11.07.2021: 15. Sonntag im Jahreskreis

Liebe Schwestern und Brüder,
„wie wird man mich aufnehmen?“ – fragt sich ein junger Mensch, der zum ersten Mal den Eltern seines Freundes begegnet, fragt sich jemand, der eine neue Arbeitsstelle antritt, …

Wie wird man mich aufnehmen?
Vorher überlegt man, wie man sich zeigen wird, wie man auftreten wird: Möglichst bald eine kleine Einstandsparty mit Sekt oder Kaffee und Kuchen? Bescheiden und zurückhaltend?
Oder offensiv erzählen, was man schon geleistet hat?
Oder geschickt seine Sachkenntnis zeigen durch intelligentes Nachfragen?
Welche Kleidung? Vorher zum Haareschneiden?

Gemäß dem Evangelium befreit Jesus seine Jünger von diesen Sorgen als er sie aussendet, damit sie – genau wie er – das Reich Gottes verkünden, das den Menschen nahe ist.

Jesus sagt: Ihr braucht nur einen Gefährten, Schuhe, ein Übergewand und einen Wander­stab – keine frische Ersatzkleidung, kein Geld und keinen Essensvorrat!

Ich stelle mir das praktisch vor: Zwei Männer kommen nach stundenlanger Wanderung in der Hitze des Nahen Ostens in ein Dorf: Verstaubt, verschwitzt, hungrig – wie jeder sehen kann.

Mitten im Ort bleiben sie stehen – rufen Leute her – und beginnen ihre Botschaft auszurichten: „Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“

Jeder, der sie hört, sieht sofort: die brauchen etwas zu essen, Wasser zum Waschen und einen Schlafplatz.

Wer sie aufnimmt und sie versorgt, dem werden sie von Jesus erzählen, Und da sie vom Reich Gottes reden, werden die Menschen ihre Nöte ausbreiten und ihre Kranken holen und hoffen, dass das Reich Gottes sichtbar wird: dass Kranke gesund werden und Streitereien und mehr befriedet werden.

Das stärkste Zeichen, die größte Herausforderung für die Gesandten wie für die Angesprochenen ist die Bedürftigkeit der Verkünder.

Gibt es irgendeine Ähnlichkeit zu unserer kirchlichen Situation?
Ich gebe zu, da muss man sich sehr anstrengen, um etwas zu finden.

Wir Seelsorger und Seelsorgerinnen haben ein festes Gehalt, treten durchschnittlich bürgerlich auf, haben studiert …

Ein Pfarrer in der Pfarrei ähnelt bei uns eher dem Leiter einer örtlichen Niederlassung und die Verkünder sind eine Mischung zwischen Religionslehrer, Veranstaltungsmanager und ab und zu auch psychosozialer Unterstützerin.

Dafür, dass es so geworden ist, gibt es viele gute Gründe. Die verlässlichen Strukturen machen vieles möglich: die Sorge um die Gemeinde,
dauerhafte Angebote wie Kindergärten und Sozialstationen.
Das geht nur durch kontinuierliches Bemühen und Verlässlichkeit.

Der Nachteil ist: Institutionen fördern Gewohnheiten und Trägheit,
Besitz produziert Macht und das Interesse ihn zu schützen und zu mehren.

Ich glaube nicht, dass die Aussendung der Jünger ohne Vorratstasche ein Gesetz ist für alle Zeiten. Ich glaube aber schon, dass diese Geschichte auch heute für uns wichtig ist:

Wer das Reich Gottes verkündet und die Auferstehung Jesu, wer zur Umkehr ruft, muss sich immer wieder prüfen, damit er sich nicht bequem „in einem Sessel ausruht“ und sich auf seine Institution verlässt.

Entscheidend ist einzig und allein: Die Botschaft, Jesus Christus,
Das Reich Gottes ist nahe! Glaubt daran und Kehrt um!

Mit anderen Worten:

Das Leben ist mehr als Kleidung und Nahrung, Geld und Komfort. Das Leben ist Vertrauen, Zuwendung, Nähe, Sorge füreinander, Anteilnahme, Wohlwollen.

27.06.2021: 13. Sonntag im Jahreskreis

Zu der Frau sagt Jesus: „Dein Glaube hat dich gerettet!“
Zu dem Synagogenvorsteher sagt Jesus: „Fürchte dich nicht, glaube nur!“

Die beiden ineinander verwobenen Geschichten ermuntern die Hörer des Evangeliums vor allem und zuerst zum Glauben: Glaube und du wirst heil! Glaube und du wirst leben!

Lassen sie es mich weitersprechen: Glaube, dass du heil wirst, glaube, dass du leben wirst.

Wir müssen vorsichtig sein:
Mit den Kindern in der 4. Klasse denke ich in der Fastenzeit darüber nach, was dem Menschen hilft, Krankheit und Leid zu bewältigen. Wir denken auch nach über den Zuspruch: „Das wird schon wieder gut!“

Manche Kinder sagen: Der Zuspruch hilft, weil er Mut macht.
Manche sagen: Der Satz vertröstet nur, ohne dass etwas besser wird.

Ich darf es mir also nicht zu einfach machen und sagen: Glaube nur an Jesus, dann wird alles gut.

Es sind nämlich auch Glaubende unter denen, die an Corona, an Krebs, am Schlaganfall, an Blutvergiftung versterben.
Und: auch Glaubende sind von Angststörungen geplagt.

Kann ich dann dafür werben, dass sie daran glauben, dass sie heil werden?
Darf ich dafür werben, dass sie daran glauben, dass sie leben werden?

Kann ich das? Darf ich das?

Gewiss ist: jeder Mensch wird einmal sterben: an einer Krankheit, im hohen Alter, durch einen Unfall, …

Gewiss ist auch: manche Menschen haben ein hartes, ein zu hartes Leben und für sie wird nichts gut und heil.

Die Frau mit den Blutungen und das 12jährige Mädchen sind Beispiele dafür. In den beiden Geschichten geht es für sie nochmals gut aus.

Können Sie dennoch glauben? An ihr Heil, an ihr Leben? –
Trotz des offensichtlichen Unheils und der Todesgewissheit?

Liebe Schwestern und Brüder,
manche kranke und sterbende Menschen haben Zuversicht, sie haben Frieden, ruhen in sich selbst – warum?
Weil jemand bei ihnen ist und ihnen zeigt: Du bist mir wichtig. Du bist mir wertvoll.

Diese Erfahrung vermittelt eine Ahnung von dem Heil, vom Leben. So kehrt Frieden ein – wenigstens ein Stück.

Menschen, die glauben können, dass ihr Leben – so leidvoll es auch ist – einmündet in den Himmel Gottes, der schöpferischen Liebe, solche Menschen haben nicht selten Frieden in sich – obwohl sie wirklich ganz verlassen sind und kein Mensch bei ihnen ist.

Mir fällt dazu ein Satz des Jesuitenpaters Alfred Delp ein, der von den Nazis ermordet wurde. In seiner Todeszelle schrieb er: Wir wollen dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt.
Und der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer dichtete in der Todeszelle die Zeilen:
Von guten Mächten treu und still umgeben, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen – und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Der Glaube an Gott, der immer für uns und bei uns ist, kann auch in der unheilbaren Krankheit und im nahen Tod inneren Frieden bringen – eine Vorahnung des Heils, das uns erwartet.

Zum Schluss möchte ich noch ihren Blick auf den Schluss der Geschichte lenken: Jesus sagte, man soll dem Mädchen zu Essen geben:

Das Leben braucht Nahrung. Genauso braucht der Glaube an das Leben Nahrung:
Wenn wir füreinander sorgen, stärken wir den Glauben, daran, dass wir heil werden und leben.

Wenn wir jemandem zeigen: Ich bin bei dir. Du bist mir wichtig.
Dann stärken wir den Glauben, dann bringen wir Heilung und erwecken das Leben.

13.06.2021: 11. Sonntag im Jahreskreis

Ansprache: Liebe Schwestern und Brüder,
Was braucht die Menschheit um zu überleben?
Frieden mit sich selbst und untereinander –
den Glauben, an das Gute im anderen und in der Welt, –
die Liebe zum Leben, zum Mitmenschen, ‑
und die Hoffnung, das das Leben stärker ist als der Tod.

Wenn Frieden, Glauben, Liebe und Hoffnung sind – da wirkt Gottes Geist, da ist Gottes Reich unter uns.

Liebe Schwestern und Brüder,  es müsste eigentlich so sein, dass in aller Welt die Menschen sagen: die christliche Kirche (evangelisch oder katholisch oder orthodox) das sind die Leute, die Frieden bringen, die an das Gute glauben, die die Liebe leben und die Hoffnung bringen.

Doch in unserem Land herrscht eine andere Stimmung:
Kirche wird als machthungrig, geldgierig, verkommen, korrupt und Menschen missbrauchend wahrgenommen und dargestellt.

Und ja – es gibt einfach zu viele Beispiele, als dass man sagen könnte: Es geht nur um Einzelne.

Ordenshäuser und Bistümer und das auf der ganzen Welt, wurden in einer Art und Weise geleitet, dass manche oder jedenfalls viel zu viele Ordensleute und Priester in Umständen lebten in denen vor allem Unterordnung zählte, Gehorsam, Angst vor Sanktionen und die Unmöglichkeit zu den eigenen Bedürfnissen und Wünschen zu stehen.

Das System der Unterordnung richtete bei weitem nicht überall und auch nicht in der Mehrzahl, diese Schäden an – doch auf jeden Fall viel zu oft.

Welches System: Ein System, das nur Macht von oben kennt. Ein System, das zu strenge Regeln vorgibt und zugleich zu viel Macht verleiht. Ein System, das nicht die Befähigung, die menschliche Reife und Weisheit fördert, sondern die Linientreue.

Ein geschlossenes System, das in der Selbstillusion lebt, für alles zuständig zu sein und den Menschen sagen zu können und zu müssen, wie sie leben sollen. Ein solches System führt dazu, dass Menschen sehr stark unter ihrer Unterlegenheit leiden, enttäuscht und verbittert sind. Das Risiko ist groß, dass manche selbst Macht erleben wollen: über die, für die sie zuständig und verantwortlich sind: Sie haben die Möglichkeit zu bestrafen und zu belohnen. Die ihnen anvertrauten sind von ihnen abhängig.
Das ist das vergiftete Umfeld, in dem Missbrauch gedeihen kann.
Und dieser Ungeist wirkt, auch wenn es zu keinen verbrecherischen Taten kommt – versteckt durch den Rauch der Selbstbeweihräucherung.

Solche Machtstrukturen gibt es auch heute in der Gesellschaft. Sie sind nicht mehr an Amt und Würden gekoppelt, sondern an Geld und Beziehungen.

Solche Machtstrukturen, werden zurecht abgelehnt und unsere Kirche muss gerade bitter lernen, dass die Menschen – ob nun getauft oder nicht – das nicht mehr wollen – und ist immer noch nicht bereit dafür.

Das ist vielleicht der tote Punkt, von dem Kardinal Marx in seiner Erklärung spricht. Die Kirche, meine Kirche, muss sich bekehren.

Denn Jesus wollte nicht, dass sich seine Jünger ihm unterwerfen, er hat sie zu seinen Freunden gemacht. Er wollte nicht, dass sie klein sind – er hat sie aufgerichtet.

Liebe Schwestern und Brüder, wir sind nicht in der Position, dass wir die Machtstrukturen in der Kirche ändern können. Was wir aber können ist:

Wir können uns überzeugen, dass Jesus Christus uns zeigt, dass wir geliebt sind und dazu berufen sind zu lieben. Er hat uns seinen Frieden hinterlas­sen, den Frieden, den ein Kind findet, wenn es in den Armen seiner Mutter ruht. Er lehrt uns, dass wir an seinen guten Vater im Himmel glauben können und er gibt uns Hoffnung, dass das Leben Zukunft hat.

Und liebe Schwestern und Brüder, davon überzeugt, können wir ganz persönlich der gute Boden dafür sein, dass Frieden, Glaube, Liebe und Hoffnung leben und wachsen und gedeihen und gute Früchte bringen.

Im Augenblick leiden wir an dem jämmerlichen Bild, das die Menschen von der Kirche haben und zeichnen und das die Kirche abgibt;
wir leiden unter dem Zustand der Kirche, die einzustürzen droht wie Notre Dame in Paris einzustürzen drohte. Wir leiden daran, dass dadurch so viele Menschen keinen Zugang zu der wunderbaren Botschaft Jesu finden.

Aber bleiben wir Jünger Jesu. Folgen wir ihm nach. Bleiben wir zusammen als seine Gerufenen (Kirche) auf dem Weg. Behalten wir die Hoffnung.

21.03.2021: 5. Fastensonntag

Die österliche Bußzeit ist eine Zeit der Gewissenserforschung und der Einsicht in die eigenen Versäumnisse und Fehler. Dies versuchen wir, damit wir es in Zukunft besser machen. Dahinter steht die Überzeugung: Es geht Anders! Und es geht anders besser!

Das Evangelium deutet es an, wenn Jesus sagt: „Jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen.“ Der Herrscher dieser Welt: damit meint das Johannesevangelium die gottlose Welt, die Welt, die sich dem Ruf des Lebens verweigert und auf den Tod setzt: auf Ausbeutung und Beherrschen, auf Gewalt und Stärke.

Es ist eine Ankündigung, die in der Erdenzeit niemals ganz wahr werden kann. Aber es ist eine Ankündigung, dass es jetzt schon anders ist und anders wird und anders geht.

In Bolivien entdecken Menschen, wie sie im Urwald des Amazonas eine Landwirtschaft betreiben können, die keine Brandrodung des Urwalds braucht, sondern den Urwald als Chance nützt. Es gibt vielfältigere Früchte und Gemüse, gute Ernten. Das ermöglicht ein gutes Leben, so dass die jungen Menschen in ihren Dörfern bleiben, statt in die Slums der Städte zu ziehen auf der Suche nach Arbeit. Es geht anders! Es geht besser!

Die Erziehung hat sich wesentlich verändert. Kinder werden heute nicht mehr mit Zwang und Gewalt erzogen. Heute werden sie gestärkt und gefördert. Sie lernen die Grenzen des Mitmenschen zu achten.
Es geht anders. Es geht besser!

Vor 50 Jahren stanken die Städte nach Abgas, Abwässer wurden in Bäche und Flüsse geleitet. Donauabwärts von Kelheim gab es keine Fische mehr. Heute steigern wir den Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen, wir streben Klimaneutralität an und sorgen uns um saubere Gewässer. Es geht anders. Besser!

Bis jetzt noch werden für die Herstellung unserer Kleidung, unserer tech­nischen Geräte und von vielem mehr Menschen und Kinder ausgenützt und leiden gesundheitlichen Schaden: doch wir fangen an, dies zu ändern.

Es gibt neuerdings ein Lieferkettengesetz, das zum Ziel hat, dass bei der Gewinnung der Rohstoffe, der Herstellung der Zwischenpro­dukte und Endprodukte die Umweltschutzvorschriften und die Arbeitsschutz­vorschriften eingehalten werden. Es geht anders. Besser!

Vor hundert Jahren noch galt in unserem Land der Krieg als legitime Möglichkeit, die Interessen der eigenen Nation gegen andere durchzusetzen. Trotz aller Rückschläge und Rückschritte dürfen wir aber sagen: Die Mehrheit möchte heute keinen Krieg. Die Mehrheit wünscht sich ein friedliches Miteinander der Staaten. Es geht anders. Besser.

Die Aktion MISEREOR arbeitet seit Jahrzehnten daran, dass vieles anders und besser wird. Niemand hat gezählt, wie viele Menschen, wie viele Menschen in ihren Dörfern dadurch zu einem besseren Leben kamen.

Sowohl die Länder des Südens als auch die reichen Länder des Nordens der Erde werden angesprochen. MISEREOR macht uns aufmerksam, dass diese Ungleichheit miteinander zu tun hat.

Damit es besser geht, müssen gerade die reichen Länder lernen, dass es anders geht: ein gutes Leben, ein zufriedenes Leben, ein erfülltes Leben finden wir nicht durch Konsum und Rausch, nicht im Anhäufen von Reichtum.

Frieden und Zufriedenheit, Erfüllung finden wir, wenn wir Verbundenheit spüren, wenn es uns gelingt, die Interessen der anderen so ernst zu nehmen wie unsere eigenen, wenn es uns gelingt, einen Ausgleich zu finden, den alle als gerecht empfinden.

Dazu ist unsere Spende für MISEREOR wichtig und notwendend. Ich bitte Sie herzlich darum. Genauso wichtig ist, dass wir auf dem Weg bleiben und offen dafür sind, dass vieles anders geht und besser geht.

07.03.2021: 3. Fastensonntag

Hier geht es zu den Texten der Liturgie:

Nicht nur hier, sondern in allen vier Evangelien werden Szenen geschildert, in denen Jesus heftige Gefühle und Gefühlsausbrüche zeigt: Er war voll Zorn über das Unverständnis der Menschen, heißt es. Die Evangelien erzählen alle, jedes auf seine Weise, wie Jesus die religiöse Führungsschicht angriff – und zwar in schärfster Weise – und so ihre Feindschaft auf sich zog.

So auch hier: Jesus randaliert im Tempel. Man müsste sich nicht wundern, wenn er gefesselt und abgeführt würde.
Den Vorwurf: „Ihr macht aus dem Haus meines Vaters eine Markthalle“ wird Jesus kaum im ruhigen, sanften Plauderton geäußert haben. Und auch nicht die Äußerung: „Ich kann in drei Tagen den Tempel wiederherstellen.“
Aber diesen Hinweis auf seine Auferstehung können die angesprochenen natürlich nicht verstehen.

Ihr macht das Haus meines Vaters zu einer Markthalle! Ihr macht Geschäfte mit dem Namen meines Vaters. Ihr benützt ihn, um euch zu bereichern! Ihr verstoßt gegen das zweite Gebot: Ihr missbraucht den Namen des Herrn unseres Gottes für Eure Zwecke!

Liebe Schwestern und Brüder,
ich nehme diese Szene zum Anlass in die Gegenwart zu schauen: Wie wird heute gegen dieses Gebot verstoßen?
In welcher Weise wird heute der Namen Gottes mehr verzweckt, als dass er geehrt wird.

Als erstes muss ich natürlich in mein eigenes Haus schauen: Mein Beruf als Pfarrer, als Leiter einer Gemeinde und professioneller Verkünder und Liturge ermöglicht mir ein gutes Leben: sowohl die finanzielle Ausstattung als auch die Lebensbedingungen und das Ansehen zumindest in der kirchlichen Gemeinde sind sehr angenehm. Auch die Vielfältigkeit der Aufgaben ist interessant. Es ist tatsächlich keine schlechte Wahl in der röm.kath. Kirche Pfarrer zu sein.
Die Versuchung besteht, dass im Lauf der Jahre die ursprüngliche Motivation, die frohe Botschaft zu verkünden durch die gediegene Bürgerlichkeit untergraben wird. Dass der Beruf eher Grundlage für dieses Leben wird und die Berufung in den Hintergrund tritt.

Ich schau aber auch auf meine Kirche, besonders auf die Bischöfe, denen die Leitung der Kirche anvertraut ist: Sie bemühen sich sehr darum, die bestehenden Strukturen aufrecht zu erhalten und zu stärken:
Vom Zölibatsgesetz bis zum Ausschluss der Frauen vom Priesteramt, von der eucharistischen Trennung unserer Schwesterkirchen bis hin zu den Eheleuten, die nach einer Scheidung noch einmal heiraten und denen die Kommunion, die Mahlgemeinschaft in der gemeinde und damit mit Christus verweigert wird.

Die Versuchung ist groß, die in zwei Jahrtausenden entwickelten Regeln und Gesetze als göttlich zu bezeichnen, um die eigene Stellung in dieser großen Organisation „Kirche“ zu verteidigen.

Ich schau auch auf die ganze Gesellschaft, die sich als weltlich versteht und in der Religion Privatsache ist. Was hat sie mit dem 2. Gebot zu tun?
Diese Gesellschaft hat die ganze Welt zur Markthalle erklärt: Der Urwald um den Amazonas wird vermarktet, die Gesundheit der Kinder in Afrika wird dem Gewinn der Bergbaufirmen geopfert, beim Transport des Erdöls kommt es immer wieder zu Unfällen, die zuerst Fischen, Vögeln und Pflanzen das Leben kosten. Verfeindete Gruppen töten sich gegenseitig, statt ihre Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen – die Nutznießer sind die Verkäufer der Waffen.

In den Verfassungen der demokratischen Staaten steht zwar, dass die Würde des Menschen nicht verletzt werden darf. Doch unsere Unterneh­men und auch unsere Politik gestehen nicht allen Menschen die gleiche Würde zu: Viele zahlen den Preis für unsere Überheblichkeit: In den Textil­fabriken Asiens, in den Minen Südamerikas, in den Treibhäusern Spaniens, in den Ländern, die vom steigenden Meeresspiegel bedroht sind.

Wir Menschen machen das Haus Gottes, diese Welt, seine Schöpfung, zu einer Markthalle. Sogar der Wert eines Menschen wird daran gemessen, was er zum Bruttosozialprodukt beiträgt.

Die Menschheit steht vor einer großen Aufgabe und sie muss diese Aufgabe bewältigen: Die Menschheit muss sich so organisieren, dass die Würde jedes Menschen und sein Wohl der oberste Wert ist, weil er Gottes Ebenbild ist. Und wir? Glauben wir an Gottes Treue und daran, dass er jeden Menschen liebt und zum Heil führt? Helfen wir dabei? Suchen wir danach, was anders – besser – geht?

21.02.2021: 1. Fastensonntag

Hier geht es zu den Texten der Liturgie:

Liebe Schwestern und Brüder,
Für die Kinder und Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist ein Jahr eine unglaublich lange Zeit:
Monate ohne Schul- und Kindergarten und Unibesuch;
die Berufsausbildung in der Lehre ist erschwert;
und der jugendliche Schwung, die eigenen Kräfte auszuprobieren, die Welt zu entdecken und zu erobern und mit Gleichaltrigen die Zeit zu verbringen ist auf üble Weise blockiert.

Sport, abendliches Ausgehen und zwanglose Treffen, Disco, Urlaubsreisen fallen aus. Das ganze Leben der jungen Generation ist seit über einem Jahr ein Jahr großer Entbehrungen.

Auch die Erwachsenen ab 30 Jahren haben eine schwere Zeit: Die Arbeit ging weiter – oft mit zusätzlichen Belastungen.
Oder aber es gibt Kurzarbeit oder sogar den Verlust des Einkommens.

Es ist bereits 1 ganzes Jahr Fastenzeit – auch wenn es keine Einschränkungen bei der Ernährung gab.
Alle sehnen sich danach, dass diese Seuchenzeit zu Ende geht. Aber obwohl wir aus Erfahrung wissen, dass alles einmal zu Ende geht – können wir im Moment nicht sehen, wann das sein wird.

Es ist auch nicht verwunderlich, dass alltäglich diskutiert und gestritten wird: wer muss welche Einschränkungen wie lange noch hinnehmen?
Welche Entscheidungen sind zu rigide oder zu lax?
Welche Versäumnisse gab es bei den Verantwortlichen?

Es ist eine lange Fastenzeit. Wie reagieren die Menschen darauf?

Es gab und gibt die Leugner der Krankheit – zum Glück sind es nicht so viele.
Denn das Leugnen verhindert, dass man sich nicht an die Bedrohung durch die Seuche anpasst. Dadurch wird alles nur noch schlimmer.

Es gab und gibt Menschen, die mit großem Aufwand versuchen so gut wie möglich jede Infektionsgefahr zu bannen.

Es gab und gibt die Menschen, die es hinnehmen, dass sich das ganze Leben verändert hat und eingeschränkt ist.
Es macht ihnen nicht so viel aus.

Manche überwachen das Verhalten der anderen, manche halten es irgendwann nicht mehr aus und machen doch eine Party, manche wissen alles besser und würden es ganz anders machen.

Wir alle reagieren so oder anders – so verschieden, wie wir Menschen eben sind.

Alle aber sind herausgefordert, diese unfreiwillige durch die Seuche aufgenötigte Fastenzeit zu bestehen und den Versuchungen, die sie mit sich bringt, zu widerstehen.

Jesus hat die Wüste selbst gewählt und gefastet und so die Versuchungen bewusst hervorgerufen. Danach war er klar. Er wusste, was er wollte. Er hatte sich entschieden und seinen Weg gefunden. Er nahm seinen Auftrag an und verkündete überall, was er am Grunde seiner Seele entdeckt hatte:
Das Reich Gottes ist nahe: jetzt und an diesem Ort.
Diese Welt ist Gottes Welt und er ist in ihr.

Jahr für Jahr begehen wir die 40 Tage vor Ostern und nennen sie Fasten-zeit – und nicht wenige fasten tatsächlich auf die eine oder andere Weise, um die inneren Versucher zu bezähmen: die Angst, die Wut, die Gier, den Neid und all die anderen wilden Drachen in unserer Seelenlandschaft.

Versuchen wir das auch wieder in dieser österlichen Bußzeit.
Denn am Ende dieser 40 Tage und hoffentlich auch am Ende dieser Seuchenzeit bekräftigen wir:

Ich glaube an Gott, der mich als sein Kind liebt.

Ich glaube an Jesus, der mir mit dieser Botschaft Versöhnung gebracht hat.

Ich glaube an den Heiligen Geist, der in mir ist, damit ich Gott und euch und alle Mitmenschen liebe, als Gottes Ebenbild.

07.02.2021: 5. Sonntag im Jahreskreis

Hier geht es zu den Texten der Liturgie:

Wir Christen, sind wir nicht nur vernetzt, sondern verbunden mit der ganzen Kirche – genau genommen mit allen, die mit uns an Christus glauben.
Ab und zu einmal müssen wir deshalb auch im Gottesdienst – im Licht des Evangeliums – unseren Blick auf unsere Kirche richten. Der Zustand, das Wohl und Wehe, dieser Kirche geht uns an:
Es ist ja unsere Kirche, wir sind diese Kirche – und wenn ein Glied dieser Kirche leidet, leiden wir alle mit.

Rufen wir zu Christus um sein Erbarmen, dass wir in seinem Geist und in seiner Nachfolge die Wege finden und gehen, damit unsere Kirche ihre Sendung in der Welt erfüllen kann.

Herr Jesus Christus, du bist das Haupt der Kirche.
Herr Jesus Christus, du unser einziger guter Hirte.
Herr Jesus Christus, Licht unseres Lebens

Zum Evangelium:
die ganze Stadt kam zum Haus des Petrus, weil Jesus sich dort aufhielt.
Er verkündete das Evangelium, er heilte die Kranken und den Dämonen, von denen er die Menschen befreite, verbot Jesus zu sagen, dass sie wussten, wer er war.

Verkünden – Heilen – Menschen von dem Befreien, was sie von sich selbst entfremdet: So erregt Jesus Aufsehen. Und immer wieder verbietet er, zu sagen, wer er ist. Warum dieses Schweigegebot?

AUs der Sicht des Mk-Evangeliums kann Jesus solange lebt und wirkt, nicht als Messias und Sohn Gottes erkannt werden, der Sünde und Tod überwindet. Als Sohn Gottes wird er erst offenbar, als er von den Toten auferstanden ist. Dann wird auch im Rückblick auf sein Leben verständlich , warum er die Kranken heilte und die Dämonen austrieb.

Solange er aber lebt, ist wichtiger, dass er das Reich Gottes verkündet: Die Menschen sollen nicht Angst haben, sondern sich freuen und daran glauben, dass Gott ihnen nahe ist.

Liebe Schwestern und Brüder, gerade jetzt ist es wichtig, den Menschen Mut zu machen: Wir sind nicht von Gott verlassen. Sein Geist weist uns die Wege, wie wir diese Menschheitsgeißel überwinden.

Stattdessen gibt unsere römisch-katholische Kirche in unserem Lande leider gerade jetzt ein erbärmliches Bild ab:

die Zahl der Glaubenden wird immer weniger: aus verschiedenen Gründen:

  • viele glauben nicht mehr an Jesus Christus und an Gott und den Heiligen Geist und meinen, dies sei mit einem aufgeklärten und natur-wissenschaft­lichen und vernunftgeleiteten Weltbild unvereinbar;
  • viele lassen sich von den Anforderungen des Alltags, von der Hetze und auch von der Suche nach immer neuen beglückenden Erlebnissen so in Anspruch nehmen, dass für Gott kein Platz mehr bleibt.
  • viele sind beeindruckt von all dem Schlechten, das über die Kirche, genauer über die Päpste und Bischöfe und Priester gesagt wird; dass viel Unrecht von Priestern verübt wurde, dass dies vertuscht wurde und dass nun manchmal versucht wird, unter den Teppich zu kehren, dass vertuscht worden ist.

Schlimmer als all das ist: viele Bischöfe und Priester und MitarbeiterInnen in der Seelsorge, scheinen selbst nicht mehr zu glauben, dass wir uns nicht fürchten müssen, weil Gott uns und allen Menschen nahe ist. Dabei ist es doch ihr Auftrag, den Glauben zu stärken und zu wecken.

Sie handeln aus Angst:
Sie haben Angst davor, sich und die Regeln in der Kirche zu ändern,
Sie vertrauen nicht mehr darauf, dass sie die Vollmacht haben,
die Kirche zu gestalten;
das wichtigste sind ihnen die geltenden Strukturen – wichtiger sogar als dass die frohe Botschaft die Menschen erreicht. Wenn jemand sagt: Macht das doch endlich anders – es geht nicht mehr so weiter, erheben sie den Vorwurf, jemand wolle nur Strukturen ändern, statt Evangelisierung zu befördern. Tatsächlich behindert aber das ängstliche Festhalten an den Strukturen und ihre Verteidigung die Evangelisierung.

Die Kirche wird nicht daran zugrunde gehen, wenn es verheiratete Priester gibt;

die Kirche wird nicht zugrunde gehen, wenn das Priesteramt auch Frauen offen steht;

die Kirche wird nicht zugrunde gehen, wenn sie die jungen Menschen dabei begleitet, ihre Sexualität als beglückende Kraft und Sprache der Liebe zu entdecken, anstatt an Verboten festzuhalten und an der Warnung vor der Sünde, die von Gott trennt.

Ich bin froh, dass auch im Fernsehen Religionslehrer zitiert werden, die dies den Bischöfen sagen, um ihnen die Augen zu öffnen – in etwa mit den Worten: Wissen Sie eigentlich, dass sich die jungen Leute nicht mal darüber ärgern, was sie über Sexualität lehren?

Und ich wünsche mir, dass die Bischöfe und wir alle endlich verstehen:
Unsere Sendung ist nicht, den Menschen zu sagen, was alles Sünde ist.

Unsere Sendung ist, dass wir verkünden und sichtbar machen:
Gottes Reich ist uns nahe. Es ist mitten unter uns, denn Gott ist in uns.

Das ist das Evangelium und wir dürfen es nicht verfälschen durch selbstgemachte und für göttlich erklärte Gesetze.
Wenn wir, die Glaubenden, die Diakone, Priester und Bischöfe uns nicht bekehren, machen wir uns selbst überflüssig.

31.01.2021: 4. Sonntag im Jahreskreis

ich habe eine Menge Fragen an diesen Text.
Zum Beispiel: Was hat Jesus gelehrt?
Der Evangelist kann mir entgegenhalten, dass er das schon ein paar Sätze vorher geschrieben hat: „Erfüllt ist die Zeit, das Reich Gottes ist nahe! Kehrt um und glaubt an diese Freudenbotschaft.“

Offen bleibt trotzdem: Worüber genau hat Jesus gesprochen und gepredigt und wie hat er bei seinen Hörern diesen Eindruck erzeugt, dass er mit Vollmacht lehrt – und wie lehren die Schriftgelehrten? Was ist der Unterschied?

Und ich frage mich: Was kann ich unter einem unreinen Geist verstehen? Natürlich gibt es Erkenntnisse, was sich die Menschen damals vorstellten. Aber will ich an Dämonen glauben, die den Menschen krank machen, ihn plagen und Schmerzen zufügen und ihn besitzen?
Gut: es gibt manchmal Menschen voll Eifersucht und Neid, voller Hass und Bitterkeit, von krankhaftem Geltungsbedürfnis oder auch Minderwertigkeitsgefühl befallen. Gier und Geiz halten Menschen in ihrem Bann. Aber das alles erkläre ich mir durch den Charakter eines Menschen, durch die Erfahrungen, die ihn prägen, durch Entscheidungen, die er gefällt hat – manchmal auch durch Krankheiten. Aber böse Geister? Dämonen? Es liegt mir fern.

Interessant sind für mich die wenigen Sätze, die gesprochen werden:
Der Geist sagt: „Was haben wir mit dir zu tun? (Also: Lass uns doch in Ruhe). Willst du uns ins Verderben stürzen? Ich weiß, wer Du bist. Der Heilige Gottes!

Jesus sagt: Schweig und verlass ihn!
Der Geist schreit und muss gehorchen.

Bei der Taufe im Jordan spricht die Stimme vom Himmel:
„Du bist mein geliebter Sohn.“
Hier spricht der als unreiner Geist bezeichnete fast das Gleiche:
„Du bist der Heilige Gottes.“

Das ist vielleicht ein Schlüssel, um diese kleine Episode zu verstehen, mit der das Mk beginnt, von Jesu Wirken und Wirkung zu erzählen.

Jesus ist der Heilige Gottes!
Er ist stärker als die anderen Geister, die Ungeister und überwindet sie – er unterliegt ihnen nicht; er ist nicht wie sie, er denkt und glaubt und handelt nicht wie sie. Er ist Herr über sie. Sie machen ihm auch keine Angst.

Wenn Jesus diese Ungeister überwunden hat, sie vernichtet hat – müssen wir uns ihnen auch nicht unterwerfen: Zwietracht und Missgunst, Geiz und Feindschaft, Lüge und Schadenfreude haben keinen Platz bei Menschen, die Jesus nachfolgen – wie Petrus und Andreas, wie Jakobus und Johannes.

Was Jesus sagt, ist Gottes Wort und er handelt in Gottes Kraft.
Wer zu ihm hält, hat Teil an ihm und seiner Macht der Liebe.
Werden wir immer mehr Menschen, in denen Gottes Liebe wirkt.
Wir haben das Zeug dazu.

24.01.2021: 3. Sonntag im Jahreskreis B

Hier geht es zu den Texten der Liturgie:

einige Kernbegriffe ragen wie Obelisken aus diesem Abschnitt des Markusevangeliums heraus:
Evangelium – Reich Gottes – Kehrt um und glaubt – Kommt her! Mir nach!
‑ Menschenfischer – zurücklassen.

Jede einzelne dieser Prachtsäulen ist faszinierend und verdient Aufmerksamkeit – und auch das Ensemble als Ganzes ist mit Bedacht angeordnet und hat eine große Anziehungskraft.

Die kirchliche Leseordnung gibt als Hintergrund die Geschichte von Jona, der von einem großen Fisch verschlungen und an Land transportiert wurde. Er löst bei den für ihre Verkommenheit bekannten Bewohnern Ninives eine Schreckreaktion aus: sie kehrten um und wandten sich von ihren bösen Taten ab.

Jesus predigt etwas völlig anderes:
„Erfüllt ist die Zeit! Das Reich Gottes ist nahe! Vertraut dieser guten Nachricht!“

Schwestern und Brüder,
Das Reich Gottes ist nahe: Gott ist euch nahe -könnte man auch sagen.
Gottes Friede ist euch nahe. Gottes Freude ist euch nahe! Gottes Leben ist euch nahe! Vertraut darauf!

Vor 76 Jahren, als Europa in Schutt und Asche lag, glaubten die Menschen daran, dass sie in eine bessere Zukunft gehen können. Sie glaubten daran, dass sie die Städte London und Stalingrad, Straßburg und Nürnberg wieder aufbauen werden. Noch mehr: sie glaubten daran, dass es eine Zukunft geben kann ohne Krieg und ohne solches Unrecht, wie es das national­sozialistische Deutschland an Millionen Menschen, besonders Juden und Roma und Sintis, Zeugen Jehovas und psychisch Kranken verübt hatte.

Bundespräsident Roman Herzog hat vor 26 Jahren den 27. Januar (kommender Mittwoch) zum Gedenktag für die Opfer des National­sozialismus erklärt. An diesem Datum wurde 1945 nämlich Ausschwitz befreit.
Die Erinnerung soll uns davor bewahren, dass Menschen solche Gräueltaten wiederholen.

  • Vertrauen die Menschen heute noch darauf, dass es eine Zukunft ohne Krieg geben kann? Vertrauen die Menschen in Europa noch darauf, dass Europa nicht nur eine Zone, sondern sogar eine Keimzelle des Friedens werden kann?
  • Vertrauen die kapitalistischen Gesellschaften noch darauf, dass eine globale Wirtschaft möglich ist, in der nicht die schwächeren von denen übervorteilt werden, die größere Möglichkeiten haben?
  • Vertrauen wir Menschen auf der Erde noch darauf, dass es möglich ist, die Nationen zu einer Organisation der Vereinten Nationen zu entwickeln, die den Werten der Menschlichkeit, den universalen Menschenrechten zum Durchbruch verhilft?
  • Vertrauen wir Christen in unserer Weltgegend noch darauf, dass tatsächlich Gottes Herrschaft nahe ist – weil es an uns liegt, dass wir der Stimme Gottes in unserem Gewissen folgen?

Liebe Schwestern und Brüder,
wir dürfen, wir können darauf vertrauen, dass Gottes Reich unter uns gegenwärtig ist: Darum ist es wichtig, dass wir mit Respekt und Anstand – aber genauso eindeutig – dafür eintreten:

Denken wir nicht mal, dass ein Krieg etwas besser machen könnte.
Lassen wir Hassbotschaften und Misstrauen säenden Bemerkungen keinen Raum: Fragen wir nach: Warum denkst Du so? Woher weißt Du das? Hast Du nachgedacht, was die Folgen deiner Gedanken sein können?

Liebe Schwestern und Brüder, vor die Wahl gestellt, ob ich darauf vertrauen möchte, dass Frieden und Achtung der Menschlichkeit möglich sind oder darauf, dass Gewalt und Macht und Reichtümer die Menschen beherrschen, möchte ich reagieren wie die Jünger:

Sie hörten auf den Ruf: Kommt her! Mir nach! Und folgten Jesus nach.
Natürlich ließen sie nicht alles stehen und liegen, wie es das Markusevangelium schildert, um zu zeigen, dass Jesus größer ist als Elija, der Elischa als seinen Schüler reif und seinen Mantel auf ihn warf.
Aber sie folgten Jesus, sonst hätte es ja keine Jünger gegeben.

Sie folgten ihm: Unvollkommen, oft begriffsstutzig und immer noch belastet vom alten Denken. Das zeigt besonders das Markusevangelium und in besonderer Weise beschriebt es das manchmal unverständige Verhalten des Petrus.
Aber die Jünger folgten Jesus nach! Sie vertrauten darauf, dass Gottes Botschaft in der Welt eine Chance hat und dass sie dazu etwas beitragen können.
Bleiben wir auf diesem Weg: su­chen wir den Frieden Gottes unter den Menschen und jagen wir ihm nach.

20.12.2020: 4. Adventsonntag

Hier geht es zu den Texten der Liturgie:

Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!
Das ist der Auftrag des Schöpfers an den Menschen im Buch Genesis.

Zur Zeit des Königs Ahas klagte der Prophet, dass die Menschen im Volk Israel nicht mehr auf Gott vertrauen, sondern der Macht von Waffen und Unrecht tun, um ihr Geld und ihren Besitz zu mehren.

Sie sind von sich überzeugt und nennen ihre Kinder Immanuel – Gott ist mit uns – und verkennen, dass sie ins Unheil laufen, weil sie Unrecht tun,

Das Lukasevangelium legt dem Engel Gabriel – Gott ist stark ‑ die gleichen Worte in den Mund und verkündet: Jesus, der gekreuzigt wurde, er ist wirklich der Immanuel, der Gott mit uns.

Immer – seit es Menschen gibt ‑ hat gegolten und es wird immer wird gelten: Der Menschen, selbst ein Teil der Schöpfung lebt auf dieser Welt und seine Kraft und sein Verstand helfen ihm, diese Erde immer besser zu verstehen und sie zu gestalten.

Diese Kraft in ihm ist göttliche Kraft. Immer, wenn ein Kind geboren wird, ist es ein neuer Anfang Gottes mit der Schöpfung. Die Zusage Gottes wird erneuert und bestätigt und dieses Kind kann die Welt retten. Jesus ist dieses Kind. Er hat darauf vertraut und ist im Vertrauen darauf den Kreuzweg gegangen: Trotz aller Verfehlungen der Menschen bleibt Gott seiner Schöpfung treu, so dass sie nicht untergehen wird.

Liebe Schwestern und Brüder, wie soll ich, wie sollen wir, darauf reagieren?

So wie das Lukasevangelium es von Maria sagt: Siehe, ich bin dazu da, um Gott zu dienen.

Jesus, der Sohn Marias ist nicht das einzige Beispiel, wie ein Mensch auf Gottes Treue vertraut und dazu ermutigt: Da ist auch noch das Kinder der Elisabeth und des Zacharias: Johannes, den wir den Täufer nennen.

Maria, die Gott dienen möchte, macht sich auf den Weg, um zu helfen.
Und als sie sieht, wie glücklich Elisabeth und Zacharias sind, stimmt sie das Loblied an:

Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
Er erbarmt sich zu jeder Zeit der Menschen, die ihm vertrauen.
Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben
und lässt die Reichen leer ausgehen.

Dabei geht es nicht um das Bankkonto und den Grund- und Aktienbesitz –
Es geht darum, dass wir uns eingestehen:

Wir haben das Leben nicht aus uns selbst –
wir gewinnen den Himmel nicht selbst,
sondern alles ist Gottes Geschenk – für jeden, der es annimmt.

Jeden Tag, jede Stunde, ist uns gegeben und eine Chance zu sagen: Ich will dem Herrn dienen.
Ist uns gegeben, damit wir uns auf den Weg machen, um einem Menschen zu helfen und damit die Welt ein wenig heller machen.

Es ist ein Glück, dass so viele Menschen dies täglich tun:
in der Familie, in ihren Nachbarschaften und in den guten Werken – vom Strohhalm bis zur Spende für einen solchen guten Zweck.