23.01.2022: 3. Sonntag im Jahreskreis

Liebe Schwestern und Brüder,
mich bewegt heute zweierlei: erstens möchte ich jetzt in der Gebetswoche für die Einheit der Christen uns allen diesen Auftrag Jesu ans Herz legen:
Unsere verschiedenen Konfessionen haben ihre Berechtigung – gerade wegen ihrer Unterschiede. Es wäre gar nicht wünschenswert, sie zu verschmelzen. Doch es ist notwendig, dass wir einsehen und verstehen: die Unterschiede trennen uns nicht von Jesus. Sie dürfen uns nicht daran hindern, das Brot miteinander zu brechen und freudig zusammenzukommen. Unsere Bischöfe sollten endlich aufhören, dies zu blockieren.
– wie das manche Bischöfe getan haben, als es um die Möglichkeit ging, dass ev. Ehepartner zusammen mit ihrem katholischen Partner zur Kommunion gehen.

Damit zusammenhängt das Zweite, was mich bewegt:

Das ist natürlich die Veröffentlichung des Gutachtens über die sexuelle Gewalt seit 1945 in unserem Nachbarbistum vor wenigen Tagen: Seit 1945 haben alle Bischöfe und ihre Generalvikare und Personalverantwortlichen unzureichend reagiert, wenn Priester oder andere kirchliche Mitarbeiter Menschen durch sexualisierte Gewalt schweren und schwersten Schaden zugefügt haben.

Dabei beschäftigt mich natürlich die gleichen Fragen, die von Journalisten gestellt werden: Warum wurde nicht anders gehandelt? Was sind die tieferen Gründe? Gibt es überhaupt entlastende Umstände?

All das wird in der Öffentlichkeit jetzt ausgiebig diskutiert und die Verantwortlichen werden dafür angeklagt.

Mich beschäftigt aber eine andere Frage: Wie kann ich mir und ihnen und wie können wir unseren Bekannten und Freunden erklären, dass wir dennoch als Kirche zusammenhalten.

Der einzige Grund für mich ist: Ich glaube an Jesus und ich glaube ihm, der seine Sendung so beschrieben hat: Ich bin gekommen, um die Zerschlagenen in Freiheit zu setzen.

Genau das hat er in seinem Leben getan und er hat uns beauftragt es auch zu tun.

Und wenn es noch so viele Christen gibt, und auch Bischöfe, die diesen Auftrag nicht erfüllt haben, ja sogar selbst mitschuldig oder schuld daran sind, dass Leid zugefügt wurde – so glaube ich an diese Sendung durch Jesus von Nazareth. Und ich weiß, dass viele Christen diese Sendung in berührender und bewundernswerter Weise erfüllen.

Allerdings es ist mir ganz und gar nicht gleichgültig, dass in meiner Kirche sexualisierte Gewalt gedeckt wurde und vielleicht immer noch wird.

Mag das ein Problem der ganzen Gesellschaft sein – aber in der Kirche darf das nicht sein und hätte nie sein dürfen.

Wir müssen unsere Kirche verändern. Diese Kirche braucht einen Heilungsprozess und es nicht nur eine Krankheit, an der wir leiden.
Und wie Paulus es so eindrucksvoll meditiert: Leidet ein Glied, dann leiden alle Glieder mit. Deshalb dürfen auch die leitenden Personen nicht sagen, das sei ihre Sache. Es ist unser aller Sache, dafür zu sorgen, dass sich die Kirche ändert.

Und unser Beitrag kann nur sein, dass wir die Missstände benennen,
dass wir Änderungen vorschlagen und fordern.

Viel zu lange schon leben die Bischöfe und auch Pfarrer in Palästen und sind ausgestattet mit Herrschaftszeichen; Stab und Mitra und Priester­kragen. So konnten die Krankheiten des Hochmuts, der Unbelehr­barkeit und der Gefühlskälte Einzug halten.

Wir Katholiken dürfen uns nicht mehr widerspruchslos gefallen lassen, wenn ein Bischof das, was sehr viele Katholiken denken und wollen völlig missachtet und stattdessen seine Meinung als die einzig Richtige und Denkbare darstellt. Ersparen wir uns die immer gleichen Beispiele.

Es kann nicht mehr sein, dass jemand aufgrund seines Amtes sagt: Die Sache ist entschieden, weil ich es will. Vielmehr müssen die „Oberen“ auf jeder Ebene der Kirche mit Macht daran erinnert werden, dass sie verpflichtet sind, auf die zu hören, deren Leitung ihnen anvertraut ist.

Die geweihten Amtsträger in der Kirche sind nicht zu Herrschern geweiht, sondern dafür, für das Volk die Sakramente zu feiern, diese Zeichen, in denen uns Gottes Kraft zugesprochen wird. Sie sind gesandt, die frohe Botschaft Jesu zu verkünden und auszulegen.

Ganz offenbar ist es notwendig, dass aber das Volk Gottes, also Laien, zur rechten Zeit den geweihten Amtsträgern deutlich macht, welche praktischen Folgerungen daraus zu ziehen sind.

Wenn Laien stark auftreten, ist das ein erstes Zeichen, dass die Heilung beginnt.

Nur Mut!

13.06.2021: 11. Sonntag im Jahreskreis

Ansprache: Liebe Schwestern und Brüder,
Was braucht die Menschheit um zu überleben?
Frieden mit sich selbst und untereinander –
den Glauben, an das Gute im anderen und in der Welt, –
die Liebe zum Leben, zum Mitmenschen, ‑
und die Hoffnung, das das Leben stärker ist als der Tod.

Wenn Frieden, Glauben, Liebe und Hoffnung sind – da wirkt Gottes Geist, da ist Gottes Reich unter uns.

Liebe Schwestern und Brüder,  es müsste eigentlich so sein, dass in aller Welt die Menschen sagen: die christliche Kirche (evangelisch oder katholisch oder orthodox) das sind die Leute, die Frieden bringen, die an das Gute glauben, die die Liebe leben und die Hoffnung bringen.

Doch in unserem Land herrscht eine andere Stimmung:
Kirche wird als machthungrig, geldgierig, verkommen, korrupt und Menschen missbrauchend wahrgenommen und dargestellt.

Und ja – es gibt einfach zu viele Beispiele, als dass man sagen könnte: Es geht nur um Einzelne.

Ordenshäuser und Bistümer und das auf der ganzen Welt, wurden in einer Art und Weise geleitet, dass manche oder jedenfalls viel zu viele Ordensleute und Priester in Umständen lebten in denen vor allem Unterordnung zählte, Gehorsam, Angst vor Sanktionen und die Unmöglichkeit zu den eigenen Bedürfnissen und Wünschen zu stehen.

Das System der Unterordnung richtete bei weitem nicht überall und auch nicht in der Mehrzahl, diese Schäden an – doch auf jeden Fall viel zu oft.

Welches System: Ein System, das nur Macht von oben kennt. Ein System, das zu strenge Regeln vorgibt und zugleich zu viel Macht verleiht. Ein System, das nicht die Befähigung, die menschliche Reife und Weisheit fördert, sondern die Linientreue.

Ein geschlossenes System, das in der Selbstillusion lebt, für alles zuständig zu sein und den Menschen sagen zu können und zu müssen, wie sie leben sollen. Ein solches System führt dazu, dass Menschen sehr stark unter ihrer Unterlegenheit leiden, enttäuscht und verbittert sind. Das Risiko ist groß, dass manche selbst Macht erleben wollen: über die, für die sie zuständig und verantwortlich sind: Sie haben die Möglichkeit zu bestrafen und zu belohnen. Die ihnen anvertrauten sind von ihnen abhängig.
Das ist das vergiftete Umfeld, in dem Missbrauch gedeihen kann.
Und dieser Ungeist wirkt, auch wenn es zu keinen verbrecherischen Taten kommt – versteckt durch den Rauch der Selbstbeweihräucherung.

Solche Machtstrukturen gibt es auch heute in der Gesellschaft. Sie sind nicht mehr an Amt und Würden gekoppelt, sondern an Geld und Beziehungen.

Solche Machtstrukturen, werden zurecht abgelehnt und unsere Kirche muss gerade bitter lernen, dass die Menschen – ob nun getauft oder nicht – das nicht mehr wollen – und ist immer noch nicht bereit dafür.

Das ist vielleicht der tote Punkt, von dem Kardinal Marx in seiner Erklärung spricht. Die Kirche, meine Kirche, muss sich bekehren.

Denn Jesus wollte nicht, dass sich seine Jünger ihm unterwerfen, er hat sie zu seinen Freunden gemacht. Er wollte nicht, dass sie klein sind – er hat sie aufgerichtet.

Liebe Schwestern und Brüder, wir sind nicht in der Position, dass wir die Machtstrukturen in der Kirche ändern können. Was wir aber können ist:

Wir können uns überzeugen, dass Jesus Christus uns zeigt, dass wir geliebt sind und dazu berufen sind zu lieben. Er hat uns seinen Frieden hinterlas­sen, den Frieden, den ein Kind findet, wenn es in den Armen seiner Mutter ruht. Er lehrt uns, dass wir an seinen guten Vater im Himmel glauben können und er gibt uns Hoffnung, dass das Leben Zukunft hat.

Und liebe Schwestern und Brüder, davon überzeugt, können wir ganz persönlich der gute Boden dafür sein, dass Frieden, Glaube, Liebe und Hoffnung leben und wachsen und gedeihen und gute Früchte bringen.

Im Augenblick leiden wir an dem jämmerlichen Bild, das die Menschen von der Kirche haben und zeichnen und das die Kirche abgibt;
wir leiden unter dem Zustand der Kirche, die einzustürzen droht wie Notre Dame in Paris einzustürzen drohte. Wir leiden daran, dass dadurch so viele Menschen keinen Zugang zu der wunderbaren Botschaft Jesu finden.

Aber bleiben wir Jünger Jesu. Folgen wir ihm nach. Bleiben wir zusammen als seine Gerufenen (Kirche) auf dem Weg. Behalten wir die Hoffnung.