28.03.24: Gründonnerstag

„In dieser Nacht gehe ich durch Ägypten und erschlage jede Erstgeburt bei Mensch und Vieh.“ Das ist eine gruselige Vorstellung.
Welch ein Massaker wäre das.
Heute ist es nicht der richtige Zeitpunkt, um historische, kritische und kulturelle Erklärungen für diesen Satz zu geben. Ich halte schlicht und einfach fest: Ich glaube nicht, dass Gott oder seine Engel jemals irgend­einen Menschen erschlagen. Ich bin im Gegenteil fest überzeugt, dass es nie und niemals Gottes Wille sein kann, einen Menschen zu töten.

Dennoch ist das geschilderte Mahl wichtig:

Es wird am Tag vor dem Auszug aus Ägypten gefeiert. Es ist das Mahl der Befreiung aus der Sklaverei.

Nach altem Hirtenbrauch wird ein Lamm gegessen. Das „Lamm“ ist in unsere christliche Symbolsprache eingegangen. Wir bezeichnen Jesus als Opferlamm. Auch deshalb, weil das Johannesevangelium es so darstellt, dass Jesus zu der Stunde am Kreuz starb, als die Opferlämmer für das Paschamahl geschlachtet wurden.

Gemäß den anderen drei Evangelisten war das Abschiedsmahl Jesu mit seinen Jüngern und Jüngerinnen sein letztes Paschamahl vor seinem Tod.

Im Mittelalter waren die Menschen sehr an Wundern interessiert. Wunderheilungen und wundertätige Brunnen führten zu hunderten von Wallfahrten. Die Theologen befassten sich deshalb intensiv mit der Frage: Wie können sich Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandeln.
Sie versuchten, das mit den Begriffen der Philosophie und ihrer Logik zu erklären. Daraus entwickelte sich die Transsubstantiationslehre mit ihrem sehr abstrakten Vokabular.

Die Frage, wie sich Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandeln können, stellt sich vor allem, wenn man das Wort: „ist“ wie ein Gleich­heitszeichen versteht. Wie geht das: Brot ist Leib! Wein ist Blut?

Wenn wir heute die Worte Jesu in den Evangelien hören, beschäftigen uns vielleicht andere Gedanken.

Ohne Zweifel sprach Jesus von seinem eigenen Leib und Blut, das für die seinen hingegeben und vergossen wird. Dieses Passiv deutet an, dass Gott am Werk ist.

Gott war die ganze Zeit schon am Werk: als Jesus Sündern die Vergebung zusprach und schlechten Menschen erklärte, dass sie in den Augen Gottes keine schlechten Menschen sind.
Gott war am Werk, als Jesus das Reich Gottes ausrief.
Gott war am Werk, als Jesus seinen Zuhörerinnen erklärte, dass Gott die Menschen liebt wie ein Vater seine Kinder und dass er die Menschen behütet, wie eine Henne, die ihre Küken unter ihren Flügeln Zuflucht gewährt.
Gott war auch am Werk, als Jesus seiner Botschaft und den Menschen und dem himmlischen Vater treu blieb – und deshalb sein Leib und Leben,
sein Blut und seine Kraft den Machtverhältnissen, der Ruhe und der Ordnung geopfert wird.

Jesus sagt: Mein Leib wird für euch hingegeben. Das Wort für bedeutet „Aus Liebe und Treue“ zu euch und damit ihr endgültig und unwiderruflich versöhnt sein könnt.

Dieses für euch gebe ich meinen Leib und mein Blut, verbindet Jesus – erstmalig und originell und einzigmalig – mit dem Brechen des Brotes beim Paschamahl. Dieses Brotbrechen wird dadurch etwas völlig Neues.

Es erinnert nicht mehr an die Freiheit und das Opfer unter den Ägyptern.
Es erinnert an Jesus und seine Treue und Liebe. Es erinnert an sein Leben, in dem Gott am Werk war. Es ist mehr als Erinnerung:

Wenn wir das Brot brechen und uns an Jesus erinnern und seine Worte hören, dann wird uns inne, innerlich, dass er uns Versöhnung schenkt.
Unwiderruflich und endgültig. Wir sind befreit, wir müssen kein Gericht fürchten, Gott nimmt uns an, wir dürfen sein, wir dürfen uns selber annehmen. Es gibt keine Absonderung von Gott. Eine sinnige Zuspitzung sagt: Selbst ein gottloser Mensch wird Gott nicht los.

Jesu sagt dann noch: Tut dies zu meinem Gedächtnis: Brecht das Brot, teilt den Wein, heilt, vergebt. Tut aus Liebe füreinander, was ich für euch getan habe. Amen.

11. September 2016: 24. Sonntag im Jahreskreis

Hier geht es zu den liturgischen Texten: Schott

Liebe Schwestern und Brüder,
Das Buch Exodus in der Heiligen Schrift der Juden hat eine ganz besondere Bedeutung. Es enthält das Bundesbuch. Gesetze für das Miteinander, Regelungen für Streitfälle, für Verbrechen, moralische Regeln über die sexuellen Beziehungen, Vorschriften für den Kult. Und vieles mehr.

Das Bundesbuch ist der ganze Stolz der Juden: Sie sind das Volk, mit dem Jahwe einen Bund geschlossen hat. Nicht irgendein Despot, ein autokratischer König oder Diktator – Gott hat ihnen Gesetze gegeben und sie damit in Freiheit gesetzt und zu seinem Volk gemacht.

Dieses Bundesbuch enthält auch die Dramatik in der Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel: Gott führt sein Volk in die Freiheit, er führt sie durch die Wüste doch immer wieder zweifelt das Volk an Gottes Treue, lehnt sich gegen Gott auf und wendet sich sogar Götzen zu.

So auch, als Mose 40 Tage und Nächte auf dem Berg Israel ist und von Gott die Gesetze erhält. Die Israeliten zweifeln, ob er zurückkommt und machen sich aus dem Gold ihres Schmuckes selbst einen Gott: ein goldenes Kalb und verehren darin Baal, den Gott der Kanaaniter. – Gott, der Herr scheint schon entschlossen, dieses Volk zu vernichten.

Die Theologen, die das Buch Exodus verfasst haben, entwerfen nun einen Dialog, in dem sich Mose Gott gegenüber zum Anwalt für sein Volk macht.
Er erinnert Gott an seine Versprechen und an alles, was er schon
für sein Volk getan hat, so dass Gott sich besänftigen lässt.

Liebe Schwestern und Brüder, die Fragen dieser Geschichte sind auch unsere Fragen: Kann mir Untreue vergeben werden?
Kann es dennoch eine gemeinsame Zukunft geben?
Muss der Mensch Gottes Urteil fürchten, wenn er gegen sein Gewissen handelt und anderen Böses tut?

Israels Glauben ist: Wenn auch wir untreu sind – Gott bleibt sich treu:
Er gewährt immer wieder neu Segen.
Das sich entwickelnde Leben bricht nicht ab. Es gibt immer eine Zukunft.

Liebe Schwestern und Brüder, Jesus von Nazareth geht in seiner Verkündigung noch weiter: Er erklärt, warum er sich mit Leuten umgibt, die sonst als Asoziale abgestempelt sind – als Leute, mit denen man nichts zu tun haben will. Er findet und weckt in ihnen den Willen, gut zu sein.

Es ist nicht wie im Buch Exodus, wo Mose Gott besänftigt. Vielmehr geht Jesus im Auftrag des himmlischen Vaters auf die Sünder zu und gibt ihnen Ansehen und Zuwendung. Er zeigt ihnen, dass sie nicht aus Gottes Liebe herausgefallen sind.

Jesus hat keine Scheu, diese Menschen als Sünder zu bezeichnen –
aber er erkennt, dass sie nach dem Leben suchen,
dass sie sich Anerkennung und Zuwendung wünschen.

Liebe Schwestern und Brüder,
denken wir an unsere eigene Lebensgeschichte:
denken wir an die Episoden, wo wir auf der Kippe standen:
Kann ich mich in der Situation des verlorenen Schafes wiederfinden?

Wie oft bin ich schon wiedergefunden worden: es gab jemand, der da war, der mir wieder Mut gemacht hat, der bei mir aushielt, der mich mitzog.

Vielleicht aber gehören sie auch zu denen, die immer dabei geblieben sind. Darüber dürfen sie sich freuen.

Uns aber lehrt Jesus, dass wir niemanden abschreiben,
Hoffentlich gibt es jemand, der in den Menschen wieder den Glauben an das Gute und den Willen zum Leben findet und stärken kann.

Auch uns selbst gilt die Botschaft:
Der gute Hirt, Gott selbst,  wird dafür sorgen, dass die Schöpfung lebt, dass der Mensch den Weg zum Leben findet.
Wir dürfen hoffen und vertrauen, dass das Leben – weil es von Gott kommt – Zukunft hat.

Und wir dürfen uns über jeden Menschen freuen, der mit uns den Weg zum Leben suchen will. Besonders dürfen wir uns freuen, wenn wir wie ein wiedergefundenes Schaf wieder den Weg des Lebens gehen.