24.01.2021: 3. Sonntag im Jahreskreis B

Hier geht es zu den Texten der Liturgie:

einige Kernbegriffe ragen wie Obelisken aus diesem Abschnitt des Markusevangeliums heraus:
Evangelium – Reich Gottes – Kehrt um und glaubt – Kommt her! Mir nach!
‑ Menschenfischer – zurücklassen.

Jede einzelne dieser Prachtsäulen ist faszinierend und verdient Aufmerksamkeit – und auch das Ensemble als Ganzes ist mit Bedacht angeordnet und hat eine große Anziehungskraft.

Die kirchliche Leseordnung gibt als Hintergrund die Geschichte von Jona, der von einem großen Fisch verschlungen und an Land transportiert wurde. Er löst bei den für ihre Verkommenheit bekannten Bewohnern Ninives eine Schreckreaktion aus: sie kehrten um und wandten sich von ihren bösen Taten ab.

Jesus predigt etwas völlig anderes:
„Erfüllt ist die Zeit! Das Reich Gottes ist nahe! Vertraut dieser guten Nachricht!“

Schwestern und Brüder,
Das Reich Gottes ist nahe: Gott ist euch nahe -könnte man auch sagen.
Gottes Friede ist euch nahe. Gottes Freude ist euch nahe! Gottes Leben ist euch nahe! Vertraut darauf!

Vor 76 Jahren, als Europa in Schutt und Asche lag, glaubten die Menschen daran, dass sie in eine bessere Zukunft gehen können. Sie glaubten daran, dass sie die Städte London und Stalingrad, Straßburg und Nürnberg wieder aufbauen werden. Noch mehr: sie glaubten daran, dass es eine Zukunft geben kann ohne Krieg und ohne solches Unrecht, wie es das national­sozialistische Deutschland an Millionen Menschen, besonders Juden und Roma und Sintis, Zeugen Jehovas und psychisch Kranken verübt hatte.

Bundespräsident Roman Herzog hat vor 26 Jahren den 27. Januar (kommender Mittwoch) zum Gedenktag für die Opfer des National­sozialismus erklärt. An diesem Datum wurde 1945 nämlich Ausschwitz befreit.
Die Erinnerung soll uns davor bewahren, dass Menschen solche Gräueltaten wiederholen.

  • Vertrauen die Menschen heute noch darauf, dass es eine Zukunft ohne Krieg geben kann? Vertrauen die Menschen in Europa noch darauf, dass Europa nicht nur eine Zone, sondern sogar eine Keimzelle des Friedens werden kann?
  • Vertrauen die kapitalistischen Gesellschaften noch darauf, dass eine globale Wirtschaft möglich ist, in der nicht die schwächeren von denen übervorteilt werden, die größere Möglichkeiten haben?
  • Vertrauen wir Menschen auf der Erde noch darauf, dass es möglich ist, die Nationen zu einer Organisation der Vereinten Nationen zu entwickeln, die den Werten der Menschlichkeit, den universalen Menschenrechten zum Durchbruch verhilft?
  • Vertrauen wir Christen in unserer Weltgegend noch darauf, dass tatsächlich Gottes Herrschaft nahe ist – weil es an uns liegt, dass wir der Stimme Gottes in unserem Gewissen folgen?

Liebe Schwestern und Brüder,
wir dürfen, wir können darauf vertrauen, dass Gottes Reich unter uns gegenwärtig ist: Darum ist es wichtig, dass wir mit Respekt und Anstand – aber genauso eindeutig – dafür eintreten:

Denken wir nicht mal, dass ein Krieg etwas besser machen könnte.
Lassen wir Hassbotschaften und Misstrauen säenden Bemerkungen keinen Raum: Fragen wir nach: Warum denkst Du so? Woher weißt Du das? Hast Du nachgedacht, was die Folgen deiner Gedanken sein können?

Liebe Schwestern und Brüder, vor die Wahl gestellt, ob ich darauf vertrauen möchte, dass Frieden und Achtung der Menschlichkeit möglich sind oder darauf, dass Gewalt und Macht und Reichtümer die Menschen beherrschen, möchte ich reagieren wie die Jünger:

Sie hörten auf den Ruf: Kommt her! Mir nach! Und folgten Jesus nach.
Natürlich ließen sie nicht alles stehen und liegen, wie es das Markusevangelium schildert, um zu zeigen, dass Jesus größer ist als Elija, der Elischa als seinen Schüler reif und seinen Mantel auf ihn warf.
Aber sie folgten Jesus, sonst hätte es ja keine Jünger gegeben.

Sie folgten ihm: Unvollkommen, oft begriffsstutzig und immer noch belastet vom alten Denken. Das zeigt besonders das Markusevangelium und in besonderer Weise beschriebt es das manchmal unverständige Verhalten des Petrus.
Aber die Jünger folgten Jesus nach! Sie vertrauten darauf, dass Gottes Botschaft in der Welt eine Chance hat und dass sie dazu etwas beitragen können.
Bleiben wir auf diesem Weg: su­chen wir den Frieden Gottes unter den Menschen und jagen wir ihm nach.

04. Januar 2015: 2. Sonntag nach Weihnachten

Hier geht es zu den liturgischen Texten: Schott

Schwestern und Brüder,
Eine Spinne begann am Morgen ihr Netz zu spinnen. Dank ihrer großartigen Fähigkeiten entstand ein wunderbares, regelmäßiges  eingespannt zwischen Zweigen und Blättern eines Busches.
Selten sieht man ein so schönes und regelmäßiges Spinnennetz, wie es dieser Spinne gelungen war.
Am Abend wanderte die Spinne noch einmal durch das ganze Netz und stellte an einer Stelle einen Faden Fest, der nicht in die Ordnung passte – er störte irgendwie. Die Spinne trennte den Faden ab.
Doch das war der erste Faden war, an dem das ganze Spinnennetz hing: Das Netz klappte über der Spinne zusammen und war zerstört.
Am nächsten Morgen würde sie von vorne beginnen.

Liebe Schwestern und Brüder, so ähnlich geht es dem Menschen, wenn er vergisst, nach seinen Ursprung zu fragen und seinen Ursprung im Auge zu behalten.

Die Ouvertüre des Johannesevangeliums drückt dies so aus:
„Das Licht kam in die Welt und die Welt ist durch ihn geworden.
Aber die Welt erkannte ihn nicht!
Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.“

Jesus ist das Licht der Welt. In ihm ist das Wort Gottes Fleisch geworden.

Alle vier Evangelien verkünden dies auf jeweils ihre eigene Weise:
Aus Jesus aus Nazareth, dem Sohn Mariens, spricht Gottes Weisheit und Geist, er verkündet Gottes Nähe und Erbarmen mit den Menschen.
Er bringt Leben, wo der Tod scheinbar schon gesiegt hat und heilt die Menschen von ihren Krankheiten.

Es kommt uns vielleicht ein wenig überheblich vor oder ein wenig zu selbstbewusst, wenn das Evangelium fortfährt:
„Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden.“

Paulus sagt das gleiche und es ist nichts Unrechtes, wenn er voll Dankbarkeit den Christen in Ephesus schreibt:

Gott hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet
durch unsere Gemeinschaft mit Christus, der bei ihm ist,
er hat uns bestimmt, seine Töchter und Söhne zu werden, und zu ihm zu gelangen.
Er hat uns seine Gnade geschenkt durch Jesus, seinen Sohn!“

Der Geist Gottes ist in uns – nicht, weil wir besser wären.
Sondern, er ist uns im Glauben an Jesus geschenkt, damit wir Gottes Werke tun:

Und nun wagen sie mit mir ein Experiment: wenden wir das auf die Diskussion und den Streit an, wie wir uns zu den Muslimen verhalten sollen, die aus anderen Ländern zu uns kommen:
Was ist das Werk Gottes? Hören wir auf Gottes Geist, der uns gegeben ist:

Erkennen wir in ihnen Menschen, die – so wie wir selbst – das Leben von Gott empfangen haben?
Erkennen wir in ihnen Menschen, die Achtung und Respekt verdienen.
Erkennen wir in ihnen Menschen, die fähig sind zu Toleranz und Engagement und von denen wir dies erwarten können?
Erkennen wir in ihnen Menschen, denen wir in Gottes Güte begegnen, damit sie IHN, den einen und wahren Gott, den Vater Jesu erkennen können?

Liebe Schwestern und Brüder, nicht wenige Menschen sagen:
Weil in anderen Ländern weniger Freiheit für Christen ist, sollten auch wir Menschen aus anderen Kulturen und Religionen nicht so große Freiheit einräumen. Weil in anderen Ländern weniger Toleranz ist, brauchen auch wir keine Toleranz aufbringen, etc. So können wir nicht urteilen.

Sonst gleichen wir uns der Intoleranz und der Unfreiheit an.
Statt dessen sollten wir in Gottes Geist handeln:

Er, der vollkommen ist und gut, er wendet sich uns unvollkommenen zu, die oft böse sind, und schenkt uns Anteil an seiner Fülle.
Gott bleibt in seiner Liebe treu, auch wenn wir untreu werden. Bleiben wir ihm und unserem Glauben treu und begegnen wir den Fremden bei uns mit Achtung und Respekt.