Hier geht es zu den liturgischen Texten: 
Liebe Schwestern und Brüder,
Sie kennen sicher die 7 Gaben des Heiligen Geistes:
Weisheit ‑ Einsicht ‑ Rat ‑ Stärke ‑ Gottesfurcht ‑ Erkenntnis – Frömmigkeit.
Das sind die Gaben des Heiligen Geistes – sie kommen also von Gottes Geist – es sind also die Gaben Gottes.
Wir gehen wohl nicht in die Irre, wenn wir sagen: Gott verfügt selbst über diese Gaben, Eigenschaften und Fähigkeiten in vollkommener Weise – mehr als ein Mensch darüber verfügen kann.
Die Weisheit redet heute in der ersten Lesung: Aber nicht die Weisheit eines Menschen, sondern Gottes Weisheit spricht:
„Vor der Zeit hat er mich erschaffen und bis in Ewigkeit vergehe ich nicht!“
Die Weisheit Gottes ist ewig, wie Gott selbst. ‑ Das ist nicht überraschend: wie sollte es anders sein. Aber was die Weisheit noch über sich sagt – DAS ist überraschend: Die Weisheit soll in Jakob wohnen, also in den Nachkommen des Jakobs, der seinem Bruder das Erstgeburtsrecht stahl und der dennoch zu einem Gottesmann heranreifte, der schließlich der Verheißung und dem Segen Gottes mehr traute als seinen durchaus respektablen menschlichen Fähigkeiten.
Die Weisheit Gottes fasste Wurzel heißt es, im Volk Israel – also in dem Volk, das Gott in besonderer Weise erwählt hat, um zum Segen für die Völker der Erde zu werden.
Da stocken meine Gedanken: Israel ist wahrlich nicht einfach zum Segen der Völker geworden: die Heilige Schrift erzählt ausführlich und häufig von den Kriegen und Schlachten, in denen Israel den Gegner niedermetzelte, ausrottete – Menschen und Tiere – und das auf Gottes Geheiß hin – jedenfalls in den Worten der Menschen, die die Heilige Schrift verfasst haben – obwohl sie die Weisheit Gottes nur unvollkommen erfassen konnten – wie durch fast undurchdringlichen Nebel.
Auch heute kann man die Politik des Staates Israel zu recht in Frage stellen und kritisieren: selbst Bürger des Staates prangern an, dass die Menschenrechte dort nicht allen Bewohnern des Landes gewährt werden.
Ist es nicht eher töricht, wenn Gott seine Weisheit in die Menschen einwurzeln lässt und sich so an die Menschen bindet, da die Menschen seine Weisheit verfälschen, verwässern, nicht erfassen, nicht aufnehmen, ja sogar verachten?
Doch allen diesen Verfehlungen zum Trotz: dieses Volk, das Volk Jakobs, bewahrt die Weisheit Gottes: dass Gott der eine Schöpfer ist und dass alle Menschen in ihm ihren Ursprung haben. Dass niemand lebt und leben kann, außer durch Gottes Kraft und Geist.
In Jakob und dem ganzem gläubigen Volk Israel lebt die Weisheit, dass Gott Liebe ist und dass er alle seine Geschöpfe liebt, dass alle Völker seinen Segen erlangen sollen. Die Weisheit, dass der Mensch von Gott gerufen ist, seine Menschenfreundlichkeit zu lernen.
Schließlich und endlich erkennen wir in einem Sohn des Volkes Israel die menschgewordene Weisheit Gottes: Ein Nachkomme Jakobs wurde zum Retter und Erlöser aller Menschen. Wir, die auf ihn hören, die ihm seine Botschaft glauben, wir sind durch ihn zum Volk Gottes geworden:
Das Volk Israel wird immer das Volk bleiben, in dem Gottes Weisheit wurzelt. Jesus, der diesem von Gott erwählten und gesegneten Volkentstammt, hat uns Gottes Liebe und Barmherzigkeit offenbart und geschenkt.
So bleibt Gott sich und seiner Verheißung treu:
Seine Weisheit, die er wohnen lässt in den Nachkommen Jakobs, ist in Christus Mensch geworden. So können Menschen aus jedem Volk dieser Erde die Weisheit Gottes empfangen und aufnehmen – alle können Kinder Gottes werden und seine Herrlichkeit empfangen.
Gottes Weisheit ist größer als wir Menschen denken können. Was in unseren Augen töricht ist, ist in den Augen Gottes weise: Er erreicht gerade dadurch das Ziel, in dem er seine Weisheit den Menschen anvertraut: durch alle Verfehlungen hindurch verwandelt die Weisheit Gottes den Menschen, so dass er ein Kind Gottes wird und Gottes Menschenfreundlichkeit in Menschen Fleisch werden kann.


