4. September 2016: 23. Sonntag im Jahreskreis

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Liebe Schwestern und Brüder,
Das Buch der Weisheit wurde im letzten Jahrhundert vor der Geburt Christi verfasst – es ist also eine der jüngsten Schriften der Bibel der Juden. Vielleicht ist es ein Werk, um jüdischen Jugendlichen jüdisches Denken in einer heidnischen Umwelt zu lehren.

Die Weisheit wird auf das höchste gepriesen – sie geht von Gott aus und ist bei Gott und bleibt immer bei Gott.

Welchen Nutzen hat die Weisheit für den Menschen?
Durch sie erkennt der Mensch Gottes Plan und er begreift Gottes Willen.

Von sich aus ist der Mensch dazu nicht in der Lage – der Mensch hat ja Mühe, zu verstehen, was auf der Welt vorgeht – und oft genug irrt er sich, er macht Fehler und trifft falsche Entscheidungen.

Die Seele des Menschen – ohne das göttliche Geschenk der Weisheit – ist sie erdenschwer: der Mensch muss sich dauernd um seine Existenz sorgen.

Doch die Weisheit, die göttliche, lässt uns Menschen Gottes Plan erkennen und tun: Wer im Buch der Weisheit weiterliest, erfährt zahlreiche Beispiele, vom Plan Gottes, die alle deutlich machen:
Die Weisheit Gottes überlässt den Menschen nicht dem Tod und Untergang, den er sich selbst dauernd zufügt. Die Weisheit Gottes rettet den Menschen und das Volk Israel.
Der Plan Gottes ist, dass der Mensch lebt und nicht, dass er untergeht.

Wir haben den Satz gehört: So wurden die Pfade der Erdenbewohner gerade gemacht – durch die Weisheit sind sie gerettet.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
jetzt ist er nur noch ein kleiner Schritt, dass wir erkennen, was unsere Aufgabe ist: Wir sollen einstimmen in den Plan Gottes, der die Menschen retten will. Und wir sollen um die Weisheit Gottes beten, um seinen Heiligen Geist, damit wir erkennen, wie wir dem Plan Gottes, das Leben der Schöpfung und des Menschen dienen können.

Christus, so haben wir erkannt, war erfüllt vom Geist Gottes, in ihm ist die göttliche Weisheit Mensch geworden.
Christus ist gekommen, daran glauben wir, um uns zu befreien von Angst und Sünde; er hat uns mit seinem Vater versöhnt.

Mit diesem Vertrauen in Christus will ich noch die Sätze des Lukasevan­geliums betrachten: Sie klingen vielleicht verstörend: Wer zu mir kommt, sagt Jesus, muss Vater Mutter, Frau und Kinder gering achten – wörtlich: hassen. Sonst kann er nicht mein Jünger sein.

Hat Jesus nicht gesagt, wir sollen nicht nur Vater und Mutter, sondern auch unsere Feinde lieben?
Ebenso verstörend sie die beiden Gleichnisse vom Turmbau und vom Krieg gegen ein stärkeres Heer.
Das alles gipfelt in dem Satz: Keiner kann mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet.

Das Evangelium fordert nicht dazu auf, den Angehörigen Schaden zuzufügen, sie zu verachten und sich von ihnen abzuwenden.

Jesus ist auch nicht dafür bekannt, dass er sich am Eigentum seiner Anhänger bereichert hätte.

Was aber das Evangelium sagt und meint:

Überlege dir, was es bedeutet Jünger Jesu zu sein.
Zu Christus gehören heißt für das Reich Gottes leben.

Man kann nicht Reichtümer für sich anhäufen, wenn es darum geht, dem Leben in der Schöpfung zu dienen.
Wer an Christus glaubt, dem geht es um Gottes Reich, um Gottes Gerechtigkeit: um den Mitmenschen, um den Armen, der genauso viel wert ist wie der Reiche, um Kinder und Waisen, die genauso Geborgenheit erfahren sollen wie Erwachsene und abgesicherte Menschen.

Wer sich Christus anschließen möchte, muss sich vorher überlegen, dass diese Entscheidung sein ganzes Leben unter ein neues Vorzeichen stellt.

Es gibt nichts größeres, als dem Plan Gottes, dem Leben der Schöpfung und der Menschen zu dienen. Das muss man sich immer wieder klar machen.

31. Juli 2016: 18. Sonntag im Jahreskreis

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Liebe Schwestern und Brüder,
Windhauch ist das Lieblingswort von Kohelet einem Weisheitslehrer im 3. Jahrhundert vor Christus.

Windhauch: Ein Windhauch bewirkt nicht viel und er hinterlässt keine Spuren. Etwas Unbedeutenderes als ein Windhauch gibt es fast nicht.

Unbedeutend ist für Kohelet, wenn einer seinen Besitz einem anderen hinterlassen muss.
Unbedeutend, Windhauch ist für Kohelet, die Sorge und der Ärger und die Unruhe eines Menschen, der sich mit aller Kraft des Geistes und des Körpers bemüht, sein Wissen und seinen Besitz zu mehren.

Am Ende ist es Windhauch – als ob es nicht gewesen wäre. Egal. Gleichgültig. Unbedeutend.

Weit entfernt von dieser Geisteshaltung war der Mann, der Jesus zu Jesus kam und ihn bat: „Sag meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen.“

Liebe Schwestern und Brüder,
wieviel Sorgen und Mühen wenden wir selbst auf für das „Irdische?“
Wie stark beschäftigen uns die Gedanken an Geld und Besitz, an Komfort, an unsere materiellen Wünsche?

Wenn Besitz und Eigentum und die Lebenserfahrung am Ende Windhauch sind – was ist es dann wert, sich dafür einzusetzen und seine Kraft und seinen Geist dafür zu verwenden? ‑ Was lohnt die Sorge und die Mühe?

Der Brief an die Kolosser setzt sich damit auseinander und auch Jesus in seiner Geschichte von dem reichen Mann und seiner tollen Ernte.

Der Kolosserbrief markiert einen schroffen Gegensatz: Tötet die irdischen Begierden, die euch die Freiheit des Willens rauben und bereit machen, anderen Schaden zuzufügen.
Richtet euren Sinn auf das Himmlische!

Damit ist der Kolosserbrief ganz nahe der Aussage im Lukasevangelium:
Es kommt darauf an, vor Gott reich zu sein.

Liebe Schwestern und Brüder, wir unterscheiden das Irdische und das Himmlische und machen uns dadurch bewusst:
unsere Zukunft ist nicht auf der Erde, sondern im Himmel – unsere Zukunft ist das Leben in und bei Gott.

Wann aber, sind wir vor Gott reich?

Es ist ganz im Sinne Jesu und des Lukasevangeliums, wenn wir sagen:
reich sind wir vor Gott, wenn wir mit anderen teilen, wenn wir dem helfen, der in Not ist, wenn wir Frieden schließen und uns versöhnen statt gegeneinander zu kämpfen. So sammeln wir Schätze im Himmelreich.

Dieser Zusammenhang ist für uns, die wir an Jesus glauben, grundlegend.
Doch wir würden dies verfälschen, wenn wir meinen würden, wir könnten uns durch Spenden und freiwillige Hilfe im Himmel einkaufen, wie bei einer Aktiengesellschaft.

Damit wir diesem Irrtum nicht verfallen, erinnere ich an die Gedanken vom letzten Sonntag: Gott schenkt uns das, was uns reich macht. Er schenkt sich uns selbst: Er schenkt uns den Heiligen Geist, durch den er in uns wirkt.

Gott macht uns reich durch seinen Geist – wenn wir teilen, Versöhnung bringen, Verfolgten Zuflucht gewähren, Hungernden zu essen geben und Kranke und Gefangene besuchen – wenn wir als barmherzig sind –

dann wirkt in uns der Heilige Geist, der Geist Gottes.

Es kommt darauf an, dass wir den Geist Gottes fließen lassen,
dass dieser himmlische Schatz in uns und durch uns die guten Werke wirken kann, durch die Gottes Reich in dieser Welt groß wird.

24. Juli 2016: 17. Sonntag im Jahreskreis

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Liebe Schwestern und Brüder,
Der Herr hatte Abraham die Geburt eines Sohnes versprochen. Als die drei Männer sich verabschieden, weihen sie Abraham ein: Aus Sodom und Gomorra ist Klagegeschrei zu hören. Sind die Menschen dort wirklich so böse geworden? Ist das Leben dort wirklich unmöglich geworden?

Abraham weiß, dass sein Neffe Lot in Sodom lebt. Er hofft, dass Lot ein rechtschaffenes Leben führt vor Gott und deshalb fängt er an, mit dem Herrn zu handeln: Wenn nur 10 Gerechte dort leben, wird Sodom ver­schont – so viel kann er durch sein Bitten und Flehen erreichen.

Mir fällt auf, dass das Klagegeschrei aus Sodom zum Herrn dringt. Die Menschen selbst beklagen sich über die schlimmen Zustände und rufen den Herrn an, er möge eingreifen. Er möge dem sündhaften Tun, das ein Zusammenleben unmöglich macht ein Ende bereiten.

Und es fällt mir auf, dass Abraham – wie später auch Mose – bei Gott für die Menschen eintritt und versucht, seinen Zorn zu besänftigen. Das stärkste Argument dafür ist: Da Du Gott doch der Gerechte bist, um deiner Gerechtigkeit willen, um deines Namens willen, verschone die Menschen.

Ist dieses beeindruckende Verhandeln Abrahams mit Gott ein Vorbild für uns? Die Vorstellung, dass Gott die Menschen bestraft und dass wir ihn anflehen müssen und können, um von der Strafe abzulassen, ist uns aus unserer heutigen christlichen Sicht fremd.

Wir flehen Gott an, dass Frieden werde, dass der Hunger ein Ende hat, dass die Kranken gesund werden, dass die Kinder zum Glauben finden …

Unsere Bitten ersehnen die gute, heile Welt.

Doch: haben wir nicht auch Rachegelüste, ohne dass wir sie uns eingestehen: Wer Kindern etwas antut, den sollte man umbringen?
Wer unschuldige Menschen niederschießt, ist kein Mensch mehr.

Kennen wir solche Gedanken, weil wir sie gehört haben oder selber denken? Ist unser Sehnen und Wünschen wirklich so friedlich?

Wir sind verunsichert, worum wir Gott bitten können:
Uns ist klar: Wir können Gott nicht um das bitten, was wir selber tun sollen: Brot für alle, das ist unser Auftrag.
Frieden unter den Menschen: das ist unsere Sache.

Ja, das ist uns aufgetragen und zugleich spüren wir, dass wir, dass kein Mensch es in der Hand hat: Niemand kann völlige Gerechtigkeit und umfassenden Frieden herstellen und sichern.

Und doch sehen wir die vielfältige Not;
wir wünschen dem anderen Glück und Gesundheit,
und auch wenn wir nur begrenzte Möglichkeiten haben, wollen wir und können wir die Solidarität in der Not und die guten Wünsche für andere äußern – damit sie womöglich wirksam werden.

Schwestern und Brüder, wofür können und sollen wir beten?
Diese Not der Jünger Jesu ist erstaunlich modern und zeitgemäß.
Ist es die Antwort Jesu auch?

Vater, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme.

Das ist das erste. Dass Gott groß ist unter den Menschen. Dass sein Reich kommt, seine Herrschaft, damit die Menschen auf ihn hören und Freude haben am Guten und Schönen.

Dann kommt das Zweite: die Bitte um das tägliche Brot, die Vergebung der Schulden und die Freiheit von der Versuchung gegen Gottes Willen und gegen das Wohl des Nächsten zu handeln.

Diese Bitten sind in der Wir Form – und das ist entscheidend:
Wer um Frieden und um das tägliche Brot bittet, tut dies als ein Mitglied der Menschheitsfamilie – solidarisch verbunden mit allen Menschen.
Nicht mein Hunger soll gestillt werden, sondern unser Hunger.
Nicht ich will meinen Frieden haben, sondern wir wollen miteinander in Frieden leben.

Liebe Schwestern und Brüder, Gott wird uns und hat uns schon lange alles gegeben, was er uns geben kann: Seinen Heiligen Geist. Den Geist des Friedens und der Gerechtigkeit. Beten wir um diese Gabe und um all ihre Früchte für die Menschen auf der ganzen Erde.

17. Juli 2016: 16. Sonntag im Jahreskreis

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Liebe Schwestern und Brüder,
Er hatte sein Vaterhaus verlassen, er und sein Frau Sara und sein Neffe Lot, er hat sich verlassen auf eine Verheißung hin:
Ich werde dich zu einem großen Volk machen!
Ich werde dir eigenes Land geben!
Du wirst zum Segen werden!

Abraham ist der Stammvater des Glaubens.

Geheimnisvoll und eigenartig ist die Geschichte aus Genesis, dem ersten Buch der Bibel: „Der Herr erschien dem Abraham“ und dann ist von drei Männern die Rede, die vor dem Zelt Abrahams stehen.
Abraham wartet ihnen auf – nach allen Regeln der Kunst.
Er lässt nichts aus und es ist ihm nichts zu viel: sogar ein Kalb lässt er schlachten und zubereiten. Das entscheidende Wort aber spricht sein Gast: Der Herr verheißt ihm und seiner Frau Sara, den beiden Hochbetagten,  die Geburt eines Sohnes.

Liebe Schwestern und Brüder!
auch die kleine Geschichte und Maria und Marta und Jesus ist eigenartig. Auch da geht es um Gastfreundschaft!
Marta verhält sich wie Abraham: sie nimmt Jesus freundlich bei sich auf und sorgt für ihn – nach allen Regeln der Kunst.

Nun aber ist in dieser Geschichte eine eigenartige Spannung:
Es kommt zu einem kleinen Wortwechsel, denn Marta ist unzufrieden:
Sie blickt neidisch auf ihre Schwester Maria, die Jesus nur zuhört und ihr nicht hilft.

Diese Unzufriedenheit Martas unterscheidet die Szene von der Szene mit Abraham und den drei Männern.

Viele finden es ungerecht, dass Jesus die Mühen und Sorgen Martas abtut und das bloße Zuhören Marias als das Gute bezeichnet.
Es hört sich so an, als ob wieder einmal die Menschen, die anpacken die Dummen sind. Die anderen, die sich von ihnen versorgen lassen, werden dafür auch noch gelobt.

Passt das zu Jesus? – Mitnichten!

Unmittelbar vorher gibt er den barmherzigen Samariter als Vorbild:
weil er für den Überfallenen sorgte, weil er sich die Mühe machte, ihn aufzuheben und auf sein Reittier zu setzen.

Wie können wir die Szene aber sonst verstehen?

Gibt es wirklich keine Alternative als Jesus ins Wort zu fallen und zu sagen:
„Jesus – halt ein. Diesmal täuscht du dich. Denk an deine eigenen Worte:
Marta ist die Gute mit ihrem Fleiß. Sie verdient das Lob.“

Ich gebe es zu:
Auf jeden Fall – wie öfters – bin ich von Jesu Antwort überrascht. Darauf wäre ich nicht gekommen. Doch wenn ich nachdenke:

So ist es doch:
Ich finde in dem vielen Mühen und Sorgen um wichtige Dinge keine Ruhe.
Es fällt mir schwer, davon abzulassen und mich ruhig zu halten.
Es fällt mir schwer, nichts zu tun! –

Und andere, die das schaffen, die zur rechten Zeit Pausen machen,
die einmal das innere, das Hören auf die Stimme des Herzens in den Vordergrund stellen – Über sie ärgere ich mich, weil sie mir vor Augen führen, was mir so schwer fällt und was ich doch tun sollte.

Ich sollte Zeit haben,
um ihn zu hören,
ich sollte Zeiten haben, in denen ich die Geschäftigkeit, die Sorgen und Mühen, ruhen lasse,
ich sollte Zeiten haben, um den Kompass wieder auszurichten.

Dann höre ich die wesentlichen Worte,
die Worte, die meinem Mühen und Sorgen eine Freude geben,
die Worte, die Nahrung sind für meine Seele:

Die Worte von Gott, der Leben schafft, der mich lebendig sein lässt,
der mir Freiheit lässt, damit ich nicht zur Marionette werde,
damit ich nicht innerlich verdurste, da ich mir nicht die Zeit nehme aus der Quelle zu trinken: denn das Wort Gottes ist die Quelle des Lebens.

10. Juli 1016: 15. Sonntag im Jahreskreis

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Liebe Schwestern und Brüder,
Ich finde diese Sätze aus dem Buch Deuteronomium anrührend:

Dieses Gebot, auf das ich dich heute verpflichte,
geht nicht über deine Kraft und ist nicht fern von dir.
Es ist nicht im Himmel, Es ist auch nicht jenseits des Meeres,
Nein, das Wort ist ganz nah bei dir,
es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten.

Das Buch Deuteronomium ist seit dem 6. Jahrhundert vor Christus in der Form überliefert, die wir heute lesen. Es ist das letzte der fünf Bücher Mose und enthält eine Sammlung von Reden des Mose und es endet mit der Nachricht über den Tod des Mose auf dem Berg Nebo in Moab.

Der Titel des Buches heißt übersetzt „2. Gesetz“. Es wiederholt noch einmal die Rechtsvorschriften, die Inhalt des Bundes sind, den Gott mit dem Volk Israel geschlossen hat. Diese Gesetze soll Israel halten – dann wird es Gottes Segen erfahren, dann wir es ihm gut ergehen.

Dieses Gebot geht nicht über deine Kraft! – daraus spricht eine große Empathie: Gott fordert nicht mehr, als sein Volk zu halten vermag.
Das Wort ist in seinem Herzen: Das heißt: das, was Gott dem Volk als Gebote gibt, entspricht der Sehnsucht seines Herzens nach Frieden und Ordnung, nach Gerechtigkeit und Weisheit.

Liebe Schwestern und Brüder,
weise Theologen erinnern bis heute daran, dass Gesetze, Gebote und Verbote, erfüllbar sein müssen. Man kann von niemandem mehr verlangen, als er erfüllen kann. – Scherzhaft gesagt: Ein Fisch kann nicht auf einen Baum klettern und deshalb wäre es Unrecht, das von ihm zu verlangen.

Ist es noch Recht, wenn die Gesetzesvorschriften so umfangreich und differenziert sind, dass selbst Fachleute sie nicht mehr überblicken?
Öffnet diese Überzahl an Gesetzen nicht Tür und Tor dafür, um das eine mit dem anderen außer Kraft zu setzen, so dass die Gerechtigkeit auf der Strecke bleibt?

Das Gesetz Gottes ist im Herzen des Menschen: daraus spricht ein großes Zutrauen in die Kraft des Menschen: der Mensch weiß, was recht ist und er sehnt sich danach.

Paulus nennt Jesus Christus, den Erstgeborenen der Schöpfung (2. Lesung) und das Haupt der Kirche. In Jesus ist kein Unterschied zwischen der Sehnsucht nach Gerechtigkeit und seinem Tun. Er ist die Gerechtigkeit Gottes, weil in ihm Gott handelt und wirkt und aus ihm spricht – wie wir an seinen Taten erkennen können.

Die Frage des Gesetzeslehrers: Welches Gesetz ist das wichtigste? gibt er ihm zurück. Der antwortet prompt: Das wichtigste ist, Gott, den Herr zu lieben und den Nächsten wie sich selbst.
Wer der Nächste ist, erläutert Jesus mit der Geschichte vom barmherzigen Samariter, die uns so vertraut ist. Es kommt darauf an, dass ich mich dem anderen zum Nächsten mache, dass ich mit dem, was ich bin und kann, helfe und heile.

Liebe Schwestern und Brüder,
das Gesetz Gottes ist uns nah, es ist uns ins Herz geschrieben:

Es ist uns ins Herz geschrieben, nach dem zu suchen und uns zu sehnen und ihn zu verherrlichen, Gott, von dem alles Leben ausgeht

Die Liebe zu jedem Lebendigen folgt unmittelbar daraus:
denn Gottes Leben ist in jedem Lebendigen.

Das Gebot Gottes ist in unserem Herzen.
Wir können es halten. So wie Jesus zu dem Gesetzeslehrer sagt:
Geh und handle genauso.

26. Juni 2016: 13. Sonntag im Jahreskreis

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Liebe Schwestern und Brüder
Zweimal ließ Elija Feuer auf einen Hauptmann und seine 50 Leute fallen, so dass es sie verzehrte – das jedenfalls wird im 2 Kön erzählt.
Überhaupt war Elija ein furchteinflößender Mann, der auch nicht zögerte, Baalspriester niedermetzeln zu lassen.

Dennoch ist Elija ein Vorbild für jeden Propheten in Israel – auch für Johannes den Täufer und ebenso für Jesus, den Nazaräer.
Er ist ein Vorbild, weil er seine Stimme erhebt, gegen die Verehrung der Götzen; weil er die Treue Jahwes verkündet und weil er selbst Jahwe treu bleibt – bedingungslos.

Die Könige Israels aber beugten ihre Knie vor den Götzenbildern der Nachbarvölker und dienten ihnen. Sie unterwarfen sich ihnen und deren Gesetzen – und zugleich wandten sie sich so von Jahwe ab – von ihrem Gott, der sie aus Ägypten befreit hatte. Sie brachen den Bund, den Gott mit ihnen geschlossen hatte, damit sie ein freies Volk seien.

Deshalb, Schwestern und Brüder, ist Elija auch zur Zeit Jesu aktuell und er ist es auch heute. Auch heute beugen wir uns vor allen möglichen und scheinbaren Zwängen und opfern ihnen unsere Freiheit.

Die Freiheit behalten wir, wenn wir Gott und sein Reich, wenn wir Frieden und Freiheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit an die erste Stelle setzen als das Ziel unseres Handelns.

Auch Paulus erinnert die Galater: Zur Freiheit hat uns Christus befreit! Paulus spricht vom „Begehren des Fleisches“, das die Freiheit der Kinder Gottes zunichtemacht.
Diese Ausdrucksweise lässt uns an Essen und Trinken denken, an Alkohol und Drogen, an Pornograpie und Ehebruch.

Paulus geht es aber um etwas anderes: Er spricht von der Freiheit der Kinder Gottes, die sich nicht durch die Erfüllung von Gesetzen Gottes Liebe verdienen, sondern die als erstes – so wie Jesus – aus dem Glauben leben, dass sie von Gott geliebt sind – so wie jeder Mensch, der auf dieser Erde lebt.

Liebe Schwestern und Brüder, und dies fordert ein radikales Umdenken.
Nicht Leistung ist entscheidend, dass wir Gott gefallen,
nicht das Geldvermögen gibt Sicherheit,
nicht die Erlebnisse in der Freizeit bringen Erfüllung,
nicht die Karriere verschafft das Ansehen,
nicht der Genuss von diesem oder jenem macht zufrieden.

Nicht das, was wir uns erarbeiten und leisten können ist entscheidend,
sondern, dass Gott uns liebt, dass Gottes Geist in uns ist,
das macht uns wertvoll und bedeutend – darin liegt unsere Zukunft.

Das bedeutet nicht, das alles abzuwerten, was wir in der Welt an schönem und gutem und an wertvollem finden. Doch wir Menschen sollen uns nicht darum streiten wie Kinder, sondern wir sollen es unter uns teilen, es soll unser Bestreben sein, dass jeder Mensch dies alles genießen kann – heute und in Zukunft.

Liebe Schwestern und Brüder, es ist ein Umdenken bis an die Wurzeln unseres Seins.
Denn wir sind ja gewohnt zu denken, wer besser angepasst ist an seine Umgebung ist im Vorteil und überlebt.
Wir sind ja gewohnt zu denken, dass der Stärkere Recht hat.

Wer mit Jesus gehen will, muss deshalb völlig umdenken:
Er muss tatsächlich sich von allem lösen, was ihn hindert Gottes Reich aufzubauen.
Er muss das Streben nach Besitz und Macht und Geltung hinter sich lassen.
Stattdessen muss er das Reich Gottes suchen: den Frieden miteinander, die Gerechtigkeit für den anderen und die Barmherzigkeit mit dem anderen.

Schwestern und Brüder, der Rückfall ins alte Deken lauert jeden Augenblick: Sollen wir Feuer vom Himmel fallen lassen? Sollen wir die Menschen bestrafen, die dich und uns ablehnen? Jesus sagt: NEIN.
Er geht weiter in ein anderes Dorf.

Liebe Schwestern und Brüder, Jesus ist unser Elias und wir sind Elischa.
Er hat uns in das Reich Gottes berufen. Wer will mit ihm gehen?

19. Juni 2016: 12. Sonntag im Jahreskreis

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Liebe Schwestern und Brüder,
Wir haben gerade die Lesung aus dem Buch Sacharja (früher Zacharias) gehört. Sacharja ist ein Teil des sogenannten 12-Prophetenbuches am Ende des Alten Testaments. Auch die Juden haben bekanntlich eine Heilige Schrift, die Bibel. Bei den Juden bildet das 12- Pro-phetenbuch den Abschluss ihrer Hl. Schrift, die sie Tenach nennen. Nach der Niederlage im Krieg gegen die Römer im Jahr 135 n. Chr. wurde dieser Bestand festgelegt und seither nicht mehr verändert.

Aus welcher Zeit stammen die paar Sätze, die wir in der 1. Lesung hörten?
In welcher Situation verkündet Sacharja Gottes Botschaft?

Israel war etwa 475 v. Chr. aus der Gefangenschaft nach Israel, nach Judäa zurückgekehrt. Das Sagen hatten damals die Ptolemäer, die Herrscher in Ägypten waren. Immerzu sind Israel und die Hauptstadt Jerusalem und der Tempel auf dem Zionsberg bedroht von den kriegerischen Angriffen der großen Völker. Und Israel ist selbst immer und dauernd in Gefahr, sich vom Glauben an Jahwe, den einzigen und wahren Gott, abzuwenden und sich anderen Göttern zuzuwenden.

Den so angefochtenen Juden werden diese Sätze gesagt:
„Ich werde über die Bewohner Jerusalems den Geist des Mitleids und des Gebetes ausgießen.“

Den Juden wird also Mut gemacht: Der Herr hat noch etwas im Petto. Er hat Mittel und Wege, damit die Verheißungen wahr werden, die Israel seit Abrahams Tagen und seit Mose gegeben sind:

Der Geist des Mitleids und der Geist des Gebetes:
Das ist die Fähigkeit, die Not des anderen zu sehen und sie zu lindern oder zu wenden. Und der Geist des Gebetes, das ist das Vertrauen in den einzigen Gott, den Schöpfer des Universums. Der Geist des Gebetes, das ist auch die Bereitschaft, auf Gott zu hören und das zu tun, was in seinen Augen recht ist.

Dieser Geist des Mitleids und Gebetes bewirkt, dass die Einwohner Jerusalems auf den schauen, den sie durchbohrt haben und sie werden um ihn weinen wie um den Erstgeborenen.

Wen der Verfasser damit meint? Dieses Rätsel ist nicht mehr aufzulösen.

Entscheidend ist jedoch, dass der Geist das Herz der Menschen bewegt, so dass sie das Unrecht bedauern und auf Gott hören,

Die Totenklage um diesen Durchbohrten ist nicht das Ende.
Vielmehr wird es eine Quelle geben, eine Quelle zur Reinigung von aller Sünde und allen bösen Absichten und Gedanken.

Liebe Schwestern und Brüder,
Wir Christen kennen den einen, der durchbohrt wurde von den Nägeln mit denen er ans Kreuz geschlagen wurde.
Wir entdecken diese Worte und staunen, wie gut sie auf Jesus Christus passen:

Wir glauben daran, dass Gott uns seinen Heiligen Geist geschenkt hat:
den Geist, der uns voll Dankbarkeit und Trauer auf Christus schauen lässt, der auch für uns gestorben ist:
Denn Untreue, Verrat, Spott, Ausgrenzung und Gewalt vergiften  immer noch unser Miteinander – sogar unter Christen.

Diese wenigen Zeilen aus Sacharja wecken in uns Christen also das Mitleid mit Jesus, der auch wegen unserer Bosheit durchbohrt wurde.
Es ist auch für uns nicht hinfällig um ihn zu klagen, denn immer, wenn Menschen ausgegrenzt und abgelehnt werden, immer wenn jemand den anderen verrät und verspottet, wird in ihm Christus durchbohrt.
Es ist zum Weinen.

Am Ende der Sätze wird aber etwas neues zugesagt: Eine Quelle zur Reinigung von Sünde und Unreinheit:

Schwestern und Brüder, im Glauben tauchen wir in diese Quelle ein, wie es in der Taufe symbolisch vollzogen wird. Der Glaube an Christus reinigt uns immer wieder von dem, was an uns unmenschlich und unbarmherzig ist. In der Messfeier dürfen wir immer wieder aus dieser Quelle trinken, die uns reinigt, so dass wir erfüllt werden vom Geist Jesu, vom Glauben daran, dass jeder von uns Gottes geliebtes Kind ist.

5. Juni 2016: 10. Sonntag im Jahreskreis

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Liebe Schwestern und Brüder
Elija war für die Könige Israels ein Schrecken. Er prangerte ihre Freveltaten an, wenn sie Götzen anbeteten und Jahwe untreu wurden. Vor fast 3000 Jahren wirkte Elija im Namen Jahwes in Israel.

Es war eine lange Trockenheit und eine große Hungersnot in der ganzen Gegend. Elija verließ Israel und ging zu einer Witwe im heidnischen Sarepta. Wie durch ein Wunder wurde der Mehltopf nicht leer und der Ölkrug nicht trocken, solange Elija bei ihr war.
In der Lesung hörten wir, wie ihr Sohn erkrankte und starb und wie durch Elijas Gebet das Leben wieder in ihn zurückkehrte.

Entscheidend ist die Reaktion der Frau: „Jetzt weiß ich, dass du ein Mann Gottes bist und dass du das Wort Gottes sprichst“.

Dies stellt die Verbindung her zu jener Episode im Lukasevangelium, die wir danach gehört haben: Die Erweckung des Jüngling von Naim.

„Man trug einen Toten heraus, den einzigen Sohn einer Witwe.“

Liebe Schwestern und Brüder, abgesehen von der Trauer um den Sohn –
diese Frau war auf dem sozialen Abstellgleis: Sie würde betteln müssen; vielleicht als Dirne arbeiten, wenn sie dazu nicht zu alt ist.

Lukas sagt: „Jesus hatte Mitleid mit ihr!“
Halten wir uns nicht damit auf, ob Mitleid haben gut oder schlecht ist.
Jesus hielt sich jedenfalls nicht damit auf die Frau zu bejammern und zu sagen, dass sie ihm wegen ihres Schicksals Leid tut.
Jesus ergriff Initiative. Er hielt den Trauerzug an und gab den „jungen Mann“ lebendig seiner Mutter zurück.

Natürlich liegt uns die Frage auf der Zunge: Ist das wirklich so geschehen?
Hat Jesus wirklich Tote auferweckt: Lazarus, das Töchterlein des Jairus und hier den Sohn einer Witwe, der übrigens wie seine Mutter ohne Namen bleibt.

Oder wird hier im Stil orientalischer Geschichten der Glaube an den Herrn verkündet, an Jesus Christus, in dem Gott sich seines Volkes annimmt.

Heute, am Namenstagsfest unserer Pfarrkirche und unserer Pfarrei, möchte ich das Mitleid Jesu in den Vordergrund stellen. – es sagt viel darüber aus, wie Jesus war und ist: ein mitleidvoller Mensch: Ein Mensch, der aus Mitleid handelte, um Leid zu lindern oder zu beenden.

Jeder, der seine Hände rührt, damit es einem anderen besser geht, hat diesen gleichen Impuls und handelt aus Mitleid.

Überlegen wir: Wen kennen wir, dem es schlecht geht?
Welche Menschen sehen wir leiden?

Was können wir für sie tun?
Wir können sie nicht zum Leben erwecken – aber wir können vieles tun:

Die kleinen Handgriffe im Alltag, die wir füreinander tun.

Das verlässliche Kümmern um einen Menschen,
der alleine nicht zurecht­kommt.

Das Aushalten bei jemand, der gerade nicht zu trösten ist.

Die Spende für Menschen, die in materielle Not geraten sind –
und für Hilfswerke, die dafür arbeiten, dass hilfsbedürftige Menschen sich aus ihrer Abhängigkeit befreien können.

Es ermutigt, wenn nach Katastrophen, wie jetzt, berichtet werden kann, wie viele Menschen freiwillig kommen und helfen.

Unter uns sind so viele Menschen, die ein mitleidvolles Herz haben, die anpacken, ihre Pläne zurückstellen, nur um zu helfen.

Lassen wir uns berühren vom Leid anderer, um es zu lindern oder zu heilen,
dann werden wir Christus ähnlich, der gekommen ist, um uns zu versöhnen und zu befreien. Amen.

26. Mai 2016: Fronleichnam

Hier geht es zu den liturgischen Texten: Schott

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
Melchisedek – heißt auf Deutsch: mein König ist Gerechtigkeit.
Er wird als Priester des höchsten Gottes bezeichnet.
Leider wird in der Leseordnung weggelassen, wie Abraham zu Melchisedek sagte: Ich erhebe meine Hand zum Herrn, dem Höchsten Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde.

Bis dahin war nur die Rede vom „Herrn“, der Abraham von seinem Vaterhaus weggerufen hatte und im neues Land und zahlreiche Nachkommenschaft verheißen hat.

Fast ist es, als ob Abraham durch Melchisedek besser verstehen lernt, wer dieser Herr ist, der ihn gerufen hat: der höchste Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde.

Liebe Schwestern und Brüder,
der Grund, warum die Kirche diese Episode aus dem Leben Abrahams für Fronleichnam auswählt,, liegt auf der Hand: Dass Melchisedek Brot und Wein zu Abraham herausbringt, wird als Hinweis gedeutet auf das, was Jesus Christus tat, der Brot und Wein mit den Frauen und Männern teilte, die zu seinen Jüngern, zu seinen Schülern gehörten.

Diese Worte: Das ist mein Leib für euch! Das ist der Kelch des neuen Bundes in meinem Blut
und diese Geste: das Verzehren eines Stückchens Brot und das trinken eines Schlucks Wein
Diese Handlung war und ist bis heute das Lebenselexier: Quelle und Mittelpunkt des christlichen Lebens.

Die Kraft unserer Liebe, die bereit ist, sich für den anderen aufzuopfern, wird dadurch erneuert;
die Freude über die Freiheit der Kinder Gottes, die befreit sind zur Freundschaft mit Gott und von jeder Unterwerfung unter Gesetze, wird durch diesen Wein belebt.

Alles andere, die Taufe und die Firmung, die Versöhnung mit Gott in der Lossprechung, die Ehe, die Weihe, die Krankensalbung sind bezogen auf dieses Sakrament.

Hier werden wir gestärkt und genährt.

So wertvoll eine Predigt manchmal sein kann,
so sehr einem Musik unter die Haut gehen kann,
so feierlich die Ausstrahlung eines Kirchenraumes sein mag.

Der Grund, warum wir die Messe brauchen ist,
dass wir im Evangelium die Botschaft von Jesus hören
und dass wir von dem Brot essen und von dem Kelch trinken.
Das ist das Eigentliche, das Besondere, das Bedeutende.

Die sympathische Wirkung der Leute in den Bänken, die Schönheit der Musik oder des Raumes oder die Ausstrahlung des Priesters können eine Hilfe oder auch ein Hindernis sein.

In Wahrheit aber geht es darum, dass wir Gäste sind und Gott selbst uns an seinen Tisch lädt, um uns zu stärken für ein Leben aus der Liebe.
Ein Leben, das auch schwierige Zeiten und Phasen durchsteht und bewältigt.

Liebe Schwestern und Brüder, angesichts der Beobachtung, dass über 90 % der Christen nicht die Messe feiern, könnte man sagen, sie sei offenbar doch nicht so wichtig. Diese Menschen sind ja nach wie vor Christen.

Sind sie es? Orientieren sie sich in ihrem Verhalten an Jesus Christus?
Stellen sie das eigene Wohl zugunsten anderer Menschen zurück?
Ist ihr Leben darauf ausgerichtet, dem Reich Gottes zu dienen?
Sind sie frei von den Zwängen, von den Erwartungen, von den Gesetzen, die das Leben einengen und die so viel Stress und Hektik erzeugen?

Ertränken sie nicht die tiefere Sehnsucht nach Sinn im Rausch der vielen Events, Feste, Luxusartikel und was die Wirtschaft sonst noch als glücksstiftend anpreist?

Wenn wir zur Messe kommen und Gäste sind am Tisch des Herrn, von ihm Brot und Wein empfangen, dann bleiben wir Menschen, die ihre Hände zum Höchsten Gott erheben, zum Schöpfer des Himmels und der Erde.

15. Mai 2016: Pfingsten

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Liebe Schwestern und Brüder!
Was treibt Menschen dazu, einen Kutter zu kaufen und umzubauen und es als Rettungsschiff für Flüchtlinge in Seenot einzusetzen?

Was treibt Ärzte dazu, aus einer gesicherten Praxis in Europa wegzugehen und sich Monate in Afrika um Kranke zu kümmern und auf Einkommen zu verzichten?

Was treibt Menschen dazu, sich im Roten Kreuz zu engagieren?

Was bringt Ehepaare dazu, Kindern das Leben zu schenken?

Was bringt Forscher dazu, die Welt immer mehr zu erkunden?

Immer, wenn eine Frau, ein Mann, ein Kind sich für den anderen öffnet und seine Not teilt,
immer wenn Menschen Nähe herstellen,
immer wenn neues Leben entsteht,
wenn Trost und Geborgenheit und Barmherzigkeit das Miteinander bestimmt,

ist es der Heilige Geist, der Geist Gottes, der in den Menschen wirkt.

Wir Christen nennen die Kraft Gottes, die den Menschen zum Guten antreibt, den Heiligen Geist.

Deshalb müsste ich noch viel mehr Beispiele aufzählen. Ich tue es nicht, um sie nicht zu sehr zu ermüden.

Ich hoffe aber, dass sie durch diese einfache Überlegung alle Schwierigkeiten hinter sich lassen, sich den Heiligen Geist vorzustellen und an seine Gegenwart und Wirksamkeit zu glauben.

Leider hat der Heilige Geist in mir jede Menge Gegenspieler, die mich oft daran hindern, auf ihn zu hören und ihm zu folgen:

Bequemlichkeit, Enttäuschung, Ärger und Zorn,
Selbstsucht, Stolz und Überheblichkeit, übertriebenen Ehrgeiz und Gleichgültigkeit.

Manchmal ist es wie verhext: Enttäuschung gebiert Ärger, Ärger führt zu Gleichgültigkeit oder gar zu dem Gelüst, es dem anderen zurückzuzahlen.

So entstehen unsere Zerwürfnisse, so macht sich Traurigkeit und Ängstlichkeit breit.
Die Zuversicht, die Hoffnung, die Gemeinsamkeit werden weniger und drohen zu verschwinden.

Genauso war es bei den Freunden Jesu, die sich nach seiner Hinrichtung eingeschlossen hatten und verzweifelt waren – ohne einen Hoffnungsschimmer.

So geht es uns selbst, wenn wir meinen, dass wir alleine dastehen und daran noch dazu selber schuld sind.

Sehr oft, sogar meistens oder fast immer passiert aber etwas anderes.
So verfahren es auch aussah – es gibt wieder eine gute Erfahrung, es wächst wieder weiter oder es wächst etwas Neues.
Oft können wir selbst gar nichts dafür. Es ist unerwartet. Ein Geschenk.

Das, Schwestern und Brüder, das ist Pfingsten, wie sie alle es schon erlebt haben und immer wieder erleben.

Hören wir nicht auf, um den Heiligen Geist zu beten,

Vor allem aber:
Wir dürfen das Vertrauen auf die Kraft des Heiligen Geistes bewahren:
Er wird immer wieder dem Leben, dem Miteinander, der Versöhnung, Wege öffnen.
Gottes Geist und Kraft, der Heilige Geist hat die Kraft und die Macht.