26.07.2020: 17. Sonntag im Jahreskreis

Hier geht es zu den Texten der Liturgie: schott

Ansprache:
Ist es das wert? Diese Frage kennen wir. Aber wann stellen wir sie uns?

Natürlich, wenn es um den (vielleicht sehr hohen) Preis für etwas geht, das wir uns anschaffen wollen?  Ist es so viel Geld wert?

Öfter noch, so ist mein Eindruck, stellen wir die Fragen, wenn jemand sich großen Ärger und Schwierigkeiten eingehandelt hat, vielleicht sogar Streit in der Familie, etc. „War es das wert?“ fragen wir dann?

Das Wort „Wert“ ist auch ein Substantiv. Europa sei eine Wertegemein­schaft wird immer wieder gesagt. Weil ich Pfarrer bin, beteuern Leute mir gegenüber, dass ihnen die „christlichen Werte“ wichtig sind.

Was sind unsere Werte?
Wofür sind wir bereit, uns anzustrengen, freiwillig Geld auszugeben, obwohl es nicht sein müsste?

Ja, es gibt die „materiellen Werte“: Essen und Trinken, Wohnung und Einrichtung, Auto und Schmuck ‑ sind Werte, die im Alltag wichtig sind: Sozusagen unser tägliches Brot um das wir beten. Auch Luxusgüter gehören dazu.

Diese materiellen Werte sind wichtig. Wenn sie fehlen, herrscht große Not. Doch sie sind nicht das Wichtigste. Im Gegenteil: Menschen, die sie zu wichtig nehmen neigen dazu andere Werte, die wichtiger sind, zu vernachlässigen:

Diese wichtigeren Werte sind es wert, dass man dafür sogar materielle Nachteile und Verzicht in Kauf nimmt: ?????

Gesundheit, Freundschaft, Familie, das Wohl der Kinder, Erfolg, …
das leuchtet den meisten Menschen ein.

Sind das die höchsten Werte?

Jesus stellt mit seiner Botschaft noch andere Werte zur Wahl:
Das Himmelreich, das Reich Gottes.

Für ihn ist das der höchste Wert und er sagt ganz klar:
Wer zu ihm gehört, wer ihm nachfolgt, wer ihm glaubt und an ihn glaubt, wählt das Reich Gottes als höchsten Wert – und damit Gott selbst!

Das wichtigste im Leben ist Gott und das Streben, Gottes Willen zu tun.

Es ist natürlich Gottes Wille, Vater und Mutter zu ehren,
seinen Kindern Liebe und Geborgenheit zu schenken,
und sie zu lehren, dass sie Gottes geliebte Kinder sind.

Es ist selbstverständlich Gottes Wille, Verantwortung zu tragen
und im Beruf mitzuwirken an der Gesellschaft und für das eigene Auskommen zu sorgen.

Es ist selbstverständlich Gottes Wille, mitzuwirken an einer gerechten Gesellschaft, in der die Menschen friedvoll leben können – verbunden mit der ganzen Menschheitsfamilie. (Das ist keineswegs selbstverständlich – wie viele Beispiele zeigen …)

Wenn wir nach Gottes Willen fragen, wenn wir sein Reich suchen,
ist uns bewusst, dass das Wohl des anderen, dass der Friede des anderen genauso wichtig ist wie mein Frieden und mein Wohlergehen.

Denn in Gottes Reich ist jeder Mensch gleich wichtig und wertvoll.

Wer dies erkannt hat,
wer erkannt hat, dass es Frieden nur miteinander und nicht auf Kosten anderer gibt, und dass Gerechtigkeit bedeutet, dass jedem Recht geschieht,
wird alles einsetzen, damit dieser Frieden entsteht und wächst.

Grundlage dafür ist der Friede, den nur Gott geben kann,
die wichtigste Entdeckung:
Ich bin Gottes geliebtes Kind. Das ist fest und endgültig und gilt in Ewigkeit.

Und da ich doch Gottes geliebtes Kind bin, kann es doch gar nicht anders sein,
als dass mir der andere und sein Frieden ebenso wichtig ist wie ichm ir sein darf.

01.11.2019: Allerheiligen

Hier geht es zu den Texten der Liturgie: schott

Schw. Und Br.,
wir sprechen vom Fest Aller Heiligen.
Ein Fest mit allen Heiligen stelle ich mir ziemlich spannend vor, denn bei diesem Fest sind erstens sehr viele und zweitens völlig verschiedene Personen zusammen: Von Johannes Paul II bis hin zur heiligen Hildegard.

Menschen aus ganzverschiedenen Zeit, mit ganz verschiedenen Charakte­ren und vor allem: Wahrscheinlich haben sie zum Teil ganz und gar gegensätzliche Meinungen und Überzeugungen.

Die Kirche Gottes besteht nicht aus lauter gleichförmigen Menschen;
Christen sind nicht alle aus dem gleichen Holz geschnitzt;
der Glaube und die Entscheidung für ein Leben aus der Kraft des Glaubens führen nicht zu einer Gleichschaltung des Gehirns.

Eines aber haben die Heiligen alle gemeinsam:
Sie haben auf den Geist Gottes gehört,
sie haben die frohe Botschaft Jesu in ihrem Leben angewandt,
sie haben die Werte des Himmelreiches ernst genommen und versucht sie in ihrem Leben umzusetzen.

Das Matthäusevangelium fasst diese Werte in schönster Weise unüberbietbar zusammen: die Werte des Himmelreiches sind:

Das Himmelreich selbst für die, die Gott anerkennen;

der Trost für die Trauernden,

das Land und die Früchte, die es trägt für die, die es sanft – also ohne Gewalt – besiedeln,

Gerechtigkeit für die, denen Unrecht geschieht,

Erbarmen – also Vergebung und Hilfe für die, die selbst vergeben und anderen helfen,

Gott schauen – also Gottes Nähe – für die, die keine bösen Gedanken und Absichten haben;

Noch mehr: Kind Gottes heißen – also ihm ähnlich sein, für die, die Frieden stiften, die Versöhnung und Aussöhnung ermöglichen;

Das Himmelreich wird denen zuteil, die verfolgt werden, weil sie für Gottes Willen einstehen und an Jesus glauben.

Liebe Schwestern und Brüder,
wir leben in einer Konsumgesellschaft,
in einer Gesellschaft, die Angst hat vor dem Untergang;
in einer Leistungsgesellschaft, in einer Freizeitgesellschaft,
Unsere Gesellschaft wird bestimmt von Kapitalgesellschaften und deren Gewinnstreben, manche sprechen auch von einer Ellenbogengesellschaft.

Das sind die Werte, die unsere Gesellschaft heute prägen.

Es gibt auch Leute, die angeben, für die christlichen Werte einzutreten:
In Wirklichkeit treten sie ein dafür ein, dass Deutsche besser wären als andere und dass wir mit niemandem teilen sollten.
Sie verbreiten Ängste und Schuldzuweisungen,
sie drohen und bedrohen, sie lügen und beleidigen.

Wir aber haben eine andere Mission: Die Werte, die uns leiten, haben auch die Heiligen geleitet. Sie haben jeweils auf ihre eigene Weise ihren Beitrag geleistet, dass Gottes Reich in dieser Welt gegenwärtig ist:

Sie haben Getröstet, Hoffnung geschenkt, Not gelindert und beseitigt, Gerechtigkeit hergestellt, Vergebung und Hilfe gebracht und die Menschen spüren lassen, dass Gott ihnen nahe ist, dass sie Gottes Kinder sind.

Weil Gott unendlich ist, ist seine Schöpfung voll unendlicher Vielfalt und auch die Menschen, die auf Gottes Geist hören sind untereinander verschieden, sie sind einzigartig und sie vollbringen unterschiedlichste Dinge.

Doch sie sind Gottes Kinder und von der Sehnsucht geleitet und geprägt, dass Gott in seiner Schöpfung verherrlicht wird durch Menschen, die in Frieden und Gerechtigkeit im Gehorsam gegen Gott die Güter der Erde miteinander teilen und einander immer wieder Vergebung und Hilfe schenken.

31.03.2018: Auferstehungsfeier

Hier geht es zu den liturgischen Texten: schott

Heurige Auswahl der Lesungen: Genesis (Kurzfassung) – Rettung am Schilfmeer – Jes 55 – Röm – Mk

Als der junge Mann im Grab den Frauen auftrug, sie sollen es den Jüngern sagen, „verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemand etwas davon; denn sie fürchteten sich.“

Das ist der Schluss des Markusevangeliums: „Sie fürchteten sich.“

Wer würde sich da nicht fürchten! Wenn Gottes Wirken, wenn Gottes Lebensmacht so offenbar wird. Schrecken, Entsetzen, Furcht. Das verstehe ich. Die Frauen erleben konkret, was in der Gottesrede des Jesaja gesagt wird:

„So hoch der Himmel über der Erde ist, / so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege / und meine Gedanken über eure Gedanken.“

Offenbar haben die Frauen ihren Auftrag doch noch erfüllt, sonst gäbe es das Evangelium nicht.  – Der ursprüngliche Schluss des Markusevangeli­ums erzählt das aber nicht mehr. Es hat ein offener Schluss.

Dadurch können wir als Hörer und Leser des Evangeliums unseren Platz in der Geschichte suchen. Wir können die Geschichte des Evangeliums selber weiterschreieben. Wir können zum Beispiel die Stelle der Frauen einnehmen und zu Boten werden, die verkünden. „Jesus ist auferstan­den.“ Dann erfüllen wir den Auftrag heute, denn diese frohe Botschaft muss zu allen Zeiten verkündet werden.

Wir können uns auch vorstellen, mit den Jüngern nach Galiläa zu gehen – dort werden wir ihn sehen. Galiläa – dort hat Jesus seinen Weg begonnen:
Dort hat er die ersten Kranken geheilt. Da war der Andrang der Menschen groß und alle wollten ihn hören.

Von dort ging er nach Jerusalem – wo er seinen Weg vollendete.

Nach Galiläa gehen, das heißt: Jesu Wer weiterführen: Das Reich Gottes verkünden in Wort und Tat: Deutlich machen, dass Gott an der Seite der Kranken und Elenden ist, dass er auch die Sünder ruft und ihnen vergibt.
Nach Galiläa gehen heißt: Bereit sein, den Weg Jesu zu gehen – auch den Weg nach Jerusalem, den Weg ans Kreuz.

So oder so: Wir sind zugleich Empfänger der frohen Botschaft und wir sind ausgesandt, die Auferstehung Jesu zu verkünden, die Botschaft von der Barmherzigkeit des himmlischen Vaters, der seinen Sohn auferweckt.

Die Auferstehung Jesu vom Tod – dieser Glaube ist das Umwerfendste, was die Welt je gehört hat.

Für alle, die Jesus geliebt haben und lieben, ist es die größte Freude, die Erlösung: er lebt. Er ist da. Er ist wirklich von Gott gekommen. In ihm hat Gott zu uns gesprochen. Was für ein Glück, dass er lebt.

Alle, die glauben, sehen das Leben und die ganze Welt im Licht der Auferstehung: die von Krankheit gequälten; die, denen es nicht gegeben ist, Gottes Gebote zu halten; die Gefolterten und Gemarterten,
sie alle werden gerechtfertigt werden. Es wird sich zeigen, dass nicht Gott ihnen das Leben verstellt, sondern er wird ihnen Recht verschaffen vor allen anderen – gerade vor denen, die auf der Sonnenseite des Lebens standen.

An Ostern glauben, das heißt, eine neue Welt sehen und daran glauben, dass sie kommen wird und dafür leben, dass sie kommen kann:
eine Welt, deren Werte aus dem Osterglauben kommen:

Diese Werte sind zuallererst die Liebe: die Liebe Gottes, die bekannt werden muss.
Liebe die mehr ist, als ein bisschen Freundlichkeit und Harmonie;
Liebe, die zuvorderst den Armen gilt.
Liebe, die keinen ausgrenzt von den Gütern des Lebens, vom Leben selbst,
weil auch Gott keinen ausgrenzt, den er ins Leben rief.

Und die Kirche – also wir – Schwestern und Brüder – wir sind die Propheten, die Boten, die Vorreiter dieser neuen Welt.

In einem Musikspiel von Peter Jansens singt die Hauptperson – Elisabeth von Thüringen von dieser Kirche und von dieser neuen österlichen Welt:

Ich seh eine Kirche, die uns zur Armut mahnt, einen Bischof, der die Satten vor Habgier warnt. Ich seh die Gemeinde, die mit den Armen lebt, einen Priester, der den Hungrigen zu essen gibt.

Ich seh die Gesellschaft, die alle Güter teilt, einen Menschen, der die Wunden der Kranken heilt. Ich seh‘ einen Staatsmann, der endlich Frieden wagt, einen Fürsten, der die Waffen zum Teufel jagt.

Ich seh eine Kirche, die uns zur Armut mahnt, einen Bischof, der die Satten vor Habgier warnt. Ich seh neue Dörfer, die keine Gräben zieh’n, neue Menschen, die den Nachbarn entgegengeh’n.

Wir Christen sind Propheten einer neuen Welt, die kommen wird: Eine Welt, von der wir nicht nur träumen, sondern für die wir uns anstrengen.