02.03.2022: Aschermittwoch

Einführung: Liebe Schwestern und Brüder!
Ich begrüße Sie alle sehr herzlich heute Abend in unserer Pfarrkirche und freue mich, dass sie gekommen sind. Wir wollen die österliche Bußzeit beginnen:

Im Namen des Vater und des Sohnes und des Heiligen Geistes!

Gnade und Frieden von Jesus Christus, unserem Bruder, Erlöser und Herrn, sei mit Euch!

Der Krieg in der Ukraine erschreckt mich und ich vermute sie alle.
Wir haben Ängste, was noch alles passieren könnte.
Wir wünschen uns, dass der Krieg bald endet.

Dennoch ist heute Aschermittwoch.
Dennoch stehen vor uns die hl. 40 Tage der österlichen Vorbereitungszeit.
Dennoch sind wir aufgerufen, unser persönliches Leben zu überdenken und wieder auf das Reich Gottes hin auszurichten.

Mir wird in diesem Jahr besonders bewusst, dass wir auch in unserer persönlichen Lebensführung verwoben sind mit allem, was in dieser Welt geschieht.

Grüßen wir Christus, dem wir nachfolgen

Jesus, du hast Gottes Gerechtigkeit verkündet.
Jesus, du hast Gottes Barmherzigkeit verkündet und gelebt.
Jesus, du bist der König des Friedens

Tagesgebet
Gott, du bist treu!
Im Vertrauen auf dich beginnen wir die vierzig Tage der Umkehr und Buße!
Du weißt, wir sind sündige Menschen und unser Glaube ist oft schwach.
Rede uns nun zu Herzen, tröste, ermahne und ermutige uns.
Gib uns Kraft, dass wir alles Böse von uns weisen und entschieden das Gute tun!
So bitten wir dich durch Christus, unseren Herrn. Amen.

Ansprache: Liebe Schwestern und Brüder,
Wenn ihr betet, wenn ihr fastet, wenn ihr Almosen gebt ….
sagt Jesus. Fasten, Beten, und die Hilfe für die Armen sind drei wesentliche Aktivitäten des Glaubens. Sie gehören zum religiösen Leben wie das Amen zum Gebet.

In der Bergpredigt des Matthäusevangeliums wird dafür weder geworben, noch wird es als überflüssig erklärt. Es ist selbstverständlich.
Jesus mahnt nur: Betet, fastet und spendet aus Überzeugung und ehrlichen Herzens – und nicht um bewundert zu werden und Eindruck zu erwecken.

Wer betet, vertraut sich Gott an: er will auf Gott hören und sich von ihm führen lassen. Er vertraut Gott, dass er ihm den Weg zum Leben führt. Gott, was willst du, dass ich tue? Damit verbinden wir alle Sorgen und Bitten: Was willst du, Gott, damit wir gesund bleiben und zufrieden? Damit die oder der gesund wird und bleibt?

Wer fastet, übt sich darin, unabhängig von den selbstbezogenen Wünschen zu werden: ich muss dies und das nicht haben und jedenfalls nicht sofort – wichtiger ist, dass ich auf Gott höre und gerecht und barmherzig bin.

Wer für Arme spendet, fängt schon damit an und erkennt, dass der persönliche Besitz nicht nur ein behagliches Leben garantiert, sondern auch eine Verpflichtung ist gegenüber denen, die weniger haben.

Liebe Schwestern und Brüder,
Beten, Fasten und Almosen helfen uns, unser Leben auf Gott hin, auf die Liebe zum Mitmenschen hin auszurichten und damit helfen sie uns zugleich, die Trennungen, die Sünden zu überwinden.

Dazu ermuntert uns auch das Leitwort der heurigen Aktion MISEREOR:
Es geht. Gerecht.

In dem Schrecken dieser Tage erleben wir, zugleich, dass die Menschen sich nach Gerechtigkeit sehnen und auch etwas dafür tun wollen.
So viele hilfsbereite Menschen unternehmen dies und das, um in der konkreten Not den flüchtenden und vertriebenen Menschen zu helfen.

Auch wir können und werden vor allem mit Geldspenden den Menschen in und aus der Ukraine in Ihrer Not helfen. Dazu halten wir am 6. und am 13. März eine Sonderkollekte, die an Caritas International überweisen wird.

Es geht. Gerecht. ‑ Ermuntert uns die Fastenaktion MISEREOR. Aber was ist gerecht?

Gerecht ist, wenn jeder Mensch sich satt essen kann und einen Wohnraum für sich und seine Familie hat und wenn er für die Gesundheit sorgen kann durch saubere Toiletten und Waschmöglichkeiten.

Gerecht ist, wenn wir uns dafür einsetzen und auch danach fragen, wie diese Gerechtigkeit hergestellt werden kann.
Gerecht ist es auch, wenn wir danach fragen, warum so vielen Menschen das unerreichbar ist.

Liebe Schwestern und Brüder,
der Schrecken über den Krieg Russlands gegen die Ukraine steckt uns in den Gliedern. Wieder einmal regiert die Unvernunft, das Streben nach Macht und Größe, der verletzte Stolz – wieder einmal in der Geschichte der Menschheit regiert die Gewalt und treibt Menschen in den Tod.

Mich erschreckt nicht nur, der Angriffskrieg, den Russland gegenüber der Ukraine begonnen hat. Mich erschreckt auch die Reaktion in unserem Land. Der große Jubel bei Journalisten und Politikerinnen, dass nun endlich wieder aufgerüstet werden soll mit 100 Milliarden Euro.
Ich hatte gedacht, wir hätten gelernt, dass Waffen keinen Frieden bringen und dass wir besser eine Politik machen, die auf Verständigung setzt und nicht auf Konfrontation.
Die Begeisterung für neue Bewaffnung erinnert mich mit Schrecken an die Kriegsbegeisterung von 1914. Welcher Schrecken kam damals über die Welt!

Das ist ein fürchterlicher Rückschritt der Menschheit auf dem Weg zu einer Menschheitsfamilie, die miteinander und füreinander Verantwortung sieht und trägt und übernimmt.

Mir selbst und uns allen möchte ich Mut zusprechen.
Lassen wir uns nicht hineinziehen in die verführerische Spirale von Vergeltung und Feindseligkeit. Halten wir fest an der Hoffnung auf Gerechtigkeit und an dem Entschluss, immer einen Weg zu suchen, der zu mehr Frieden und mehr Gerechtigkeit führt.

Wir können Mut haben, denn Gott ist gerecht – nicht weil er die Guten belohnt und die Bösen bestraft, sondern in dem Sinn, den ich vorhin angedeutet habe: er wohnt in jedem Menschen. In jedem Menschen ist sein Leben. Jeder Mensch ist sein Ebenbild – egal woher und welches Geschlecht: männlich oder weiblich oder divers.

Unsere Gerechtigkeit ist, dass wir dieses Ebenbild ausprägen und es nicht zu einem Zerrbild werden lassen. Unsere Gerechtigkeit ist, dass wir deshalb Jesus nachfolgen. Auch als er in seinem entstellten menschlichen Körper am Kreuz hing – gerade da, als er für seine Verfolger betete – gerade da wurde er am meisten als Ebenbild Gottes sichtbar.
Es geht. Gerecht. Damit wir als Gottes Ebenbild erkennbar sind und die Menschen vertrauen und hoffen können. Amen.

Fürbitten:

Pr.: Gott, du erfüllst uns mit deinem Geist und gibst uns Kraft, damit wir einander Gutes tun und dadurch Zeugnis geben für deine Liebe.

L/A: Herr, wir kommen zu dir.

  • Gott, du hast uns als dein Ebenbild geschaffen

Herr, wir kommen zu dir.

  • Du willst dass wir vor dir in Frieden leben
  • Du bist die Liebe, nach der wir suchen.
  • Du hast uns durch Christus mit dir versöhnt
  • Du bist gerecht und schließt niemanden aus.
  • Du bist der Friede für jeden, der zu dir kommt.

Pr.: Wir beten zu dir, weil du Gott bist und alles in deinen Händen liegt.

  • Für die Menschen in der Ukraine: dass die Gewalt schnell ein Ende hat und Freiheit und Frieden zurückkehren.

L/A: Herr, erhöre unser Rufen

  • Segne uns und unser Bemühen, gerecht zu sein.
  • Gib uns Mut und Einsicht, damit wir die Wege zu Frieden und Gerechtigkeit finden und gehen.
  • Gib uns Kraft, dass wir unsere Verantwortung für andere erfüllen.
  • Stärke in uns die Liebe zu den notleidenden Menschen
  • Bestärke uns im Entschluss durch freiwilligen Verzicht unsere Selbstbezogenheit und Selbstsucht zu überwinden.

Pr.: Gott, du bist die Quelle des Lebens und alles lebt durch dich. Wir preisen dich heute und alle Tage unseres Lebens. Amen.

Dankgebet:
Gott, unser Vater, wir danken dir für dein Wort, das du an uns gerichtet hast.
Es führt uns den Weg zu dir.
Wir haben das Aschenkreuz empfangen als Zeichen der Vergänglichkeit und der Umkehr.
Bleibe nun mit deinem Segen bei uns und gib uns Kraft,
damit wir uns durch Fasten, Almosen und Gebet für die Feier unserer Erlösung bereiten.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

21.03.2021: 5. Fastensonntag

Die österliche Bußzeit ist eine Zeit der Gewissenserforschung und der Einsicht in die eigenen Versäumnisse und Fehler. Dies versuchen wir, damit wir es in Zukunft besser machen. Dahinter steht die Überzeugung: Es geht Anders! Und es geht anders besser!

Das Evangelium deutet es an, wenn Jesus sagt: „Jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen.“ Der Herrscher dieser Welt: damit meint das Johannesevangelium die gottlose Welt, die Welt, die sich dem Ruf des Lebens verweigert und auf den Tod setzt: auf Ausbeutung und Beherrschen, auf Gewalt und Stärke.

Es ist eine Ankündigung, die in der Erdenzeit niemals ganz wahr werden kann. Aber es ist eine Ankündigung, dass es jetzt schon anders ist und anders wird und anders geht.

In Bolivien entdecken Menschen, wie sie im Urwald des Amazonas eine Landwirtschaft betreiben können, die keine Brandrodung des Urwalds braucht, sondern den Urwald als Chance nützt. Es gibt vielfältigere Früchte und Gemüse, gute Ernten. Das ermöglicht ein gutes Leben, so dass die jungen Menschen in ihren Dörfern bleiben, statt in die Slums der Städte zu ziehen auf der Suche nach Arbeit. Es geht anders! Es geht besser!

Die Erziehung hat sich wesentlich verändert. Kinder werden heute nicht mehr mit Zwang und Gewalt erzogen. Heute werden sie gestärkt und gefördert. Sie lernen die Grenzen des Mitmenschen zu achten.
Es geht anders. Es geht besser!

Vor 50 Jahren stanken die Städte nach Abgas, Abwässer wurden in Bäche und Flüsse geleitet. Donauabwärts von Kelheim gab es keine Fische mehr. Heute steigern wir den Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen, wir streben Klimaneutralität an und sorgen uns um saubere Gewässer. Es geht anders. Besser!

Bis jetzt noch werden für die Herstellung unserer Kleidung, unserer tech­nischen Geräte und von vielem mehr Menschen und Kinder ausgenützt und leiden gesundheitlichen Schaden: doch wir fangen an, dies zu ändern.

Es gibt neuerdings ein Lieferkettengesetz, das zum Ziel hat, dass bei der Gewinnung der Rohstoffe, der Herstellung der Zwischenpro­dukte und Endprodukte die Umweltschutzvorschriften und die Arbeitsschutz­vorschriften eingehalten werden. Es geht anders. Besser!

Vor hundert Jahren noch galt in unserem Land der Krieg als legitime Möglichkeit, die Interessen der eigenen Nation gegen andere durchzusetzen. Trotz aller Rückschläge und Rückschritte dürfen wir aber sagen: Die Mehrheit möchte heute keinen Krieg. Die Mehrheit wünscht sich ein friedliches Miteinander der Staaten. Es geht anders. Besser.

Die Aktion MISEREOR arbeitet seit Jahrzehnten daran, dass vieles anders und besser wird. Niemand hat gezählt, wie viele Menschen, wie viele Menschen in ihren Dörfern dadurch zu einem besseren Leben kamen.

Sowohl die Länder des Südens als auch die reichen Länder des Nordens der Erde werden angesprochen. MISEREOR macht uns aufmerksam, dass diese Ungleichheit miteinander zu tun hat.

Damit es besser geht, müssen gerade die reichen Länder lernen, dass es anders geht: ein gutes Leben, ein zufriedenes Leben, ein erfülltes Leben finden wir nicht durch Konsum und Rausch, nicht im Anhäufen von Reichtum.

Frieden und Zufriedenheit, Erfüllung finden wir, wenn wir Verbundenheit spüren, wenn es uns gelingt, die Interessen der anderen so ernst zu nehmen wie unsere eigenen, wenn es uns gelingt, einen Ausgleich zu finden, den alle als gerecht empfinden.

Dazu ist unsere Spende für MISEREOR wichtig und notwendend. Ich bitte Sie herzlich darum. Genauso wichtig ist, dass wir auf dem Weg bleiben und offen dafür sind, dass vieles anders geht und besser geht.

31.03.19: 4. Fastensonntag (Laetare)

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©Misereor Hungertuch 2019

Hier geht es zu den liturgischen Texten: schott

Schwestern und Brüdern ,
wenn sich Menschen versöhnen und wieder zueinander finden, die lange getrennt und vielleicht zerstritten waren – das ist etwas vom schönsten, das man erleben kann. Man muss sich doch freuen, denn dein Bruder war tot und lebt wieder, er war verloren und wurde wieder gefunden.

Ich versuche, diese Freude über Gottes Barmherzigkeit, die Freude Gottes über die Menschen, die zu ihm finden und wieder auf ihn hören, mit dem neuen Hungertuch von MISEREOR zu verbinden:

Vorherrschend ist ein tiefes dunkles Blau: Die Erde ist der blaue Planet. Wasser in den Flüssen und Meeren ermöglicht das Leben.

Das Festland, die Erde ist unser Lebensraum. In der Mitte des Bildes ist eine braune vom blau durchzogene große Fläche – wie ein Kontinent im Ozean. Der Künstler Uwe Appold hat dafür Erde aus dem Garten Getse­mani verwendet. 12 Steine, die in diesem Erdreich waren, setzte er in das Bild: 12 Steine als Erinnerung an die 12 Stämme Israels und die 12 Apostel, denn Gott freut sich über Menschen aus allen Nationen, die zu ihm finden.

In der Mitte ist ein Haus. Es ist offen, nicht abgeschlossen: Es muss offen sein, nicht verschlossen. Es wird nie fertig sein. Die Menschen müssen immer daran arbeiten, damit das Haus Platz bietet für alle, damit niemand ausgeschlossen wird.

Um das Haus herum ist der goldene Ring: Symbol der göttlichen Herrlichkeit, Symbol der Liebe Gottes, die uns Menschen umfängt, die uns trägt, die uns diese Erde als Lebensraum anvertraut.

Unten rechts ist eine Figur: sie sieht aus wie eine Säule in Bewegung. Die Figur ist Symbol für den Menschen. Auffallend ist diese schwungvolle Linie, eine Stange aus Edelstein mit dem eingekerbten Christus Mono­gramm. Sind es die Arme des gekreuzigten Menschen, den man hinausgedrängt hat, der keinen Anteil mehr hat an den Gütern der Erde, an Nahrung und Energie, an Bildung und Kunst – der Mensch, den man verloren gehen lässt? Der helle Schatten dieses Menschen scheint mit dem blauen Hintergrund zu verschmelzen. Denn Gott, der die Erde trägt und hält, ist und bleibt für immer das Leben jedes einzelnen Menschen.

Das Hungertuch trägt den Titel: „Mensch, wo bist du?

Wir sind angefragt, wie wir uns verhalten, damit die Menschen nicht verloren gegeben werden; wie wir uns verbinden mit den Menschen, die hinausgedrängt wurden, die nicht zugelassen werden, denen man keinen Anteil zugesteht an Bildung und Wissen, an Geld und gut.

Verbinden wir uns mit den Menschen, die phantasievoll und voll Liebe und Idealismus Ideen entwickeln und verwirklichen, damit die Menschen einen Weg ins Leben finden und Anteil haben.

Mit der diesjährigen Fastenaktion greift MISEREOR dieses zentrale Anliegen auf. Im Fokus stehen junge Menschen in El Salvador mit ihren Ideen, Hoffnungen und Zukunftsplänen. In dem zentralamerikanischen Land schränken Armut, Gewalt und Kriminalität die Zukunftschancen der jungen Menschen stark ein.

Der MISEREOR-Partners FUNDASAL gibt vielen jungen Menschen eine Perspektive für ihr Leben:  Die Grundidee ist, dass junge Menschen gemeinsam Häuser für ihre Familien bauen und dadurch Zusammenhalt entsteht.

Für die Jugendlichen ergeben sich neue Perspektiven: Sie können ihr Wissen im Lehmziegelbau weiter nutzen und eine Erwerbstätigkeit finden.

Die jungen Menschen profitieren von der verbesserten Wohnsituation und stärken auch die Gemeinschaft. So wie die Jugendgruppe in El Sauce, einem Stadtteil von Sonsonate im Westen El Salvadors. Seit 1999 entstanden hier mithilfe von FUNDASAL 1.700 Wohnungen für Familien. Die Jugendlichen trafen sich, um Pläne zu schmieden und auf die Kinder in der Nachbarschaft aufzupassen. Unter ihnen wuchs der Wunsch, ihre Zukunft in die Hand zu nehmen und „Akteure des Wandels“ zu werden, wie die 18-jährige Hassell Pinto sagt.

Im ganzen Land sind seit der Gründung von FUNDASAL rund 51.000 neue Häuer entstanden und 273.000 Menschen haben von den Aktivitäten des Projektpartners profitiert.

Ich bin überzeugt, dass Gottes Freude groß ist über jeden jungen Menschen, der so etwas Gutes aus seinen Fähigkeiten macht.

11.03.2018: 4. Fastensonntag

Hier geht es zu den liturgischen Texten: schott

hungertuchZwei Menschen stehen sich gegenüber und schauen sich in die Augen.
Ihre Blicke sind fest aufeinander gerichtet, die Augen weit geöffnet. Es ist ein freundlicher, offener, ebenbürtiger Kontakt zwischen zwei Menschen.

Sie legen sich gegenseitig die fast gestreckten Arme auf die Schultern. Was bedeutet das für Ihren Kontakt? Es ist sehr nah – näher als wir das meist angenehm empfinden. Und es bleibt so viel Abstand, dass beide sich noch ansehen können, den anderen als Gegenüber wahrnehmen können.

Wenn zwei Personen sich begegnen, begegnen sich zwei Welten:
Jede mit ihren Wahrnehmungen. Jede mit ihren Erlebnissen. Jeder mit seinen Erkenntnissen. Jeder mit seiner Geschichte.
Wodurch und warum ist Verständigung möglich? Uns verbindet viel miteinander: Wir sind Körper, Geist, und Seele:

  • Wir brauchen Nahrung und Wasser, um Leben zu können.
  • Wir versuchen die Welt zu verstehen und zu gestalten.
  • Wir sehnen uns nach Gemeinschaft und Selbst-Sein.
    Wir sehnen uns nach Sicherheit und nach Veränderung.

Jeder Mensch, jedes Tier, jede Pflanze auf dieser Erde strebt nach einem guten Leben. Niemand kann ohne andere leben und sein.

Darauf weist uns dieses Bild hin: Zugleich mahnt es uns, dass wir uns dem anderen so zuwenden, wie diese beiden auf dem Bild: offen und freundlich und in dem Bewusstsein: Du bist genauso wertvoll wie ich.
Du sollst ebenso gut leben können wie ich.

Schwestern und Brüder, diese Haltung ist gar nicht selbstverständlich:
Parolen wie „Amerika zuerst“; oder „Tod den Ungläubigen“ oder auch
„Diese Kümmelhändler, diese Kameltreiber sollen sich dorthin scheren, wo sie hingehören. zu ihren Lehmhütten“
drücken einen Hochmut aus, der das bestreitet.

Trotz dieser Rückschritte wächst der Mensch insgesamt immer mehr in das Bewusstsein hinein: „Gutes Leben soll für alle möglich sein“. Dabei haben wir ein großes Vorbild:

Die Israeliten, das Volk, dessen Ursprünge in Ur in Chaldäa liegen, verbindet mit seiner ganzen Geschichte eine ganz besondere, sich immer wieder erneuernde Erfahrung:
Gott ist bei uns. Er zeigt sich uns: er sagt uns seinen Namen. Er spricht zu uns durch Propheten. Er schließt einen Bund mit uns.
Er lässt uns nie allein. Er führt uns immer wieder heim.

Unsere christliche Gotteserfahrung geht noch viel weiter:
Gott stellt sich mit uns auf dieselbe Stufe. Er nimmt nicht nur die Gestalt eines Menschen an – er wird einer von uns. Er legt uns die Arme auf die Schulter, er schaut uns an. Seine Worte sind:
„Ich bin nicht gekommen, um zurichten, sondern um zu retten.“
Wer glaubt, dass Gottes Geist in ihm ist;
wer glaubt, dass Gottes Geist die Liebe weckt und übt;
wer glaubt, dass Gott durch den Menschen wirkt und handelt,
der ist schon gerettet. Der tut die Werke des Lichts.

Dieses Bild drückt auch die christliche Gotteserfahrung aus: Gott und der Mensch sind Freunde.

Dieses neue Bewusstsein bringt viele Früchte hervor –immer dort, wo Menschen sich dafür einsetzen, dass es gutes Leben für alle gibt:
Unserer Hilfswerk MISEREOR unterstützt viele solche segensreiche Unternehmungen, die die Welt zum Besseren verändern:

MISEREOR kämpft in vielen Projekten gegen Kinderarbeit in Indien. Durch die Unterstützung von MISEREOR erhalten Kinder Unterricht und Ausbildung und können einen Beruf erlernen:
Z.B. In einem Slum im Agra-Distrikt im indischen Bundestaat Uttar Pradesh stellen Kinder zwölf Stunden täglich gläserne Armreifen her und atmen giftige Dämpfe ein. Sie verdienen einen Dollar pro Tag.

Ein Sozialarbeiter der MISEREOR-Partnerorganisation Vikas Sansthan überzeugt viele Eltern, die Kinder zur Schule zu schicken. Es gibt für Mütter Kredite, zum Beispiel für eine Nähmaschine. Als Schneiderinnen sind sie selbstständig und können das Familienbudget erhöhen.

Durch unsere Spende am nächsten Sonntag können wir dazu beitragen, dass die Welt verändert wird. Dass Menschen gut leben können – wie wir.
Dass Gottes Werke durch uns geschehen.

 

26.03.2017: 4. Fastensonntag

Hier geht es zu den liturgischen Texten: schott

Liebe Schwestern und Brüder,
Ich habe Erbarmen – heißt auf lateinisch: Misereor. Jesus sieht die Menschen, die schon drei Tage bei ihm sind und nichts zu essen haben und sagt: Ich habe Mitleid mit diesen Menschen. Sein Mitleid lähmt nicht, sondern bewirkt etwas. Er lässt Brot austeilen, so dass es für alle reicht.

Mitleid und Erbarmen sind Tugenden, weil sie zur tätigen und wirksamen Hilfe führen. Das Hilfswerk MISEREOR gegründet von den deutschen Bischöfen hilft wirksam den Menschen – zum Beispiel in dem Dorf Tambolo im Süden von Burkina Faso. Dort leben 53 Familien mit ihren Rindern. Die Männer sind mit den Rinderherden oft wochenlang unterwegs auf der Suche nach guten Weiden. Für die Verarbeitung der Milch sind die Frauen zuständig. Sie haben es mit fachlicher und finanzieller Hilfe von MISEREOR geschafft, in ihrem Dorf eine kleine Molkerei zu errichten mit einer solar- und gasbetriebenen Kühlanlage und so ihr Einkommen zu erhöhen. Vieles ist dadurch besser geworden. Auch die Möglichkeit, dass Mädchen und Jungen in eine Schule gehen.

Einfach ist es nicht, weil zum Beispiel die EU Milchpulver nach Westafrika exportiert und zum halben Preis pro Liter anbietet wie die heimische Milchwirtschaft.

Dieses Ungleichgewicht in den Handelsbeziehungen ist eine der Ursachen, warum auch ein demokratisches Land wie Burkina Faso kaum Chancen auf Wohlstand hat. Die reichen Nationen und ihre hochtechnisierten Industrien sitzen am längeren Hebel.

Es ist gerade nicht so wie auf dem neuen Fastentuch von MISEREOR, wo sich zwei Menschen ebenbürtig gegenüber stehen und in die Augen sehen. Die Hände gegenseitig auf die Schultern gelegt und so verbunden, dass die Arme jeweils die Farbe des Gegenübers annehmen.

Dieses Bild wirbt für eine andere Weise der Begegnung – entsprechen dem afrikanischen Sprichwort: Ich bin, weil du bist.

Wir Menschen brauchen einander – und wir brauchen jeweils die Fähigkeiten und Reichtümer, die der andere uns geben kann. Doch es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen und es muss gerecht sein.

Das berechtigte Gewinnstreben muss geregelt sein, so dass die stärkeren Partner die schwächeren Partner nicht übervorteilen, sondern gleichberechtigt behandeln. Wirtschaftlich arme Länder wie Burkina Faso, eines der ärmsten Länder der Erde, kann nicht am ungeregelten, zollfreien Markt mit Industrieländern konkurrieren – ohne von deren Wirtschaftskraft erdrückt zu werden.

Zu Recht ist dieses Motiv ein Fastentuch: denn in der Fastenzeit üben wir uns mit besonderem Eifer im christlichen Leben. Dieses Bild ermahnt uns, dass wir die Menschen in Afrika nicht von oben herab behandeln. Dass wir uns an ihre Seite stellen und ihnen helfen, Ihre Wirtschaft weiter zu entwickeln.

Wie denken wir über die Menschen in und aus Afrika?
Nehmen wir sie ernst als Partner? Sind wir interessiert daran, ihre Lebensweise, ihre Kultur, ihre Zivilisation, ihre Städte und Fortschritte kennen zu lernen. Oder ist es für uns nur ein Kontinent der Not und der Rückständigkeit? Denken wir darüber nach, welchen Anteil das Handeln der reichen Länder daran hat, dass die Not in Afrika scheinbar zuhause ist?

Jesus hat die Menschen nicht von oben herab behandelt. Er hat die aufgerichtet, die im Staub saßen. Er hat sie sich ebenbürtig gemacht. So wie den Blinden, den er zweimal sehend gemacht hat: Er hat ihm das Augenlicht gegeben und er hat ihm die Augen dafür geöffnet, dass er nicht von Gott getrennt ist, sondern zu Gott gehört.

Ich lebe, weil du bist. ist der Titel dieses Fastentuches. Wir leben, weil Gott ist, weil er sein Leben an uns weitergegeben hat.

Wir leben, verbunden mit den Menschen auf der ganzen Erde.
Wir leben mit ihnen, um mit ihnen gemeinsam die Güter der Erde zu genießen und diesen Garten Eden zu bewahren.
Wir stehen nicht über denen, die ärmer sind, sondern müssen uns eher dafür schämen, dass wir ihre Armut ertragen und sogar verursachen.

Vielmehr sollten wir so handeln, dass wir uns ebenbürtig in die Augen sehen und zueinander sagen können: Ich lebe, weil du bist.

22. März 2015: 5. Fastensonntag

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Liebe Schwestern und Brüder!
Menschen schließen einen „Bund“ miteinander:
Es gibt den Naturschutzbund, den Fußballbund,
oder ganz persönlich und existentiell: den Ehebund.

In der Lesung kündigt der Prophet Jeremia einen neuen Bund an, den Gott mit Israel schließen will: „Ich lege mein Gesetz in sie hinein“, sagt Jeremia, „und schreibe es in ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein. Alle – klein und groß – werden mich erkennen.“

Ich werde ihr Gott sein – und sie werden mein Volk sein!

Trifft das auf uns zu? Können wir, die wir durch die Taufe und durch die Firmung aufgenommen wurden in den Neuen Bund,
trauen wir uns sagen: „Er ist unser Gott und wir sind sein Volk“?

Gott hat durch Christus diesen neuen Bund mit uns geschlossen:
Den Kreuzestod Jesu deuten wir als den Stiftungsakt dieses Bundes.
Gewissermaßen könnte man sagen:
Mit seinem Blut hat Jesus diesen Bund unterzeichnet.

Dieser Bund besteht darin, dass Gott uns Leben schenkt, dass er uns seine Liebe zusagt und dass er uns Anteil gibt an seinem Gott-Sein.
Unser Anteil daran ist nichts mehr: als an Christus zu glauben und an das Heil, das Gott uns geschenkt hat.

In der Kunst, liebe Schwestern und Brüder,
wird das Heil, das von Gott kommt, wird seine Herrlichkeit, an der er uns Anteil gibt, mit der Farbe Gold dargestellt.
Gold ist die Farbe Gottes und der Herrlichkeit Gottes!

Das Bild des chinesischen Künstlers Dao Zi ist ein Bild, in dem Gott, und sein Heil einen breiten Raum einnehmen.

Eine große goldene Fläche, mit einer nicht genau zu definierenden Form
zieht den Blick auf sich, bekommt wie von selbst die erste und größte Aufmerksamkeit.

Und so ist es auch: Als Jünger Jesu sind wir erfüllt von dem Wunsch, den Jesus äußerte: „Vater, verherrliche deinen Namen unter den Menschen!“ Lass die Menschen erkennen, dass Du Gott bist!
Lass sie erkennen, wie groß und wunderbar du bist.
Unbegreiflich und unbeschreiblich – aber voller Herrlichkeit!
Lass die Menschen begreifen, dass Du der größte Reichtum bist!

Seltsam fremd und unverbunden nimmt man dann die drei Streifen unter der großen goldenen Fläche wahr: als ob er darüber schweben würde.

Diese drei Streifen – grau – schwarz und wieder grau – lassen mich an das Leben auf der Erde denken:
Es ist der Fluss des Lebens durch die Zeit. Es ist das Dunkel, das wir Menschen oft erleben und verursachen; selbst die besseren Seiten der Erde bringen es oft nicht über ein grau hinaus: das Leben ist aufgehellt durch Solidarität und Zusammenhalt, durch selbstlose Liebe und durch schöne, freudige Erlebnisse:

Wir zeichnen oft selbst ein düsteres Bild von der Erde: wir sind fixiert auf die schlechten Nachrichten von Gewalt und Umweltzerstörung, von Hungernot und Krankheit.

Dabei übersehen wir fast die Goldkörner in unserer Welt. Wir übersehen, dass Gott und seine Herrlichkeit nicht nur über der Erde schweben, sondern, dass diese Welt Gottes Glanz und Herrlichkeit in sich hat.

Es scheint fast so, als ob Gott sich hineingibt in die Erde, in das Leben der Menschen:

In Jesus Christus ist Gottes Liebe Mensch geworden, ein von uns;
einer, der auf der Erde und von der Erde lebt.

Es ist genau so, wie es Jeremia gesagt hat: Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es in ihr Herz!“

Schwestern und Brüder!
Dieses Hungertuch kann uns zeigen und ahnen lassen:
Der unbegreifliche, große Gott, ist nicht nur Jenseits der Erde, nicht nur über ihr, sondern er hat sich in die Erde gegeben, in unsere Herzen:
7 Goldkörner sind es: sieben heißt: die Fülle, Gott hat sich ganz in diese Welt gegeben, damit wir in dieser Welt sein Heil wirken können.

30. März 2014: 4. Fastensonntag

Hungertuch 2013-14

Hier geht es zu den liturgischen Texten Schott

Es ist eigentlich sehr treffend, doch beim ersten schnellen Hören kann einem das fast nicht auffallen, wie die Geschichte von der Heilung des Blindgeborenen beginnt: „Jesus sah einen Mann, der blind war!“

Blind war Jesus jedenfalls nicht, sondern er hatte einen offenen Blick gerade für die leidenden Menschen, die vom Leben benachteiligt waren.

Das Hungertuch von MISEREOR ist möchte ich unter diesem Thema des Sehens als Ausgangspunkt nehmen:

Zu allererst fordert es uns heraus, dass wir es ansehen und uns auf das Bild einlassen: die Ordnung auf diesem Bild mit den vier Szenen, zwischen denen ein gelb leuchtendes Kreuz entsteht.

Rechts oben sind die Menschen mit Jesus am Tisch darge­stellt, die er sah: Gelähmte, Verkrüppelte und wegen verachtete Menschen.

Links daneben sehen wir ‑ sozusagen mit den Augen Jesu ‑ die Menschen, die Hunger haben und den Jungen, der seine Brote und Fische spendet.

Darunter sind die Menschen dargestellt, die keinen Blick haben für die Not der Menschen, die ihnen ihre Hände entgegenstrecken.

Und daneben sehen wir die Kinder. Sie sehen einer guten Zukunft entgegen, weil sie im Frieden und ohne Not teilen können.

Das Leitwort der MISEREOR Fastenaktion 2014 bringt uns zum Nachden­ken: „Mut ist zu geben, wenn alle nehmen!“. Wer gibt, wenn andere nehmen, sieht die Welt mit anderen Augen – mit den Augen Jesu.

Deshalb möchte ich heute am Sonntag vor der MISEREOR Kollekte den Blick auf Menschen, die  mit den Augen Jesu sehen und anfangen, die Not und das Leid zu überwinden:

Es sind Menschen, die im Vergleich zu uns in Armut leben. Aber sie haben die Not verringert und arbeiten erfolgreich für eine bessere Zukunft.

Kotido liegt in einer extrem trockenen Gegend im äußersten Norden von Uganda. Die Männer und älteren Söhne ziehen während der Trockenzeit mit den Rindern auf der Suche nach Wasserstellen und Weideland umher. Ihre Familien bleiben in den Dörfern.

Die Frauen bauen in der Regenzeit Hirse an. Die Ernte war schon immer knapp. Aber durch den Klimawandel hat sich die Situation verschlimmert. Jeder Dritte leidet unter Hunger. Nicht einmal 10% der Menschen in dieser Region können lesen und schreiben.

Doch es soll und muss nichts so bleiben: Das von MISEREOR unterstützte FAL-Projekt geht beide Probleme zugleich an. FAL steht für funktionale Alphabetisierung und Landwirtschaft.

Projektleiterin Rose Lokiru erklärt die Idee: „Gemeinsam mit den Frauen im Dorf besprechen wir, welche Probleme es gibt. Wichtige Wörter schreiben wir auf die Tafel. Die Frauen schreiben die Wörter ab und bilden neue Wörter. Dabei entstehen Ideen für die Lösung ihrer Probleme. Und wie nebenbei lernen sie auch noch Lesen und Schreiben.“

So entstand die Idee einen Gemüsegarten anzulegen. Aber Hirten sind keine Gärtner. Wie legt man einen Garten an? Wie sät man aus? Wann muss man gießen? Wann ernten? Was tun gegen Schädlinge? Die Projektleiterin Rose Lokiru und ihr Team stehen bei solchen Fragen den Frauen mit Rat und Tat zur Seite. Auch die zunächst fehlende Ausrüs­tung kann den Frauen zur Verfügung gestellt werden. Um den Gemüse­anbau auch in der Trockenzeit zu ermöglichen, hat MISEREOR den Bau von Wassertanks und einfachen Bewässerungsanlagen finanziert.
Dank des Projekts gibt es auf dem Markt in Kotido jetzt Gemüse.

Die mühevolle Arbeit wurde belohnt: In der Regenzeit konnten die Frauen Überschüsse auf dem Markt verkaufen und ein kleines Einkommen für die Familie erzielen. Für den Verkauf auf dem Markt ist es besonders wichtig, dass die Frauen lesen, schreiben und ein wenig rechnen gelernt haben.

Mittlerweile haben es über 1300 Frauen geschafft, ihre Familien auch in der Trockenzeit ausreichend zu ernähren. Lesen und schreiben zu lernen.

Der Erfolg mit den Gemüsegärten hat die Frauen außerdem selbstbe­wuss­ter gemacht. Sie übernehmen nun auch Aufgaben in der Gesellschaft und in der Kirche. So verbessern sie Schritt für Schritt ihre soziale und familiäre Lebenssituation.

17. März 2013: 5. Fastensonntag

Hier geht es zu den liturgischen Texten: Beuron

Das Misereor Hungertuch findet man hier: MISEREOR-Hungertuch

Wir haben den Hunger satt! – das ist das Leitwort der MISEREOR Fastenaktion in diesem Jahr.
Wir haben den Hunger satt – das ist ein Wortspiel mit der Redewendung „ich habe es satt …“, die Überdruss ausdrückt. Wir wollen nicht mehr hungern müssen!

Ganz darauf abgestimmt ist auch das neue Hungertuch von MISEREOR, das uns heuer und nächstes Jahr zum Nachdenken anregen kann.
Das Hungertuch trägt die Überschrift: „Wie viele Brote habt ihr?“ Das hat Jesus seine Jünger gefragt, als diese ihn aufmerksam machten, dass er die Menschen wegschicken soll, damit sie sich etwas zu essen kaufen könnten.

Die Szene sehen wir auf dem Bild links oben:
Im Hintergrund die Armen, die Hunger leiden. Im Vordergrund ein Tisch, hinter dem ein Kind steht. Es hat alles was er hat, die zwei Fische, auf den Tisch gelegt.
Das Bild ist aus der Perspektive Jesu gezeichnet. Von ihm her fällt helles Licht auf den Tisch und den Jungen.
Ein Mensch fängt an zu teilen, ein Mensch fängt an, aus Liebe zu handeln, ein Mensch, vertraut sich und seine Möglichkeiten Gottes Kraft an.
Was dieses Kind bringt, reicht für alle.

Das Bild darunter beschreibt den betrüblichen Teil der menschlichen Wirklichkeit: Der Tisch auf dem Bild ist eine Barriere zwischen denen, die Köstlichkeiten in sich hineinstopfen und den Hungernden, die flehend die Arme in die Höhe strecken, damit sie ein wenig Anteil haben am Brot.
Die Frage: Wie viele Brote habt ihr? Findet kein Echo. Niemand bringt etwas. Diese Selbstsucht führt viele Menschen in den Tod durch Krankheit und Hunger. Sie führt zu Gewalt. Deshalb sind im Hintergrund die drei Kreuze. Doch auch hier ist das Licht Christi zu sehen: die Verheißung einer solidarischen Welt.

Rechts oben ist Christus dargestellt. Um ihn herum sind Kranke, Verkrüppelte, Kinder und ihre Mütter. Christus teilt Brot und den Wein mit ihnen – wie der Junge auf dem Bild links daneben – gibt er sich – auch in der Fußwaschung die in dieses Bild aufgenommen ist.
Miteinander das Brot teilen. Einander die Füße waschen, einander dienen – so entsteht Gottes Reich mitten in der Welt. So strahlt das Licht Jesu in diese Welt.

Das Bild rechts unten ist ein Gegenbild zu dem daneben:
Kinder sitzen auf dem Tisch, der nun keine Barrikade mehr ist. Getreidehalme mit vollen Ähren umspielen ihre Füße. Es ist das Leben in Fülle, das Jesus verheißt. So sehr diese Verheißung das Jenseits betrifft, das Leben in Gottes Herrlichkeit. Könnte sie nicht auch Gegenwart sein, wenn wir Menschen die Frage beantworten: „Wie viele Brote habt ihr?“
Wenn jeder gibt, was er hat, dann werden alle satt – heißt es in einem Lied! Besonders heute – aber nicht nur heute – sind wir eingeladen zu teilen, was wir haben, damit der Hunger weniger wird und die Menschlichkeit, die uns über die Evolution hinaushebt, zunimmt.

Ans Ende der Ansprache möchte ich einige Sätze von Bischof Theotonius Gomesaus Dhaka/Bangladeschstellen,

Liebe Freunde,
ich heiße euch herzlich willkommen, mit mir einige persönliche Gedanken zur TischSymbolik dieses Hungertuchs zu teilen.
Lasst mich auf der konkreten Ebene beginnen: die Nahrung, die uns zuteil wird, sollen wir behutsam und bewusst essen, um satt zu werden; und wir sollen sie mit Freude kosten und schmecken, um die Güte, die uns widerfährt, bewusst wahrzunehmen. Mit einer solchen Haltung werden wir Zugang zum Geist des Fastens und der Fastenzeit gewinnen.

Ja, lasst uns satt werden und uns stets freuen an dem Brot, das wir essen. Sollte uns im Überfluss diese einfache Freude abhanden gekommen sein, lasst sie uns demütig wieder erlernen von den Armen und all jenen, die hungern. Auch wenn es wie ein Wunder erscheinen mag: Sie freuen sich an der einen, sehr einfachen Mahlzeit am Tag, derer sie vielleicht habhaft werden können.

Lasst uns die Güte der Nahrung erkennen als Gottes tägliches Geschenk an uns, als Geschenk der Erde und unserer Hände Arbeit, ein Geschenk, dem eine Dimension des Heiligen innewohnt, und das uns zuteil wird, damit wir leben können. Die Dimension des Heiligen in unserer Nahrung wird dort umso deutlicher, wo sie von reichen und armen Menschen geteilt wird als Zeichen der Freundschaft und familiären Verbundenheit – auch wenn diese Menschen weit entfernt voneinander wohnen.

Nichts von dieser so wertvollen Nahrung darf vergeudet, nichts weggeworfen werden. Aber wir wissen: es gelingt uns bis heute nicht, die eine, liebevolle Menschheitsfamilie auf der Erde zu schaffen unter dem Zeichen des Täglichen Brotes. Wir sind beschämt und niedergeschlagen. Ja, »wir haben den Hunger satt«, den Hunger, der den Tod bedeuten kann, den Hunger, dessen Schmerzen den Hungernden peinigen. Es gelingt uns nicht, den Hunger unserer Tage zu stillen. Lassen wir, liebe Freunde, jenen inneren Hunger in uns entstehen, der den Hunger aus der Welt verbannen kann.

Hier halten wir einen Moment inne und wagen es, auf jene die Zeiten übergreifende Tischrede im Gebet unseres Herrn zu hören: »Unser tägliches Brot gib uns heute.« Lasst es uns inständig beten, auf dass es für alle Wirklichkeit werden möge. Das Herrenmahl ist die Gnade, die uns leitet, wenn wir unsere täglichen Gaben darbringen und gestärkt werden in der Feier der Eucharistie. Wir beten und versprechen, uns mit all unserer Kraft, mit unserem Körper und unserem Herzen einzusetzen für eine weltweite Kultur und Zivilisation des Täglichen Brotes als Zeichen der Gegenwart seines Reiches unter uns, im Hier und Heute.