11.11.18: 32. Sonntag im Jahreskreis

Hier geht es zu den Texten der Liturgie: schott

Liebe Schwestern und Brüder,
Bei der Polizei gibt es europaweite Datensammlung von Fingerabdrücken – sie ermöglicht es, amtsbekannte Menschen zu identifizieren.
Die Hautlinien unseres Daumens sind absolut individuell und einmalig.
Sie gehören zu uns.

Im Tagesgebet am Anfang haben wir gebetet:
Gott, du hast uns in deine Hand geschrieben.

Diese Vorstellung hat ihre Wurzeln beim Propheten Jesaja:
Das Volk klagt: Gott hat uns vergessen. Die Antwort Gottes ist:
Niemals könnte ich dich vergessen Israel. Ich habe dich eingeschrieben in meine Hände.

Schwestern und Brüder, wir gehören zu Gott, zu Gottes Identität, wir sind ein Teil von ihm. Und deshalb können wir Gott so vertrauen:
Immer wird er an uns denken.

Viele tun sich schwer, das zu glauben und anzunehmen:

Wenn es uns gut geht, sagen wir:
Jeder ist seines Glückes Schmid. „Ich habe es mir verdient“, meinen wir, „durch meinen Fleiß, mein Können,
durch meine Ausdauer und mein Geschick.“

Wenn es uns schlecht geht denken wir:
Wie kann das Gott zulassen. Er muss doch für mich sorgen.
Wenn er mich wirklich liebt, darf er nicht zulassen,
dass es mir schlecht geht.

In der Lesung hörten wir die Geschichte von der Witwe: Sie hat nicht mehr. Die von Elija angekündigte Trockenheit hat ihr alles genommen.
Aber sie lässt sich überreden, dass sie zuerst Elija Wasser und Brot bringt, statt für sich und ihren Sohn etwas zu bereiten.
Das Versprechen ist: Der Mehltopf wird nicht leer und der Ölkrug nicht trocken. Gott wird dich am Leben erhalten.

Sie glaubt dem Wort und gibt Elija Wasser und Brot.

Das zweite Beispiel im Evangelium ist die Witwe, die ihre letzte Münze in den Opferkasten wirft: Das letzte, soll zur Ehre Gottes dienen.
Sie vertraut sich damit rückhaltlos Gott an.
Er hat mich in seine Hand geschrieben. Er vergisst mich nicht.

Deshalb hat Jesus sie uns als Vorbild vor Augen geführt.
Wir können uns Gott anvertrauen – rückhaltlos.
Er vergisst uns nicht! Wir sind in seine Hand geschrieben.

Schwestern und Brüder,
wie können wir so ein Vertrauen zu Gott gewinnen?
Indem wir es üben, so wie wir die Liebe üben.

Wann ist dieses Vertrauen zu Gott gefordert?

In jeder kleinen Entscheidung:
Helfen oder nicht helfen?
Dem anderen den Vortritt lassen – oder selbst die Gelegenheit beim Schopf fassen?
Ein Tischgebet sprechen – oder einfach nur guten Appetit wünschen?

Es gibt jeden Tag die Möglichkeit für kleine Vertrauensübungen gegenüber Gott – sie lassen uns im Vertrauen zu Gott wachsen.

So lernen wir in vielen kleinen Übungen, uns selbst und unser Leben Gott anzuvertrauen – bis hin zu diesem letzten großen Sprung ins Unbekannte, wenn wir aus diesem Leben in das andere hinübergehen werden.

30.09.2018: 26. Sonntag im Jahreskreis

Hier geht es zu den liturgischen Texten: schott

Es war ein armseliges übervölkertes Viertel im Süden Manhattans. Kurt, ein deutscher Einwanderer würde in vier Monaten das amerikanische Staatsexamen ablegen. In Berlin war er bereits promovierter Kinderarzt gewe­sen. Jimmy, der Sohn seines Vermieter, war sehr krank. Kurt hatte darauf bestanden, dass ein anerkannter Arzt geholt wird. Aber der kam zum dritten Be­such nicht mehr, weil der zweite noch nicht bezahlt war. Und Jimmy war auch nicht mehr transportfähig. Sein Fieber stieg immer noch, und der Atem begann zu rasseln. Alle starrten auf das röchelnde Kind. Da drehte sich der Vermieter zu Kurt um und flüsterte beschwörend: „Sie sind doch Arzt. Um Gottes willen, lassen sie das Kind nicht sterben!“

Kurt wusste genau: Würde er helfen, bricht er das Gesetz, müsste er mit neuer Heimatlosigkeit und Armut rechnen. Seine Zukunft wäre zerstört. Und vor ihm lag ein schweißüberströmtes Kind, geschüttelt von Fieber und Schmerzen.

Zehn Tage lang kämpfte Kurt um das Leben des Kindes. Genau an dem Tag aber, an dem Jimmy zum ersten Mal aufstehen durfte, wurde Kurt verhaftet. Der andere Arzt hatte Anzeige erstattet.

Am gleichen Tag ging eine Bewegung durch das Haus und die Straßen: Die Leute steckten ihre Köpfe zusammen. Ihre Gesichter waren zornig. Am nächsten Morgen gingen alle zum Gericht der Stadt New York. Über hundert Leute drängten sich im Saal. Der Richter blickte erstaunt auf die merkwürdige schweigende Menge.

„Schuldig oder nicht schuldig?“ fragte der Richter den Angeklagten. Noch bevor Kurt den Mund öffnen konnte, riefen hundert Stimmen: „Nicht schuldig.“ „Ruhe!“, donnerte der Richter. „Ich werde den Saal räumen lassen, wenn ich noch einen Laut höre …“
Dann aber stockte er auf einmal, blickte auf die müden Gesichter und die gebeugten Rücken und fragte: „Was wollt ihr denn?“

Da begann der Vermieter zu sprechen. Und zum Schluss sagte er: „Darum sind wir hier. Und wenn Sie unseren Doktor zu einer Geldstrafe verur-teilen: Wir haben 86 Dollar gesammelt …“
Der Richter erhob sich und lächelte. Er klopfte mit dem Hammer auf den Tisch und verkünde­te: „Sie haben gegen das Gesetz verstoßen, um – einem höheren Gesetz zu gehorchen. Ich spreche sie frei!“

Schwestern und Brüder,
darf man denn heilen, ohne Zulassung?
darf man Gott verkünden – auch außerhalb der Kirche und ohne Auftrag?

Man kann dem Heiligen Geist nicht einsperren!  Er weht wo er will.

Vielmehr freuen wir uns über jeden, der im Namen Jesu Gottes Liebe verkündet und die Menschen ermutigt, in Frieden zu leben.

Denn er bringt die Menschen mit Gott in Verbindung! Er bereitet dem Herrn den Weg, damit die Menschen an seine Liebe glauben können.

Und darauf kommt es an!

Dass es alleine darauf ankommt, macht Jesus klar, wenn er davon spricht, wie es um jemanden steht, der den Glauben an Gott erschüttert.
(vgl. Männer (Frauen) die Kinder missbrauchen oder misshandeln).

Und auch in den Mahnworten, am Ende, die sagen, es ist besser, seinen Körper zu verstümmeln, als von Gott abzufallen – selbstverständlich sind das keine konkreten Vorschläge:

Es geht einzig und allein darum:

Nichts und niemand soll das Vertrauen in Gott und seine Liebe zerstören:
Weder eigene innere Beweggründe wie Neid, Habgier und Eifersucht,
noch Menschen, die durch ihr Verhalten oder durch ihre Reden den Glauben in Zweifel ziehen.

Wer aber – in Namen des rettenden Gottes – Menschen heilt und ihr Vertrauen stärkt und ihre Zuversicht und ihre Kraft zum Guten.

Der vollbringt Jesu Werke in Jesu Kraft.

Das sollen wir tun. Wir alle.

Amen.

11.02.2018: 6. Sonntag im Jahreskreis

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Liebe Schwestern und Brüder,
früher hat man kaum jemals von einem gehört, der Netzhautablösung hat.
Wenn man aber selbst – oder ein enger Bekannter – die Krankheit hat ‑
plötzlich erfährt man: der auch, und der Bekannte von dem auch und die auch …

Liegt es daran, dass man einfach hellhöriger wird, oder dass man selbst darüber zu sprechen anfängt?
Liegt es daran, dass sich Kranke scheuen, von ihrer Krankheit zu erzählen?

Jeder, der krank ist, merkt, dass ihn die Krankheit von den anderen Menschen trennt. Deshalb sagt man oft lieber nichts davon – besonders, wenn andere sie nicht einfach am Erscheinungsbild erkennen können.
Besonders ausgeprägt ist dies bei HIV oder auch bei Hautkrankheiten.
Die Menschen haben Angst, sich anzustecken.

Aussatz – war in der Antike ein Sammelbegriff für jegliche Auffälligkeiten an der Haut. Bedrohliche und harmlose Krankheiten waren nicht einfach zu unterscheiden. Wir wissen also nicht, an welcher Krankheit der Mann litt, den Jesus geheilt hat.

Entscheidend ist der Begriff „unrein“. Wer als unrein galt, hatte keinen Zugang mehr zum Tempel, zu Gott, wurde von den Mitmenschen gemieden. Das galt für Frauen in der Monatsblutung und nach der Geburt, für jeden, der mit Blut in Berührung kam, für Menschen die mit Heiden Kontakt gehabt hatten und wenn man vom Markt kam.

Nach dem Marktbesuch half eine einfache Händewaschung. Doch bei Krankheiten an der Haut – half nur das Verschwinden der Symptome – dann erst konnte Reinigungsriten die Unreinheit beseitigen.

Der „Aussätzige“ kam zu Jesus und der sprach: „Ich will es. „Gott schenkt dir die Reinheit.“ Das ist der Jux an der Geschichte:
Gott macht rein! Und niemand ist so unrein, dass Gott ihn nicht rein machen kann. Für Gott gibt es keine Unreinen. Das sind Menschen­satzungen. Vielmehr kann er jeden zu sich holen und ihm Anteil geben an seinem Leben. Oder in heutiger Sprache: Gott grenzt niemanden aus.

Das ist der eine Akzent in dieser Heilungserzählung.
Der andere ist, wie sich der Kranke Jesus wendet.

Er beruft sich auf kein Recht und keinen Verdienst.
Er verspricht keine Bezahlung und macht kein Gelübde.

Er sagt: „Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde!“

Er traut es Jesus zu, doch er handelt nicht mit ihm.
Mit Gott kann man nicht handeln. Es gibt keinen Zusammenhang: Ich gebe dir etwas, damit du mir etwas gibst!“ Mit Gott kann man nicht schachern.

Als Mensch hat man auch keine Möglichkeit, von Gott oder vom Leben irgendetwas zu fordern: Das Leben lässt sich nicht bestimmen:
Man kann Weichen stellen, man kann auf seine Gesundheit achten, man kann sich bilden und an sich und seinem Charakter arbeiten –
Aber: Krankheiten ereilen einen Menschen, ohne zu fragen.

Jung oder alt, reich oder arm, mehr oder weniger intelligent, Prominent oder Durchschnitt … das Leben nimmt darauf keine Rücksicht.

Es ist auch allzu menschlich, wenn wir Gott verpflichten wollten: Du bist allmächtig, du bist doch verantwortlich für mich, du musst dafür sorgen, dass ich gesund bleibe bis ins hohe Alter, dass ich gesunde Kinder habe, dass meine Familie vor Schaden bewahrt bleibt.

Gottes Liebe ist nicht die eines Sicherheitsingenieurs, der alle Gefahrenquellen beseitigen muss.
Gottes Liebe ist die eines Freundes, der da ist – auch dann, wenn das Leben schwer wird, wenn es mir schlecht geht.

Deshalb sagt der Kranke: Wenn du willst, kannst du!
Du musst nicht. Ich fordere es nicht. Aber ich traue es dir zu.

Nicht alle werden gesund – weder durch die Kunst der Ärzte noch durch Gottes Antwort. Doch Gott ist das Ziel eines jeden Lebens: früher oder später, egal auf welchem Weg: Unser Weg führt uns zu ihm und bei ihm werden wir leben – ewig und vollkommen, wie er selbst.

1. Januar 2013: Neujahr und Hochfest der Gottesmutter Maria

Ich bin froh, dass ich am Beginn des neuen Kalenderjahres nicht alles neu anfangen muss. Ich hoffe, dass das Leben in ‑ Großen und Ganzen – weiter­ geht wie bisher!

Ich weiß auch: Es gibt immer etwas zu verbessern. Und das geht nicht, ohne Veränderung. Veränderungen aber sind schwierig aus mehreren Gründen:
Wer etwas verändern will, muss sich anstrengen. Er muss bereit sein, etwas aufzugeben, etwas zurückzulassen.
Wer Veränderungen herbeiführt, gerät dadurch leicht in Konflikt mit anderen, die entweder keine Veränderung wollen oder eine andere.
Nicht übersehen möchte ich: Dass ich mir Verbesserungen wünsche, ist eine Sache.
Eine andere Sache ist, ob ich die Verbesserungen selbst herbeiführen oder vornehmen kann.

Es war vermutlich der amerikanische Theologe Reinhold Niebuhr, der diese Fragen in ein Gebet fasste, das vielen von ihnen bekannt ist:

Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
Gott gebe mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
Gott gebe mir und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

 

Es gibt Dinge, die man nicht ändern kann und es gibt Dinge, die man ändern kann – oder sogar ändern soll. Beides liegt oft nicht weit auseinander: die Gesundheit ist eines der größten Geschenke. Wir können zwar gesunde oder ungesunde Lebensweisen haben – Doch selbst der Kettenraucher Helmut Schmitt ist inzwischen 94 Jahre alt, während manchmal schon Kinder schwer erkranken.

Unser Leben ist mit Gott verbunden.  Er ist die Quelle des Lebens, aus seiner Hand empfangen wir, was wir zum Leben brauchen. Auch die Vergänglichkeit entspringt seinem Schöpferwillen – obgleich er – wie Paulus es ausdrückt – auch das Vergängliche mit Unvergänglichkeit umkleidet.

Deshalb dürfen wir am Anfang des Jahres über unser Leben nachdenken und darüber, was Gott mit uns vorhat.
Wir dürfen fragen: Gott, was hältst Du im neuen Jahr für mich bereit?

Was muss ich hinnehmen und annehmen?
Was könnte mir helfen, dass ich darin gelassener werde?

Diese Dinge lehren mich, meine Grenzen und meine Begrenztheit anzunehmen. Dadurch lerne ich, mich und meine Leben anzunehmen und Gott anzuvertrauen. Daran kann ich denken, wenn ich bete: Vater, dein Wille geschehe – und ich darf Gott vertrauen, dass er für mich das Heil will.

Was muss ich hinnehmen und annehmen? …

Wir dürfen uns auch fragen: Gott, was willst du, das ich tun soll?

Was will ich dieses Jahr anfangen?

Solange wir Anteil nehmen am Leben anderer, können wir anfangen, neu anfangen:

Aufmerksamer zu werden für den Mitmenschen,
den Verstand zu üben, eine neue Gewohnheit zu erlernen,
neue Gedanken zu haben, barmherziger zu werden, Dinge zu ordnen,
…,

Auch daran denke ich, wenn ich bete: Vater, dein Wille geschehe – denn Gottes Wille geschieht dort, wo Menschen seinen Willen tun.

Als Maria Jesus empfangen hat, hat Gott einen neuen Anfang mit den Menschen gemacht:
Jesus ist der neue Mensch, der in allem den Willen seines Vaters getan und angenommen hat.
In jedem Kind, das empfangen wird, macht Gott einen neuen Anfang mit uns Menschen, damit dieser Mensch Gottes Willen annimmt und tut.

Wir dürfen jeden neuen Tag annehmen als Gottes Geschenk und ihn füllen mit der Frage:
Gott, was hältst Du an diesem Tag für mich bereit?
Gott, was willst Du, das ich tun soll?