01.11.2020: Allerheiligen

Hier geht es zu den Texten der Liturige:

Ihr Heiligen Gottes,
so darf ich Sie und Euch alle ansprechen, auch wenn wir das nicht gewohnt sind. Warum eigentlich nicht?

Weil das Wort „heilig“ in Verruf geraten ist,
es ruft bei vielen Gedanken und Empfindungen hervor,
die nur ein Zerrbild dessen sind, was „heilig“ tatsächlich meint.

Sie kennen vielleicht diese kleine Anekdote von Franziskus:
In der Kantine sagt ein Monsignore zum ihm: „Darf ich mich zu Ihnen setzen, heiliger Vater?“ Franziskus antwortet: „Selbstverständlich, heiliger Sohn, der Platz ist noch frei.“

„Heilig“ ist eben keine Ehrfurchtsbezeichnung und kein Würdentitel.

Heilig hat auch nichts damit zu tun, dass jemand besonders ausdrucks-starke Gesten verwendet, um beim Gebet und Gottesdienst seine Ehrfurcht vor Gott zu bezeugen.

Heilig sagt auch nichts aus, über die Häufigkeit und Länge der Gebete einer Person.

Heilig bedeutet auch nicht sündenfrei und fehlerlos oder perfekt.

Heilig hat schon gar nichts damit zu tun, als würde man 2 Meter über dem Erdboben schweben und alles irdische wäre deshalb unwichtig.

Was aber bedeutet heilig?

Ich trage ein paar Facetten zusammen:
Zuerst mal gibt es Dinge und Menschen, die einem heilig sind – also besonders wertvoll und teuer. Was aber gar nicht mit dem materiellen Wert zu tun hat. Es ist mir heilig, wegen der Erinnerung, die sich damit verbindet, die für mich von großer Bedeutung ist.
Deshalb ehre ich solche Gegenstände und Menschen: sie haben einen besonderen Platz, sie wecken in mir besondere Gefühle.
Dass mir jemand oder etwas heilig ist, ist also eine Eigenschaft, die ich dem anderen verleihe.

Und damit sind wir schon viel näher bei dem, was das Wort „heilig“ und „Heiliger“ in unserem christlichen Denken bedeutet:

Für uns ist Gott DER HEILIGE. Er ist uns heilig und er verleiht Heiligkeit:
Wir sind ihm heilig, wir sind besonders für ihn.
In uns ist sein Heiliger Geist. Der Geist des Lebens.
Der Geist der Erkenntnis, der Weisheit. Er macht uns fähig, auf Gottes Stimme in unserem Gewissen zu hören und ihr zu folgen.
Durch ihn können wir Gott erkennen.

Wir haben in unserer römisch-katholischen Kirche einen wunderschönen Brauch bewahrt, der dies auf berührende Weise ausdrückt:

Bei der Taufe und bei der Firmung werden wir alle mit dem heiligen Chrisam gesalbt. Mit dieser Salbe aus kostbarem Olivenöl, das heilende Kräfte hat.

Diese Salbung drückt Gottes Zärtlichkeit uns gegenüber aus, so wie eine Mutter ihre Kind salbt, damit keine wunden Stellen an der Haut entstehen und wie ein Vater sein Kind salbt, damit es geschützt ist vor der Sonne, die die Haut verbrennen könnte.

Wir sind Gott heilig, weil wir seine Kinder sind. Deshalb sind wir heilig.

Je besser wir auf Gottes Stimme in unserem Gewissen hören,
umso mehr werden wir ihm ähnlich, so dass uns der Mitmensch heilig ist und die ganze Schöpfung, durch die und mit der wir unser Leben von Gott empfangen.

Ihr Heiligen Gottes,
lasst uns Gott den Heiligen ehren und auf ihn hören,
damit wir einander heilig sind
und wir dem Mitmenschen mit Ehrfurcht und Anstand begegnen,
so dass wir ihn niemals verletzen, sondern im Gegenteil,
ihn ermutigen, ihn loben, ihn stärken.

Weil heilig eben nicht erhaben und abgehoben ist, erlaube ich mir noch eine Bemerkung:
Wenn es Leute gibt, die andere Personen am Galgen hängend zeichnen, wenn sie davon sprechen, man werde die anderen vor isch her treiebn und an die Wand stellen, wenn sie Gewalt gegen anders denkende und gegen Journalisten anwenden, muss man auf jeden Fall bezweifeln, ob ihnen der Mitmensch heilig ist – sobald er eine andere Meinung vertritt als sie selber.
Darauf darf man in Diskussionen durchaus auch hinweisen.