07.03.2021: 3. Fastensonntag

Hier geht es zu den Texten der Liturgie:

Nicht nur hier, sondern in allen vier Evangelien werden Szenen geschildert, in denen Jesus heftige Gefühle und Gefühlsausbrüche zeigt: Er war voll Zorn über das Unverständnis der Menschen, heißt es. Die Evangelien erzählen alle, jedes auf seine Weise, wie Jesus die religiöse Führungsschicht angriff – und zwar in schärfster Weise – und so ihre Feindschaft auf sich zog.

So auch hier: Jesus randaliert im Tempel. Man müsste sich nicht wundern, wenn er gefesselt und abgeführt würde.
Den Vorwurf: „Ihr macht aus dem Haus meines Vaters eine Markthalle“ wird Jesus kaum im ruhigen, sanften Plauderton geäußert haben. Und auch nicht die Äußerung: „Ich kann in drei Tagen den Tempel wiederherstellen.“
Aber diesen Hinweis auf seine Auferstehung können die angesprochenen natürlich nicht verstehen.

Ihr macht das Haus meines Vaters zu einer Markthalle! Ihr macht Geschäfte mit dem Namen meines Vaters. Ihr benützt ihn, um euch zu bereichern! Ihr verstoßt gegen das zweite Gebot: Ihr missbraucht den Namen des Herrn unseres Gottes für Eure Zwecke!

Liebe Schwestern und Brüder,
ich nehme diese Szene zum Anlass in die Gegenwart zu schauen: Wie wird heute gegen dieses Gebot verstoßen?
In welcher Weise wird heute der Namen Gottes mehr verzweckt, als dass er geehrt wird.

Als erstes muss ich natürlich in mein eigenes Haus schauen: Mein Beruf als Pfarrer, als Leiter einer Gemeinde und professioneller Verkünder und Liturge ermöglicht mir ein gutes Leben: sowohl die finanzielle Ausstattung als auch die Lebensbedingungen und das Ansehen zumindest in der kirchlichen Gemeinde sind sehr angenehm. Auch die Vielfältigkeit der Aufgaben ist interessant. Es ist tatsächlich keine schlechte Wahl in der röm.kath. Kirche Pfarrer zu sein.
Die Versuchung besteht, dass im Lauf der Jahre die ursprüngliche Motivation, die frohe Botschaft zu verkünden durch die gediegene Bürgerlichkeit untergraben wird. Dass der Beruf eher Grundlage für dieses Leben wird und die Berufung in den Hintergrund tritt.

Ich schau aber auch auf meine Kirche, besonders auf die Bischöfe, denen die Leitung der Kirche anvertraut ist: Sie bemühen sich sehr darum, die bestehenden Strukturen aufrecht zu erhalten und zu stärken:
Vom Zölibatsgesetz bis zum Ausschluss der Frauen vom Priesteramt, von der eucharistischen Trennung unserer Schwesterkirchen bis hin zu den Eheleuten, die nach einer Scheidung noch einmal heiraten und denen die Kommunion, die Mahlgemeinschaft in der gemeinde und damit mit Christus verweigert wird.

Die Versuchung ist groß, die in zwei Jahrtausenden entwickelten Regeln und Gesetze als göttlich zu bezeichnen, um die eigene Stellung in dieser großen Organisation „Kirche“ zu verteidigen.

Ich schau auch auf die ganze Gesellschaft, die sich als weltlich versteht und in der Religion Privatsache ist. Was hat sie mit dem 2. Gebot zu tun?
Diese Gesellschaft hat die ganze Welt zur Markthalle erklärt: Der Urwald um den Amazonas wird vermarktet, die Gesundheit der Kinder in Afrika wird dem Gewinn der Bergbaufirmen geopfert, beim Transport des Erdöls kommt es immer wieder zu Unfällen, die zuerst Fischen, Vögeln und Pflanzen das Leben kosten. Verfeindete Gruppen töten sich gegenseitig, statt ihre Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen – die Nutznießer sind die Verkäufer der Waffen.

In den Verfassungen der demokratischen Staaten steht zwar, dass die Würde des Menschen nicht verletzt werden darf. Doch unsere Unterneh­men und auch unsere Politik gestehen nicht allen Menschen die gleiche Würde zu: Viele zahlen den Preis für unsere Überheblichkeit: In den Textil­fabriken Asiens, in den Minen Südamerikas, in den Treibhäusern Spaniens, in den Ländern, die vom steigenden Meeresspiegel bedroht sind.

Wir Menschen machen das Haus Gottes, diese Welt, seine Schöpfung, zu einer Markthalle. Sogar der Wert eines Menschen wird daran gemessen, was er zum Bruttosozialprodukt beiträgt.

Die Menschheit steht vor einer großen Aufgabe und sie muss diese Aufgabe bewältigen: Die Menschheit muss sich so organisieren, dass die Würde jedes Menschen und sein Wohl der oberste Wert ist, weil er Gottes Ebenbild ist. Und wir? Glauben wir an Gottes Treue und daran, dass er jeden Menschen liebt und zum Heil führt? Helfen wir dabei? Suchen wir danach, was anders – besser – geht?

07.02.2021: 5. Sonntag im Jahreskreis

Hier geht es zu den Texten der Liturgie:

Wir Christen, sind wir nicht nur vernetzt, sondern verbunden mit der ganzen Kirche – genau genommen mit allen, die mit uns an Christus glauben.
Ab und zu einmal müssen wir deshalb auch im Gottesdienst – im Licht des Evangeliums – unseren Blick auf unsere Kirche richten. Der Zustand, das Wohl und Wehe, dieser Kirche geht uns an:
Es ist ja unsere Kirche, wir sind diese Kirche – und wenn ein Glied dieser Kirche leidet, leiden wir alle mit.

Rufen wir zu Christus um sein Erbarmen, dass wir in seinem Geist und in seiner Nachfolge die Wege finden und gehen, damit unsere Kirche ihre Sendung in der Welt erfüllen kann.

Herr Jesus Christus, du bist das Haupt der Kirche.
Herr Jesus Christus, du unser einziger guter Hirte.
Herr Jesus Christus, Licht unseres Lebens

Zum Evangelium:
die ganze Stadt kam zum Haus des Petrus, weil Jesus sich dort aufhielt.
Er verkündete das Evangelium, er heilte die Kranken und den Dämonen, von denen er die Menschen befreite, verbot Jesus zu sagen, dass sie wussten, wer er war.

Verkünden – Heilen – Menschen von dem Befreien, was sie von sich selbst entfremdet: So erregt Jesus Aufsehen. Und immer wieder verbietet er, zu sagen, wer er ist. Warum dieses Schweigegebot?

AUs der Sicht des Mk-Evangeliums kann Jesus solange lebt und wirkt, nicht als Messias und Sohn Gottes erkannt werden, der Sünde und Tod überwindet. Als Sohn Gottes wird er erst offenbar, als er von den Toten auferstanden ist. Dann wird auch im Rückblick auf sein Leben verständlich , warum er die Kranken heilte und die Dämonen austrieb.

Solange er aber lebt, ist wichtiger, dass er das Reich Gottes verkündet: Die Menschen sollen nicht Angst haben, sondern sich freuen und daran glauben, dass Gott ihnen nahe ist.

Liebe Schwestern und Brüder, gerade jetzt ist es wichtig, den Menschen Mut zu machen: Wir sind nicht von Gott verlassen. Sein Geist weist uns die Wege, wie wir diese Menschheitsgeißel überwinden.

Stattdessen gibt unsere römisch-katholische Kirche in unserem Lande leider gerade jetzt ein erbärmliches Bild ab:

die Zahl der Glaubenden wird immer weniger: aus verschiedenen Gründen:

  • viele glauben nicht mehr an Jesus Christus und an Gott und den Heiligen Geist und meinen, dies sei mit einem aufgeklärten und natur-wissenschaft­lichen und vernunftgeleiteten Weltbild unvereinbar;
  • viele lassen sich von den Anforderungen des Alltags, von der Hetze und auch von der Suche nach immer neuen beglückenden Erlebnissen so in Anspruch nehmen, dass für Gott kein Platz mehr bleibt.
  • viele sind beeindruckt von all dem Schlechten, das über die Kirche, genauer über die Päpste und Bischöfe und Priester gesagt wird; dass viel Unrecht von Priestern verübt wurde, dass dies vertuscht wurde und dass nun manchmal versucht wird, unter den Teppich zu kehren, dass vertuscht worden ist.

Schlimmer als all das ist: viele Bischöfe und Priester und MitarbeiterInnen in der Seelsorge, scheinen selbst nicht mehr zu glauben, dass wir uns nicht fürchten müssen, weil Gott uns und allen Menschen nahe ist. Dabei ist es doch ihr Auftrag, den Glauben zu stärken und zu wecken.

Sie handeln aus Angst:
Sie haben Angst davor, sich und die Regeln in der Kirche zu ändern,
Sie vertrauen nicht mehr darauf, dass sie die Vollmacht haben,
die Kirche zu gestalten;
das wichtigste sind ihnen die geltenden Strukturen – wichtiger sogar als dass die frohe Botschaft die Menschen erreicht. Wenn jemand sagt: Macht das doch endlich anders – es geht nicht mehr so weiter, erheben sie den Vorwurf, jemand wolle nur Strukturen ändern, statt Evangelisierung zu befördern. Tatsächlich behindert aber das ängstliche Festhalten an den Strukturen und ihre Verteidigung die Evangelisierung.

Die Kirche wird nicht daran zugrunde gehen, wenn es verheiratete Priester gibt;

die Kirche wird nicht zugrunde gehen, wenn das Priesteramt auch Frauen offen steht;

die Kirche wird nicht zugrunde gehen, wenn sie die jungen Menschen dabei begleitet, ihre Sexualität als beglückende Kraft und Sprache der Liebe zu entdecken, anstatt an Verboten festzuhalten und an der Warnung vor der Sünde, die von Gott trennt.

Ich bin froh, dass auch im Fernsehen Religionslehrer zitiert werden, die dies den Bischöfen sagen, um ihnen die Augen zu öffnen – in etwa mit den Worten: Wissen Sie eigentlich, dass sich die jungen Leute nicht mal darüber ärgern, was sie über Sexualität lehren?

Und ich wünsche mir, dass die Bischöfe und wir alle endlich verstehen:
Unsere Sendung ist nicht, den Menschen zu sagen, was alles Sünde ist.

Unsere Sendung ist, dass wir verkünden und sichtbar machen:
Gottes Reich ist uns nahe. Es ist mitten unter uns, denn Gott ist in uns.

Das ist das Evangelium und wir dürfen es nicht verfälschen durch selbstgemachte und für göttlich erklärte Gesetze.
Wenn wir, die Glaubenden, die Diakone, Priester und Bischöfe uns nicht bekehren, machen wir uns selbst überflüssig.

24. April 2016: 5. Ostersonntag

Hier geht es zu den liturgischen Texten: Schott

Liebe Schwestern und Brüder,
die Apostelgeschichte erzählt ausführlich, wie sich die Gemeinschaft der Jünger nach der Himmelfahrt Jesu entwickelte:
Verängstigte Leute ohne Plan und ohne Mut veränderten sich durch „den Heiligen Geist“ wie sie das nannten:

Plötzlich verkündeten sie freimütig die Auferstehung Jesu:
„Kehrt um und glaubt an Jesus und lasst euch taufen! Dann werdet ihr gerettet!“ Das verkündeten sie im Tempel und in den Synagogen.

Die Konsequenzen waren dem sehr ähnlich, was Jesus zu ertragen hatte:
Festnahme, Folter, Tötung und: Ausschluss aus der Synagoge –
aus dem Volk der Juden, dem Volk Gottes.

Das musste so kommen – das war die Voraussetzung dafür, dass etwas Neues entstehen konnte. Die versprengten Jünger Jesu bildeten überall kleine Gemeinschaften. Und bald nannte man die Leute, die an Jesus glaubten nach ihrem Herrn: Man nannte sie „die Gesalbten“.

Christen nennen wir uns bis heute, weil wir gesalbt sind mit dem Heiligen Geist – mit dem Geist Jesu selbst. Er schenkt uns Einsicht und Weisheit,
Rat und Erkenntnis, Stärke, Frömmigkeit und Gottesfurcht.

Liebe Schwestern und Brüder,
ideal wäre es, wenn jeder von uns sich zutrauen würde, auf seine Weise diese Gaben zu erklären. Wir können uns dabei bereichern durch unsere verschiedenen Gedanken und Sichtweisen.

Da ist noch eine Bemerkung, die in dem kurzen Abschnitt aus der Apostelgeschichte nicht ganz unwichtig ist:
Paulus und Barnabas „bestellten in jeder Gemeinde durch Handauflegung und Gebet Älteste.“

So werden die ersten Anfänge des Amtes in der Kirche geschildert:
Bis heute bestellen die Bischöfe durch Handauflegung und Gebet Männer mit dem Auftrag in der Gemeinde das Wort zu verkünden und dafür zu sorgen, dass den Armen geholfen wird. Sie sollen so wie Jesus die Menschen ermutigen, sie heilen, trösten, mahnen und mit ihnen das Brot brechen – gemäß dem Auftrag des Herrn.

Paulus erklärt im Titusbrief, welche Leute als Älteste geeignet sind:
rechtschaffene Männer, nur einmal verheiratet, mit wohl erzogenen Kindern …  –  seither hat sich einiges verändert.

Deshalb darf man ruhig fragen:
Wenn es nicht mehr wichtig ist, dass die Männer verheiratet sind,
sondern sogar inzwischen verlangt wird, dass sie ehelos sind,
warum ist es dann für alle Zeiten wichtig, dass es Männer sind?

Trotz solcher Fragen steht fest: das Bischofsamt und von ihm ausgehend das Priester- und Diakonenamt haben in allen christlichen Kirchen großen Anteil daran, dass das Evangelium bis heute den Christen Hoffnung gibt und Richtschnur ist für ihr Handeln. Das Amt garantiert, dass die Botschaft verkündet wird und überliefert wird.

Dennoch gibt und gab es immer viele Christen, die die Bischöfe und Priester und Diakone bei weitem übertroffen haben: in der Sorge für die Armen, in der festen Glaubensüberzeugung, im Einsatz für die Kirche.
Es ist sogar so, dass wir Amtsträger in der Kirche die anderen Christen brauchen, damit wir unsere Aufgabe im Volk Gottes erfüllen können.

Liebe Schwestern und Brüder, was wäre ich als Pfarrer, ohne Euch?
Wie sollte ich Zuversicht geben, wenn ich nicht sehen könnte: Da sind Christen, die aus dem Glauben leben möchten; wie sollte ich die Gemeinde leiten können, wenn niemand Lust hat zusammen zu kommen?

Wie sollte ich glauben können, wenn niemand mit mir den Glauben teilt?

Zu allererst sind wir Priester und Bischöfe ja Christen und haben den Glauben von unseren Schwestern und Brüdern empfangen und gelernt.

Liebe Schwestern und Brüder, die Kirche darf kein von oben nach unten sein. Wir sind das Volk Gottes. Eine Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern, in der jeder den anderen braucht. Wer der erste sein will, soll der Diener aller sein!  Unsere erste Sendung ist, dass wir das neue Gebot Jesu leben: dass wir einander lieben, wie Christus uns geliebt hat – dass wir also füreinander da sind und uns gegenseitig unterstützen. Das tun wir miteinander und wir brauchen einander, damit wir in dieser Zeit Christen bleiben können. Amen.