helfer oder in den Hilfsorganisationen: dass sie durch die Anerkennung und den Dank immer wieder neue Energie für Ihr Engagement erhalten.

Pr.: Guter Gott, du bist allezeit bei uns und dein Geist ist in uns, damit wir teilen, trösten, helfen, heilen. Wir danken Dir für deine Kraft und Stärke. Amen.

24.04.2022: 2. Ostersonntag

Ich möchten ihre Blick auf die kurze Sammelerzählung aus der Apostelgeschichte richten: es wird erzählt, dass Scharen von Männern und Frauen zum Glauben an Jesus Christus, den auferstandenen Herrn geführt wurden. Schier unglaublich wirkt die Bemerkung, dass man die Kranken auf die Straße legte und sie gesund wurden, wenn der Schatten des Petrus auf sie fiel.

In dieser Weise kann ich das auch nicht für bare münze nehmen. Was ich aber erkenne ist, die Absicht der Apostelgeschichte: Die Apostel und die kleine und erst seit kurzer Zeit sich findende Gemeinde um die Apostel setzen das fort, was Jesus getan hat:
Sie wenden sich den Kranken zu, weil sie eben nicht von Gott gestraft sind.
Ganz im Gegenteil: Gott will ja, dass die Menschen heil sind und durch Gottes Kraft werden sie heil.

Und sie verkündeten die Auferstehung Jesu und dass er der von Gott verheißene Retter ist: Und zwar, weil er zeigte, dass niemand von Gottes Liebe ausgeschlossen ist und dass niemand von einem anderen behaupten darf, dass er von Gott verstoßen sei.

Liebe Schwestern und Brüder,
aus diesem Grund handelt jeder Mensch gegen Gott, der einem anderen Gewalt antut oder ausschließt oder verachtet oder verurteilt: Er tut so, als ob der andere vor Gott nicht zählen würde, als ob der andere Gott nicht wertvoll wäre, als ob der andere nicht auch Gottes Kind wäre.

Das ist ein Verrat an Gottes unbeschränkter Liebe! Für Krieg und Mord und Totschlag leuchtet das sofort ein. Doch auch, wer den Mitmenschen gängelt, ihm das Leben schwer macht, ihm ständig Unvermögen und Unfähigkeit vorwirft und alle Fähigkeiten in Abrede stellt –
nimmt einem anderen Menschen das Selbstvertrauen und leugnet, dass er die gleichen Rechte hat und genauso wertvoll ist.

Manchmal geraten wir in Zweifel, ob diese Botschaft wirklich wahr ist.
Manchmal sind wir in Versuchung, zu denken, dass Menschenfreundlich-keit und Anstand, Rücksicht und Respekt zu nichts führen, weil die Gewalttätigen doch die Herrschaft an sich reißen und die anderen unterdrücken.

Es geht uns so, wie es das Johannesevangelium von Thomas erzählt, der bezweifelte, was ihm die anderen erzählten: Wir haben den Herrn gesehen. Thomas zweifelte! Doch in der Gemeinschaft der anderen machte er die gleiche Erfahrung: Was Jesus verkündete ist wahr – gerade, weil er dafür getötet wurde. Sein Leiden und sein Tod sind kein Gegenargument, sondern vielmehr der deutlichste Beweis dafür.

Das Johannesevangelium erzählt, wie die Apostel von Jesus beauftragt werden: Die Szene erinnert an die Erschaffung des Menschen, dem Gott den Lebensatem in die Nase blies. Johannes schildert eine feierliche, geradezu rituelle Szene: Jesus erscheint, er grüßt mit dem Friedensgruß und er gibt den Auftrag, den Menschen die Sünden zu erlassen – also Frieden zu bringen und Versöhnung!

Liebe Schwestern und Brüder,
dazu ist die Kirche gesandt: Frieden zu bringen und Versöhnung – nicht wie die Herrscher dieser Welt dies tun, sondern so wie Jesus es getan hat:

Ohne Waffen! Ohne Gewalt! Ohne Ausgrenzung!
Was immer auch jemand bisher ist oder wahr: wenn er dem Ruf folgt und den Frieden annimmt, gehört er zu Gottes Reich.
Künftig wird er mit den Besitzlosen teilen und sich um die Kranken kümmern.

Und deshalb liebe Schwestern und Brüder, dürfen wir und darf auch das Lehramt der Kirche niemanden wegen bestimmter Eigenschaften ausgrenzen: weder aus unserer Gemeinschaft im Glauben noch von Aufgaben in unserer Gemeinschaft. Entscheidend ist allein, ob ein Mensch dem Ruf Jesu folgt und den Frieden annimmt, den Jesus seinen Jüngern zuspricht.

17.04.2022: Ostersonntag

Liebe Schwestern und Brüder,
Gelobt sei Gott! Gepriesen und Verherrlicht sei Gott auf dieser Erde!
Dieser Ruf ist angemessen – heute genauso wie irgendwann sonst:

Gelobt sei Gott für Jesus Christus! – Ich finde keinen Grund dieses Lob zu beenden oder verstummen zu lassen. – Ganz im Gegenteil: Es muss die Welt erfüllen! Es muss lauter erschallen als das Geplärr der Wut, der Angst, des Zorns, des Hasses.

Jesus ist auferstanden!
Der auf Gott gehört hat und alles gesagt hat, was Gott ihm ins Herz gegeben hat – ER lebt!
Der für die Wahrheit Zeugnis abgelegt hat, dass Gott ihn liebt und dass jeder Mensch Gott unendlich wertvoll und kostbar ist – Er lebt!

Liebe Schwestern und Brüder!
Denken wir an die Zeichen, die  Jesus in seinem Leben gewirkt hat!
Erinnern wir uns an seine Botschaft: Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist, wer davon isst, hat das ewige Leben.
Wir haben sein Gebet gehört:
Bleibt in meiner Liebe, so wie ich in der Liebe des Vaters bleibe.

Wenn unser Herz nicht völlig taub ist und unser Geist nicht völlig stumpf, dann merken, spüren, ahnen und verstehen und erkennen wir:

Jesus hat die Wahrheit gesagt:

Gott schenkt ewiges Leben – kein Wegwerf – Leben.

Deshalb kann es auch gar nicht anders sein, als so, wie wir es bekennen:
Jesus lebt. Er ist auferstanden. Gelobt sei Gott. Halleluja.

Die Auferstehung und die wundersamen Geschichten, wie er seinen Jüngern erscheint, die Erzählung vom leeren Grab – alles das ist nicht der Grund, für den Glauben, dass Jesus lebt:

Diese Geschichten drücken aus, was gar nicht anders denkbar ist:
Jesus lebt! Gott sei gelobt!

Ich glaube nicht an das leere Grab, und auch nicht weil es leer war;
ich glaube auch nicht weil oder daran, dass Jesus nach seinem Tod einen Fisch vor den Augen der Jünger gegessen hätte.

Ich glaube an Jesus und an die Wahrheit, für die er Zeugnis abgelegt hat.

Und diese Wahrheit ist:
Gott ist das Leben und das Leben ist stärker als der Tod.
Könnte es sonst überhaupt Leben geben? Warum sollte etwas am Leben sein, wenn der Tod stärker wäre als das Leben?

Nun also leben wir und mit uns die Hasen und die Katzen und die Tulpen und die Narzissen und das überaus bewundernswerte Gänseblümchen.
Gelobt sei das Leben, Gelobt sei Gott, von dem das Leben kommt.

Liebe Schwestern und Brüder,
Jesus hat Gott verherrlicht in dieser Welt: Er hat Gott über alles gestellt. Er hat das Leben über alles gestellt.
Gerade durch sein Leiden und Sterben hat er verkündet, dass Gott das Leben ist und dass das Leben stärker ist als der Tod.

Und, liebe Schwestern und Brüder,
heute treten wir in die Fußstapfen Jesu und stellen Gott, stellen das Leben über alles. Durch uns soll Gott verherrlicht werden in dieser Welt.

Durch die Nächstenliebe, die Feindesliebe, die Gottesliebe und den Glauben an seine Liebe, die Leben schenkt, verherrlichen wir Gott und sorgen dafür, dass sein Name groß wird unter den Menschen.

Wir verherrlichen Gott, wenn wir dem Mitmenschen etwas Gutes tun.
Wir verherrlichen Gott, wenn wir den Feind nicht töten, sondern ihn zum Freund machen.
Wir verherrlichen Gott, wenn wir ‑ so wie Jesus ‑ auch in der Krankheit, in der Enttäuschung, in der Angst beten: Vater, ich will deinen Willen tun; ich glaube an die Liebe, an deine Liebe zu mir und zu meinem Mitmenschen.

Gelobt sei Gott, Gepriesen und Verherrlicht auf der ganzen Erde!
Gelobt sei Jesus, den er gesandt hat, um uns aus den Fängen des Todes zu retten. Amen.

FÜRBITTEN

Lektorin: Wir sind voller Dankbarkeit, dass wir an Jesus und seine Auferstehung in Gottes Herrlichkeit glauben dürfen. Wir denken an die Menschen und ihre vielen Nöte und beten:

  • Für die christlichen Kirchen in Deutschland und in ganz Europa:
    Dass sie selbst die Hoffnung auf das Leben bewahren und diese Hoffnung unter den Menschen verbreiten.
  • Für die Erneuerung unserer Kirche in Deutschland: dass wir uns immer wieder auf den Kern unseres Glaubens besinnen und besonders den Ärmsten mit Liebe begegnen.
  • Für die Menschen im Krieg: dass sie die tödliche Gewalt beenden und dass möglichst viele Menschen überleben.
  • Für die Frauen und Kinder und Männer, die von Hunger bedroht sind: dass sie erhalten, was sie zum Leben brauchen, weil wir mit ihnen teilen.
  • Für die Menschen, die in der österlichen Zeit getauft werden, für die Erstkommunionkinder und für die jungen Leute, die sich auf die Firmung vorbereiten: dass der Glaube an Gottes Liebe sie in ihrem Leben leitet.
  • Für unsere Gemeinde, dass wir Wege finden, wie wir froh unseren Glauben gemeinsam Ausdruck geben und dass sich uns wieder mehr Menschen anschließen.

Pr.: Gott, wir loben und preisen dich. Alle Tage verkünde unser Leben dein Lob durch Christus, unseren Bruder und Herrn. Amen.

15.04.2022: Karfreitag

Liebe Schwestern und Brüder,
es ist der Freitag des Leidens Jesu und der Trauer um ihn, den König seines Volkes, der gekommen ist, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen.

Für welche Wahrheit?

Jedenfalls nicht das, was menschenverachtende Herrscher als Wahrheit ansehen: dass sie ihre Macht immer weiter vergrößern müssen,
und dass deshalb alle Menschen, die sie als Hindernis betrachten, verfolgt, verleumdet, eingesperrt und auch getötet werden.

Auch nicht das, was viele Menschen als Wahrheit ansehen: dass sie möglichst viel aus dem Leben in der Welt herausholen: Reichtum und Luxus ohne Grenzen. Sie sehen den Mitmenschen als Konkurrenten, mit dem sie darum kämpfen, wer mehr für sich herausholen kann.
Das ist die Welt der Kapitalisten.

Auch die Lethargie der vielen Menschen, die es nicht zu Macht und Reichtum bringen ist nicht die Wahrheit Jesu: Sie sagen, dass, die Mächtigen und Reichen und Rücksichtlosesten am Ende gewinnen und fügen sich diesen Regeln und versuchen einigermaßen zu überleben.

Was ist die Wahrheit, für die Jesus Zeugnis ablegt?

Liebe Schwestern und Brüder, die Antwort ist gar nicht so leicht.
Das Johannesevangelium spricht zwar immer wieder von der Wahrheit:
Sie kommt durch Jesus und sie führt zum Licht. Gott will in der Wahrheit angebetet werden. Jesus ist sogar die Wahrheit und er betet für seine Jünger um den Geist der Wahrheit.

Schwer oder kaum zu finden ist aber eine Erklärung, dass Jesus sagen würde: Die Wahrheit ist …..

Im Johannesevangelium habe ich dazu zwei Grundaussagen gefunden:

Jesus ist vom Vater gesandt, um ihn zu verherrlichen. Er und der Vater sind eins.

Und zweitens: Jesus ist von seinem Vater geliebt und liebt den Vater und tut allein das, was sein Vater ihm aufträgt. Deshalb gibt er sein Leben hin, wie ein guter Hirt, der für seine Schafe kämpft und wie ein Weizenkorn, das vergeht, um reiche Frucht zubringen. Jesus tut alles aus Liebe zu seinem Vater und weil er von seinem Vater geliebt wird.

Jesus liebt seine Jünger, wie der Vater ihn liebt und die Jünger sollen den Vater und einander in gleicher Weise lieben.

Liebe Schwestern und Brüder,
ich versuche das Ganze für mich zusammenzufassen:

Die Wahrheit Jesu ist, dass er von seinem Vater geliebt wird und dass der Vater durch ihn allen, die ihm glauben, seine Liebe und sein Leben schenkt. Aus dieser Liebe findet Jesus die Kraft, den Mächten dieser Welt zu widerstehen und aus Liebe sein Leben hinzugeben.

Liebe Schwestern und Brüder, was bedeutet das konkret?

Ist das noch eine Frage?

Liebe ist doch konkret, oder?
Liebe heißt: Du bist mir so wichtig, wie ich selbst mir bin und wie du und ich Gott wichtig sind.
Liebe heißt, ich tu alles für dich.
Und göttliche Liebe heißt: Ich schließe niemanden davon aus.

Wir erleben, wie grausam die Welt wird, wenn der Glaube an diese Wahrheit erlischt. Dann geht es nur noch darum, wer mit größerer Gewalt den Mitmenschen als Feind hasst und tötet und bezwingt.
Das ist die teuflische Wahrheit, auf die wir nicht hereinfallen sollen.
Denn diese Wahrheit bringt Tod und Verderben. – Auch wenn Sie uns jetzt als Rettung angepriesen wird.

Die Wahrheit Jesu ist, dass die Welt durch die Liebe lebt und am Leben bleibt. Dafür lohnt es sich zu leben und sogar zu sterben
– aber nicht zu töten.

10.04.2022: Palmsonntag

Einführung zur Prozession: Liebe Schwestern und Brüder! Liebe Kinder!
ich bin sehr froh: Wir beginnen die Feier der Heiligen Woche und ich freue mich darauf. Der Sonntag vor Ostern ist dem Leiden und Sterben Jesu gewidmet. Jesus geht nach Jerusalem, weil sich dort sein Schicksal erfüllen wird. Er wird in Jerusalem zunächst wie ein Volksheld empfangen und König genannt.
Das ist der Anfang seines Leidensweges in Jerusalem.

In den Tagen danach lehrt Jesus im Tempel. Die führenden Männer ärgerten sich immer mehr über ihn. Jesus brachte sie immer mehr gegen sich auf – ohne dass er aber einen eindeutigen Grund lieferte, um ihm etwas anhaben zu können.

Deshalb beginnen wir am Palmsonntag die Messe vom Leiden des Herrn ebenfalls mit der Erinnerung an seinen Einzug in die Stadt Jerusalem. Heute ziehen wir mit ihm in seine Stadt – nach Jerusalem. Und wie die Jünger damals haben wir Zweige in den Händen und empfangen ihn mit Jubel und Lobliedern auf Gott.

Ansprache nach dem Evangelium vom Einzug:
Im Himmel Friede und Ehre in der Höhe! Rufen die Jünger als Jesus in die Stadt reitet – auf dem als königlich geltenden Reittier, nämlich einem Eselsfohlen.

Jesus erfüllt Gottes Wille. Er steht für Gott ein: kompromisslos. Er entlarvt, die Mächtigen, die sich als Anwälte des Guten darstellen und in Wirklichkeit nur ihren Vorteil im Blick haben.

Im Himmel Gottes ist Friede, weil Jesus wahrhaftig Gott ehrt.
Im Himmel ist Friede, weil Jesus die Kleinen und Verachteten sammelt:
Der armen Witwe, den Kranken, auch denen, die als Sünder abgestempelt werden – ihnen zuerst und vor allem zeigt Jesus, dass sie wertvolle und wichtige und von Gott geliebte Menschen sind.

Im Himmel ist Friede, wenn Gottes Wille geschieht und die Menschen das Brot teilen, sich gegenseitig Schuld vergeben und der Versuchung durch das Böse widerstehen.

Jesus hat uns eingesammelt: uns bedürftige Menschen, denen es an Liebe fehlt, die Angst haben und Sorgen. Er sieht unsere Sehnsucht nach Frieden und nach dem Heil. Wir sind seine Jünger und begleiten ihn auf seinem Weg – bis hin zu seiner Erhöhung am Kreuz.

Ansprache nach der Leidensgeschichte:
„Betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet“ – so mahnt Jesus seine Jünger.

Was meint Jesus eigentlich mit „Versuchung?“

Auf die Jünger Jesu bezogen: Sie könnten wohl versucht sein, nicht mehr zu glauben, was Jesus verkündete und lebte:
Dass Gott die Menschen liebt – auch wenn sie nicht vollkommen sind: weder im gut sein, noch in der Kraft, noch in der Liebe, noch im gesund sein.

Sünde, Krankheit, Bedürftigkeit, das Sterben – gehören zum Menschsein!

Auf eines aber dürfen sie sich verlassen: Gottes Kraft und Liebe und Energie ist in uns Menschen –
und nichts kann uns davon trennen.

Beten wir und vergessen wir nicht zu beten, werden wir nicht müde zu beten, damit wir nicht in Versuchung geraten, zu vergessen, dass Gottes Kraft und Leben und Geist in uns und in jedem Menschen ist.

04.04.2022: 5. Sonntag der Fastenzeit

Liebe Schwestern und Brüder,
dass Frauen immer noch weniger Lohn als Männer bekommen für die gleiche Arbeit, empfinden wir als ungerecht.
Wir sollen und wollen gerecht handeln und sein.

Ist Gerechtigkeit eine Eigenschaft, die man erwirbt oder auch verlieren kann?

Der Apostel Paulus bringt einen ganz anderen Gedanken ins Spiel:
„Nicht meine Gerechtigkeit will ich erreichen, die aus dem Gesetz hervorgeht.“ sagt er.
wir dürfen das nicht falsch verstehen: Paulus ist der letzte, der dazu aufrufen würde, gegen das Gesetz zu handeln. Er macht aber darauf aufmerksam, dass es für Menschen unmöglich ist immer und absolut gerecht zu handeln. Daran scheitern wir – zwangsläufig.

Stattdessen strebt Paulus nach der Gerechtigkeit, die Gott schenkt.

Gott schenkt uns den Status eines Gerechten. Er übersieht nicht unsere Ungerechtigkeit – aber er verurteilt uns nicht dafür. Aus seiner Zuneigung zu uns heraus, gibt er uns die Belohnung eines Gerechten.

Das ist doch auch die Quintessenz in dieser Begebenheit mit der Ehebrecherin: Sie hat sich schuldig gemacht. Sie hat gegen das Gesetz verstoßen. Sie ist eine Sünderin. Ihr Handeln ist Unrecht, ungerecht.

Jesus stellt das nicht in Frage. Aber er stellt eine entscheidende Frage:
Ist jemand da, der von sich sagen könnte, er wäre anders?

Deshalb ist es wichtiger, dass ich daran glaube, dass Gott mich gerecht macht – trotz meiner Ungerechtigkeit. Dann werde ich nicht mehr urteilen und andere verurteilen. Ich werde an ihrer Seite stehen und daran glauben, dass Gott uns als gerecht gelten lässt. Den anderen und mich.

Das MISEREOR Motto „Es geht. Gerecht!“ ruft uns dazu auf, dass wir dieser zuvorkommenden Gerechtigkeit Gottes antworten.

Glauben wir daran, dass es auf der Welt gerecht geht.
Glauben wir daran, dass der Mensch gerecht sein kann wie Gott selbst.

Es geht, dass der Mensch daran denkt und überlegt:

Gerecht ist nicht, wenn ich meinen Vorteil gegenüber anderen nutze.
Gerecht ist, wenn ich darauf verzichte.

Gerecht ist, wenn wir in Deutschland weniger Treibhausgase produzieren, weil es allen Menschen hilft.

Es ist nicht gerecht, wenn wir darauf bestehen, was wir uns verdient haben. Gerecht ist, wenn wir Umstände herstellen, dass auch andere sich etwas verdienen können.

Bei all dem geht es aber wieder nicht darum, dass wir uns gegenseitig auf die Schultern klopfen und sagen: wir sind so gerecht. Denn wir sind es nie ganz.

Es geht nicht darum ein Gesetz zu befolgen. Es geht darum, dass wir Gott nachahmen und seine Gerechtigkeit, die zuteilt, ohne dass ein Verdienst vorliegt.

MISEREOR handelt aus diesem Glauben:
MISEREOR unterstützt deshalb so viele Initiativen, in denen Menschen ihre Lebenssituation analysieren und dann Projekt entwickeln, um ihre Situation zu verbessern

MISEREOR setzt sich auch sehr dafür ein, dass wir ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie wir unser Handeln verändern können und etwas dazu beitragen, dass die Erde auch im Süden bewohnbar bleibt.

Liebe Schwestern und Brüder.
Jesus hat dieser Frau gezeigt: Es geht, dass du daran glaubst, dass Gott dich gerecht macht. Es geht gerecht. Auch du kannst daran glauben, dass gerecht sein für dich geht.

Diesen Glauben möchte ich in uns bestärken.
Nicht, dass wir immer und in allem gerecht wären.
Aber wir können jederzeit gerecht sein. Wir können die Ungerechtigkeit beenden – weil Gott uns die Möglichkeit dazu gibt und nie damit aufhört. Es ist wirklich eine Glaubensfrage: Glaube ich daran, dass gerecht geht;
dass Gottes Gerechtigkeit geht. Wenn ich daran glaube, werde ich auch selbst so handeln und merken: Gerecht. Das geht.

27.03.2022: 4. Fastensonntag

Ansprache: Ich selbst mag das Gleichnis vom barmherzigen Vater und seinen beiden verlorenen Söhnen sehr gern und halte es für eines der wichtigsten Lehrstücke Jesu. Ich weiß aber, dass es auch kritische Fragen gibt:

Ist der barmherzig genannte Vater wirklich so ideal?

Das ist die Frage des älteren Sohnes in der Geschichte: Er fühlt sich ungerecht behandelt und macht dem Vater den Vorwurf: „Mir hast niemals auch nur einen Ziegenbock geschenkt – obwohl ich mich immer an alles gehalten habe, was du wolltest“.

Ohne Zweifel liegt in dem Verhalten des Vaters eine Provokation.
Diese überschwängliche Reaktion, als der jüngere Sohn zurückkehrt, der auf schäbige Weise sein Erbe verschleudert hat, ist ein Ärgernis.

Wahrscheinlich fällt es vielen nicht schwer, Beispiele im eigenen Erfahrungsbereich zu suchen, wo man sich ebenso empören würde.

Die überschwängliche Freude ist ja nicht das einzige:
kein mahnendes Wort, nicht einmal ein Wort der Verzeihung – im Gegenteil: Er wird sofort wieder mit allen Zeichen in die Sohnschaft eingesetzt.

Aber ich möchte alle, besonders die unter uns, die sich mit dem älteren Sohn identifizieren, bitten, den folgenden Gedankenweg mitzugehen:

Denken wir zuerst an den Ausgangspunkt, warum Jesus diese Gleichnisgeschichte erzählt:

Zöllner und Sünder kommen zu Jesus. Sie wollen ihn hören.
Und Jesus scheint sogar mit ihnen zu essen: das heißt: er macht sich mit ihnen gemein. Er hält keine Distanz. Dabei wird man im jüdischen Denken selbst unrein, wenn man mit Sündern zusammen isst.

„Sage mir, ….“

Untergräbt Jesus damit nicht die Bemühungen der Pharisäer: sie befolgen erstens selbst alle Gebote gewissenhaft und vor allem: sie lehren auch das Volk. Sie setzen Kraft und Mühe und Überzeugungskunst ein, damit das Volk die Gebote achtet und hält.

Arbeitet er dem Bemühen der Schriftgelehrten entgegen?

Jesus will den Pharisäern sein Verhalten erklären – so wie in der Geschichte der Vater zu dem älteren Sohn hinausgeht und versucht, ihn zurückzugewinnen.

Was er erklären möchte ist seine Lehre: „Im Himmel herrscht mehr Freude über einen Sünder, der umkehrt als über 99 Gerechte, die die Umkehr nicht nötig haben.“ Diesen Satz hat die Leseordnung leider weggeschnitten.

In erster Linie geht es also nicht um eine Anweisung zum Verhalten von Vätern mit ungehorsamen Söhnen. In erster Linie geht es um Himmlisches, um Göttliches.

Man muss also nicht überlegen, ob der Vater das Erbe des älteren Sohnes nochmal schmälert. Das Heil, das Glück des Himmels ist unendlich – es ist unerschöpflich. Wer im Himmel ist, ist ganz im Himmel und das gilt für jeden und alle.

Und deshalb ist es im Himmel ein Fest, wenn einer, der Gott den Rücken gekehrt hatte, sich Gott zuwendet. Wenn einer der der Selbstsucht, dem Stolz, der Habsucht, der Machtgier nachlief, wenn so ein Mensch tatsächlich merkt: Ich bin auf dem falschen Weg. Dieser Weg führt mich in den Abgrund, da bleibt nichts übrig. Dann ist einer gewonnen für das Leben, für das Glück des Himmels. Er ist dem Tod von der Schippe gesprungen. Das ist doch wirklich ein Fest für Gott, der doch allen Geschöpfen sein Heil schenken will.

Weil das so ist, gibt sich der Vater auch mit dem älteren Sohn so viel Mühe. Er geht ihm genauso entgegen und wird sich genauso sehr freuen, wenn der das Fest mitfeiert und die Freude des Vaters teilen kann. Wenn er sich freut, dass er seinen Bruder wiedergewonnen hat.

Ich bin froh, dass mich der Vater immer wieder aufnimmt. Ich bin froh, dass er mich nicht ins Katzenhaus schickt, sondern mir seine ganze Fülle und sein ganzes Glück schenkt. Denn verdienen täte ich es nie.

06.03.2022: 1. Fastensonntag

Einführung: Liebe Schwestern und Brüder!
„Nie wieder Krieg!“ steht an der Fassade des Stadttheaters am Bismarck­platz. Dieser Ruf stammt aus der Zeit nach dem Schrecken des 2. Weltkrie­ges. Doch es verging seit 1945 kein Jahr ohne Krieg in dieser Welt.

Jetzt schauen wir gebannt in die Ukraine. Was dort geschieht, macht uns Angst: dass wir mit der NATO in einen Krieg geraten könnten. Wir haben Angst vor der atomaren Bedrohung.

Mit unseren Ängsten und Befürchtungen und Hoffnungen sind wir zur Danksagung versammelt. Sagen wir Dank, dass wir bis auf den heutigen Tag von Kriegshandlungen verschont sind. Beten wir für die Menschen in der Ukraine, in den Nachbarstaaten – auch in Russland.

Beten wir, dass die Regierenden auf jeder Seite des Konfliktes vor allem daran denken, dass sie Verantwortung tragen für das Wohl der Menschen in ihren Ländern und auch in ihren Nachbarländern.

Beten wir, dass diese wichtigen Personen wieder auf Gott hören – statt gegen seinen Willen Gewalt über die Menschen zu bringen.

Jesus, du hast Sündern vergeben. – Du hast Gottes Herrschaft begründet. – Du hast uns den Frieden mit Gott gebracht, damit wir Frieden halten.

Ansprache: Liebe Schwestern und Brüder,
Das Lukasevangelium erzählt von 40 Tagen, die Jesus in der Wüste gefastet hat und von den Versuchungen, die ihn gequält haben: die Angst um sich selbst; die Anbetung der Macht und die Verachtung der Vernunft.

Wie bei der wunderbaren Geburtsgeschichte Jesu schildert Lukas auch hier Ereignisse – Er will vielmehr auch hier etwas über Jesus sagen: Bei der Geburtsgeschichte: Jesus ist der Retter der Armen und Kleinen.
Hier in der Versuchungsgeschichte: Jesus ist ein Mensch, wie jeder von uns, mit denselben Versuchungen.

Er konnte ihnen wiederstehen, weil er die Liebe zu Gott und zu den Menschen über alles stellte.

Jesus ist der Mensch, der an der Liebe Gottes festhielt und an ihn glaubte!

Deshalb ist Jesus für uns wie ein Stern: er macht Mut, dass es Menschen möglich ist, den Versuchungen der Selbstsucht, der Machtgier und der Überheblichkeit zu widerstehen. Wir können das. Wir können diesen Kampf gewinnen!

Liebe Schwestern und Brüder,
diese Zuversicht ist gefährdet: durch all das Böse, das wir in der Welt sehen. Der Überfall auf die Ukraine, der Terror des „Islamischen Staates“, der Krieg in Mali und in Äthiopien und in Syrien, der Unwille der Kirchenleitung, die innerkirchliche Macht zu teilen und das Wirken des Heiligen Geistes im Volk Gottes anzuerkennen, die vielen bösen Taten im Zusammenleben der Menschen.

Es gibt viele Gründe, über das Böse zu erschrecken. Das ist die große Versuchung, die Zuversicht, den Glauben an die Macht des Guten zu verlieren.

Doch das dürfen wir nicht zulassen.

Gerade angesichts des Bösen müssen wir auf Jesus Christus schauen, der der Versuchung widerstanden hat. Weder ist er ängstlich zurückgewichen – noch hat er sich unterworfen.

Er hat den Selbstsüchtigen, den Überheblichen und Machthungrigen widerstanden und ihren Zorn damit auf sich gezogen.

Er selbst aber handelte nicht selbstsüchtig sondern barmherzig;
er war nicht überheblich sondern demütig;
er war nicht machhungrig sondern diente.

Das ist der Weg, den er uns gezeigt hat – damit wir ihm folgen!

Liebe Schwestern und Brüder,
darum ist es nicht genug, wenn wir die Handlungen der Kriegstreiber verurteilen und uns darüber erregen.
Es ist nicht genug, wenn wir überlegen, wie wir den Angreifer stoppen und ihm Schaden zufügen können – in der Hoffnung, dass er dann einlenken wird.

Es ist notwendig, dass wir uns nicht der gleichen Logik unterwerfen.
Es ist notwendig, dass wir auf Frieden aus sind und auf Versöhnung.
Dazu ist es auch notwendig, dass die Länder der Nato und des Westens nachdenken, ob sie und was sie beigetragen haben, dass es zum Krieg kam.

Es ist notwendig, dass wir darüber reden, wie nach diesem Schrecken und Greuel eine neue stabilere Beziehung zwischen den Staaten entstehen kann, die noch besser als in den vergangenen Jahrzehnten verhindert, dass ein Land ein anderes mit Krieg überzieht.

Wir haben in Europa und in der Welt schon viel gelernt,
wie Krieg vermieden und Frieden geschaffen werden kann.

Diesen Weg sollen wir weitergehen.

Liebe Schwestern und Brüder,
Lukas schreibt, der Teufel habe eine Zeitlang von Jesus abgelassen – und unterstellt, dass die Versuchungen Jesus immer wieder quälten.
Das Übel des Krieges haben wir jetzt schon so viele Jahrzehnte von uns abhalten können. Es ist klar, dass die Versuchung zurückkehrt. Doch wir sollten ihr auch künftig nicht erliegen.

Die österliche Bußzeit ist eine gute Gelegenheit, das zu üben. Amen.