Hier geht es zu den liturgischen Texten: 
Liebe Schwestern und Brüder,
früher hat man kaum jemals von einem gehört, der Netzhautablösung hat.
Wenn man aber selbst – oder ein enger Bekannter – die Krankheit hat ‑
plötzlich erfährt man: der auch, und der Bekannte von dem auch und die auch …
Liegt es daran, dass man einfach hellhöriger wird, oder dass man selbst darüber zu sprechen anfängt?
Liegt es daran, dass sich Kranke scheuen, von ihrer Krankheit zu erzählen?
Jeder, der krank ist, merkt, dass ihn die Krankheit von den anderen Menschen trennt. Deshalb sagt man oft lieber nichts davon – besonders, wenn andere sie nicht einfach am Erscheinungsbild erkennen können.
Besonders ausgeprägt ist dies bei HIV oder auch bei Hautkrankheiten.
Die Menschen haben Angst, sich anzustecken.
Aussatz – war in der Antike ein Sammelbegriff für jegliche Auffälligkeiten an der Haut. Bedrohliche und harmlose Krankheiten waren nicht einfach zu unterscheiden. Wir wissen also nicht, an welcher Krankheit der Mann litt, den Jesus geheilt hat.
Entscheidend ist der Begriff „unrein“. Wer als unrein galt, hatte keinen Zugang mehr zum Tempel, zu Gott, wurde von den Mitmenschen gemieden. Das galt für Frauen in der Monatsblutung und nach der Geburt, für jeden, der mit Blut in Berührung kam, für Menschen die mit Heiden Kontakt gehabt hatten und wenn man vom Markt kam.
Nach dem Marktbesuch half eine einfache Händewaschung. Doch bei Krankheiten an der Haut – half nur das Verschwinden der Symptome – dann erst konnte Reinigungsriten die Unreinheit beseitigen.
Der „Aussätzige“ kam zu Jesus und der sprach: „Ich will es. „Gott schenkt dir die Reinheit.“ Das ist der Jux an der Geschichte:
Gott macht rein! Und niemand ist so unrein, dass Gott ihn nicht rein machen kann. Für Gott gibt es keine Unreinen. Das sind Menschensatzungen. Vielmehr kann er jeden zu sich holen und ihm Anteil geben an seinem Leben. Oder in heutiger Sprache: Gott grenzt niemanden aus.
Das ist der eine Akzent in dieser Heilungserzählung.
Der andere ist, wie sich der Kranke Jesus wendet.
Er beruft sich auf kein Recht und keinen Verdienst.
Er verspricht keine Bezahlung und macht kein Gelübde.
Er sagt: „Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde!“
Er traut es Jesus zu, doch er handelt nicht mit ihm.
Mit Gott kann man nicht handeln. Es gibt keinen Zusammenhang: Ich gebe dir etwas, damit du mir etwas gibst!“ Mit Gott kann man nicht schachern.
Als Mensch hat man auch keine Möglichkeit, von Gott oder vom Leben irgendetwas zu fordern: Das Leben lässt sich nicht bestimmen:
Man kann Weichen stellen, man kann auf seine Gesundheit achten, man kann sich bilden und an sich und seinem Charakter arbeiten –
Aber: Krankheiten ereilen einen Menschen, ohne zu fragen.
Jung oder alt, reich oder arm, mehr oder weniger intelligent, Prominent oder Durchschnitt … das Leben nimmt darauf keine Rücksicht.
Es ist auch allzu menschlich, wenn wir Gott verpflichten wollten: Du bist allmächtig, du bist doch verantwortlich für mich, du musst dafür sorgen, dass ich gesund bleibe bis ins hohe Alter, dass ich gesunde Kinder habe, dass meine Familie vor Schaden bewahrt bleibt.
Gottes Liebe ist nicht die eines Sicherheitsingenieurs, der alle Gefahrenquellen beseitigen muss.
Gottes Liebe ist die eines Freundes, der da ist – auch dann, wenn das Leben schwer wird, wenn es mir schlecht geht.
Deshalb sagt der Kranke: Wenn du willst, kannst du!
Du musst nicht. Ich fordere es nicht. Aber ich traue es dir zu.
Nicht alle werden gesund – weder durch die Kunst der Ärzte noch durch Gottes Antwort. Doch Gott ist das Ziel eines jeden Lebens: früher oder später, egal auf welchem Weg: Unser Weg führt uns zu ihm und bei ihm werden wir leben – ewig und vollkommen, wie er selbst.