Hier geht es zu den liturgischen Texten: 
Liebe Schwestern und Brüder,
Adam, der Mensch, hörte Gott, er merkte, dass er nackt war, und versteckte sich aus Furcht.
Diese Schilderung ist wunderbar. Man kann es sich richtig schön vorstellen. Ein kleiner Film entsteht sofort im Kopf. Geprägt von den vielen Bildern, die diese Szene darstellen.
Doch leider: Liebe Schwestern und Brüder, Genesis beschreibt keine dramatische Episode des ersten Menschenpaares. Wir begegnen hier einer tiefen Überlegung über die Beziehung des Menschen zu sich selbst und zum Ursprung des Lebens, den wir Gott nennen.
Die Erfahrung des Menschen mit sich selbst ist zugespitzt in dem Satz:
Der Mensch erkannte, dass er nackt war.
Es geht nicht so sehr um das körperliche nackt sein. Es geht um eine andere Erfahrung: Der Mensch wollte mehr sein, als er war, er wollte wie Gott sein und Gut und Böse erkennen. So ist der Mensch über sich selbst hinaus gewachsen.
In Wirklichkeit entdeckt er aber noch mehr: dass er überaus anfällig ist. Der Mensch erkannte, dass er seinen Ursprung nicht erklären kann.
Er erkannte, wie verletzlich er ist. Der Mensch bekam ein Gespür für seine Vergänglichkeit.
Damit ist das menschliche Wesen beschrieben – sehr bildhaft, sehr mythologisch – aber doch zutreffend:
Der Mensch möchte über sich selbst hinaus und leidet an seiner moralischen Begrenztheit und an seiner Sterblichkeit. So ist es bis heute.
Moral, Ethik und Sterblichkeit stehen in einem engen Zusammenhang.
Gut ist das Leben! Böse ist der Tod! Der Mensch strebt nach dem Leben und flieht den Tod. Und wirklich:
der Mensch gebiert, schützt und hilft dem Leben und
er schadet, gefährdet und zerstört Leben.
Der Mensch ist gut und böse und er weiß es auch. Das macht ihm Angst. Denn er möchte nur gut sein und gar nicht böse. Das ist ein grundlegender Antrieb des Menschen: Du sollst gut sein und nicht böse.
So ist der Mensch herausgefallen aus dem Paradies der Selbstverständlichkeit. So fiel der Mensch heraus aus der Seligkeit des Nicht Wissens. So verlor er seine Unschuld. Er kann sein Leben nicht einfach so nehmen, wie es ist. Das ist der Preis des Menschseins.
Doch die Überlegungen von Genesis sind noch nicht am Ziel:
Da ist noch die Rede von den Nachkommen: Die Menschen werden für das Leben kämpfen. Sie werden den Tod bekämpfen. Die Menschen werden darum ringen, gut zu sein und nicht böse.
Dieser Kampf prägt die Menschheitsgeschichte bis auf den heutigen Tag und es wird so bleiben, solange es Menschen gibt.
Für uns Christen bedeutet aber Jesus und sein Leben eine Zäsur in dieser langen Geschichte:
Jesus hat in seiner Person dem Bösen keinem Raum gelassen.
Er hat den Menschen das Leben gerettet. Er hat sie geheilt und mit sich versöhnt. Die gesagt haben: es hat keinen Sinn, gegen das Böse zu kämpfen, die bösen Geister hat er ausgetrieben.
Jesus hat den Kampf gegen das Böse gewonnen. Er hat es besiegt, indem er immer das Gute getan hat. Er ließ sich nicht täuschen von denen, die sagen: der Zweck heiligt die Mittel.
Er wusste, dass Gutes nur bewirkt, wer Gutes tut. Denn:
Der Krieg bringt keinen Frieden.
Gewalt gebiert kein Leben.
Lüge bringt keine Gerechtigkeit.
Feindschaft führt nicht zur Versöhnung.
Wer den Frieden will, muss auf Angriff verzichten.
Wer das Leben will, darf keine Gewalt anwenden.
Wer Gerechtigkeit will, kann nicht auf Lügen bauen.
Wer Versöhnung will, hört auf, den anderen als Feind zu sehen.
Jesus legt es in unsere Hand, ob wir zu seiner Familie gehören:
Wer den Willen seines Vaters tut, der ist ihm Bruder und Schwester und Mutter. Der Ursprung des Lebens, unser Vater, will, dass wir für das Leben eintreten und dabei auf die Kraft des Guten vertrauen. So wie Jesus unser Bruder.