10.09.23: 23. Sonntag im Jahreskreis

Ansprache: Liebe Schwestern und Brüder,
wie soll ich das auslegen, was ich gerade vorgelesen habe?
Teilweise fällt es mir wirklich schwer:

Den ersten Teil kann ich noch leichter verstehen: da geht es um das Verhalten gegenüber einem Mitchristen geht, der mir selbst gegenüber ungerecht war (Vorwürfe? Gerüchte?). Das gipfelt in dem Satz: Wenn du ihm vergibst, gilt das auch im Himmel: du wirst ohne Zorn und Wut in den Himmel kommen und der Mitchrist ohne Verurteilung und Vorwürfe.

Der zweite Teil klingt sehr freundlich. Es ist ein riesiges Versprechen: „Was immer zwei einmütig erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten.“ Aber gerade deshalb ist es schwierig:

Entweder sehr viele unserer Gebete sind nicht einmütig, oder das Versprechen stimmt nicht: denn wie oft haben wir schon um Frieden gebetet: in der Familie; wie oft haben wir um Gesundheit gebetet, um Gerechtigkeit für die Armen usw.

Verzeihen Sie bitte, wenn es jetzt ein wenig kompliziert wird. Ich versuche, diesen Abschnitt in den Zusammenhang des ganzen Evangeliums zu stellen:

Unmittelbar vorher erzählt Jesus von dem Hirten, der ein einziges Schaf sucht, dafür die anderen 99 zurücklässt und sich über das eine Schaf, wenn er es wieder findet mehr freut, als über die 99.

Jesus geht es darum, dass niemand verloren geht! Die Regeln für den Streit unter Mitchristen haben also den Sinn, dass niemand verloren geht! So ist auch das Wort vom binden und lösen zu verstehen: Streit und Vorwürfe lösen, damit wir nicht gebunden, sondern gelöst – also frei – in den Himmel kommen.

Daran schließt sich das Versprechen der Gebetserhörung an begründet durch das zweite Versprechen: „Wenn zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“. – „Im Namen Jesu“ ist damit etwas über den Inhalt der Bitten angedeutet?

Im Mt. Evangelium ist früher schon vom Bitten die Rede gewesen – und zwar in der Bergpredigt im 5. und 6. Kapitel:
Jesus preist – auf unsere Frage bezogen – die Barmherzigen und die Friedenssstifter selig!

Einige Absätze später mahnt er dann: Sorgt euch nicht um Essen und Trinken und Kleidung – Sorgt euch zuerst um das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit!
In unseren einigen Bitte soll es also nicht um unsere unmittelbaren Lebensbedürfnisse gehen.
Aber was dürfen wir einig erbitten und werden es auch erhalten?
Mit welchen bitten sorgen wir uns um das Reich Gottes?

Leicht ist es zu sagen: Wir erbitten das ewige Leben – nicht nur füreinan­der, sondern sogar auch für die, die ungerecht zu uns sind oder waren:

An die Erfüllung dieser Bitte glaube ich – aber niemand kann es in dieser Welt „überprüfen“.

Wir können um „Versöhnung“ beten: aber wohl nur um unsere eigene:
wenn also zwei Streitpartner miteinander einig sind und um Versöhnung beten – dann ist die Bitte schon in diesem Augenblick gewährt!

Was ist mit all den anderen Bitten für die Armen, für die Kranken, für die Sterbenden, für die Kirche für die Glaubenden und ihre Bischöfe?

Um all das dürfen wir beten – ganz sicher. Wir dürfen als Kinder Gottes unserem Vater alles sagen und bitten und uns dabei ihm anvertrauen. Aber sind diese Bitten mit dem Versprechen gemeint?

Trotz der vielen Votivbilder, die von Gebetserhörungen Zeugnis geben, würde ich sagen: Diese Art von Bitten  sind mit diesem Versprechen wohl doch nicht gemeint:

Was ist nun die Quintessenz?

Ich gebe zu, so richtig zufrieden bin ich mit diesen Gedanken auch nicht.
Ich habe versucht, mich heranzutasten und diese wunderschönen Sätze im Mt. Ev. zu verstehen.

Vielleicht sind Sie schon weiter!
Dann lasse mir gerne von ihnen weiterhelfen!

24. Juli 2016: 17. Sonntag im Jahreskreis

Hier geht es zu den liturgischen Texten: Schott

Liebe Schwestern und Brüder,
Der Herr hatte Abraham die Geburt eines Sohnes versprochen. Als die drei Männer sich verabschieden, weihen sie Abraham ein: Aus Sodom und Gomorra ist Klagegeschrei zu hören. Sind die Menschen dort wirklich so böse geworden? Ist das Leben dort wirklich unmöglich geworden?

Abraham weiß, dass sein Neffe Lot in Sodom lebt. Er hofft, dass Lot ein rechtschaffenes Leben führt vor Gott und deshalb fängt er an, mit dem Herrn zu handeln: Wenn nur 10 Gerechte dort leben, wird Sodom ver­schont – so viel kann er durch sein Bitten und Flehen erreichen.

Mir fällt auf, dass das Klagegeschrei aus Sodom zum Herrn dringt. Die Menschen selbst beklagen sich über die schlimmen Zustände und rufen den Herrn an, er möge eingreifen. Er möge dem sündhaften Tun, das ein Zusammenleben unmöglich macht ein Ende bereiten.

Und es fällt mir auf, dass Abraham – wie später auch Mose – bei Gott für die Menschen eintritt und versucht, seinen Zorn zu besänftigen. Das stärkste Argument dafür ist: Da Du Gott doch der Gerechte bist, um deiner Gerechtigkeit willen, um deines Namens willen, verschone die Menschen.

Ist dieses beeindruckende Verhandeln Abrahams mit Gott ein Vorbild für uns? Die Vorstellung, dass Gott die Menschen bestraft und dass wir ihn anflehen müssen und können, um von der Strafe abzulassen, ist uns aus unserer heutigen christlichen Sicht fremd.

Wir flehen Gott an, dass Frieden werde, dass der Hunger ein Ende hat, dass die Kranken gesund werden, dass die Kinder zum Glauben finden …

Unsere Bitten ersehnen die gute, heile Welt.

Doch: haben wir nicht auch Rachegelüste, ohne dass wir sie uns eingestehen: Wer Kindern etwas antut, den sollte man umbringen?
Wer unschuldige Menschen niederschießt, ist kein Mensch mehr.

Kennen wir solche Gedanken, weil wir sie gehört haben oder selber denken? Ist unser Sehnen und Wünschen wirklich so friedlich?

Wir sind verunsichert, worum wir Gott bitten können:
Uns ist klar: Wir können Gott nicht um das bitten, was wir selber tun sollen: Brot für alle, das ist unser Auftrag.
Frieden unter den Menschen: das ist unsere Sache.

Ja, das ist uns aufgetragen und zugleich spüren wir, dass wir, dass kein Mensch es in der Hand hat: Niemand kann völlige Gerechtigkeit und umfassenden Frieden herstellen und sichern.

Und doch sehen wir die vielfältige Not;
wir wünschen dem anderen Glück und Gesundheit,
und auch wenn wir nur begrenzte Möglichkeiten haben, wollen wir und können wir die Solidarität in der Not und die guten Wünsche für andere äußern – damit sie womöglich wirksam werden.

Schwestern und Brüder, wofür können und sollen wir beten?
Diese Not der Jünger Jesu ist erstaunlich modern und zeitgemäß.
Ist es die Antwort Jesu auch?

Vater, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme.

Das ist das erste. Dass Gott groß ist unter den Menschen. Dass sein Reich kommt, seine Herrschaft, damit die Menschen auf ihn hören und Freude haben am Guten und Schönen.

Dann kommt das Zweite: die Bitte um das tägliche Brot, die Vergebung der Schulden und die Freiheit von der Versuchung gegen Gottes Willen und gegen das Wohl des Nächsten zu handeln.

Diese Bitten sind in der Wir Form – und das ist entscheidend:
Wer um Frieden und um das tägliche Brot bittet, tut dies als ein Mitglied der Menschheitsfamilie – solidarisch verbunden mit allen Menschen.
Nicht mein Hunger soll gestillt werden, sondern unser Hunger.
Nicht ich will meinen Frieden haben, sondern wir wollen miteinander in Frieden leben.

Liebe Schwestern und Brüder, Gott wird uns und hat uns schon lange alles gegeben, was er uns geben kann: Seinen Heiligen Geist. Den Geist des Friedens und der Gerechtigkeit. Beten wir um diese Gabe und um all ihre Früchte für die Menschen auf der ganzen Erde.