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Liebe Schwestern und Brüder,
Das Buch Exodus in der Heiligen Schrift der Juden hat eine ganz besondere Bedeutung. Es enthält das Bundesbuch. Gesetze für das Miteinander, Regelungen für Streitfälle, für Verbrechen, moralische Regeln über die sexuellen Beziehungen, Vorschriften für den Kult. Und vieles mehr.
Das Bundesbuch ist der ganze Stolz der Juden: Sie sind das Volk, mit dem Jahwe einen Bund geschlossen hat. Nicht irgendein Despot, ein autokratischer König oder Diktator – Gott hat ihnen Gesetze gegeben und sie damit in Freiheit gesetzt und zu seinem Volk gemacht.
Dieses Bundesbuch enthält auch die Dramatik in der Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel: Gott führt sein Volk in die Freiheit, er führt sie durch die Wüste doch immer wieder zweifelt das Volk an Gottes Treue, lehnt sich gegen Gott auf und wendet sich sogar Götzen zu.
So auch, als Mose 40 Tage und Nächte auf dem Berg Israel ist und von Gott die Gesetze erhält. Die Israeliten zweifeln, ob er zurückkommt und machen sich aus dem Gold ihres Schmuckes selbst einen Gott: ein goldenes Kalb und verehren darin Baal, den Gott der Kanaaniter. – Gott, der Herr scheint schon entschlossen, dieses Volk zu vernichten.
Die Theologen, die das Buch Exodus verfasst haben, entwerfen nun einen Dialog, in dem sich Mose Gott gegenüber zum Anwalt für sein Volk macht.
Er erinnert Gott an seine Versprechen und an alles, was er schon
für sein Volk getan hat, so dass Gott sich besänftigen lässt.
Liebe Schwestern und Brüder, die Fragen dieser Geschichte sind auch unsere Fragen: Kann mir Untreue vergeben werden?
Kann es dennoch eine gemeinsame Zukunft geben?
Muss der Mensch Gottes Urteil fürchten, wenn er gegen sein Gewissen handelt und anderen Böses tut?
Israels Glauben ist: Wenn auch wir untreu sind – Gott bleibt sich treu:
Er gewährt immer wieder neu Segen.
Das sich entwickelnde Leben bricht nicht ab. Es gibt immer eine Zukunft.
Liebe Schwestern und Brüder, Jesus von Nazareth geht in seiner Verkündigung noch weiter: Er erklärt, warum er sich mit Leuten umgibt, die sonst als Asoziale abgestempelt sind – als Leute, mit denen man nichts zu tun haben will. Er findet und weckt in ihnen den Willen, gut zu sein.
Es ist nicht wie im Buch Exodus, wo Mose Gott besänftigt. Vielmehr geht Jesus im Auftrag des himmlischen Vaters auf die Sünder zu und gibt ihnen Ansehen und Zuwendung. Er zeigt ihnen, dass sie nicht aus Gottes Liebe herausgefallen sind.
Jesus hat keine Scheu, diese Menschen als Sünder zu bezeichnen –
aber er erkennt, dass sie nach dem Leben suchen,
dass sie sich Anerkennung und Zuwendung wünschen.
Liebe Schwestern und Brüder,
denken wir an unsere eigene Lebensgeschichte:
denken wir an die Episoden, wo wir auf der Kippe standen:
Kann ich mich in der Situation des verlorenen Schafes wiederfinden?
Wie oft bin ich schon wiedergefunden worden: es gab jemand, der da war, der mir wieder Mut gemacht hat, der bei mir aushielt, der mich mitzog.
Vielleicht aber gehören sie auch zu denen, die immer dabei geblieben sind. Darüber dürfen sie sich freuen.
Uns aber lehrt Jesus, dass wir niemanden abschreiben,
Hoffentlich gibt es jemand, der in den Menschen wieder den Glauben an das Gute und den Willen zum Leben findet und stärken kann.
Auch uns selbst gilt die Botschaft:
Der gute Hirt, Gott selbst, wird dafür sorgen, dass die Schöpfung lebt, dass der Mensch den Weg zum Leben findet.
Wir dürfen hoffen und vertrauen, dass das Leben – weil es von Gott kommt – Zukunft hat.
Und wir dürfen uns über jeden Menschen freuen, der mit uns den Weg zum Leben suchen will. Besonders dürfen wir uns freuen, wenn wir wie ein wiedergefundenes Schaf wieder den Weg des Lebens gehen.