22.12.2019: 4. Adventsonntag

Hier geht es zu den Texten der Liturgie: schott

Liebe Schwestern und Brüder,
Bei der Predigtvorbereitung stieß ich auf eine Auslegung, die das Geschehen um die Geburt Jesu ungefähr so rekonstruiert:
Erst erschien der Engel Gabriel der Maria und verkündete ihr, dass sie schwanger werden würde. Als es schließlich offenbar war, überlegte Josef, der Verlobte Marias, wie er mit möglichst wenig  Schaden für alle, die Sache lösen könne. Aber da kam im Traum ein Engel zu ihm und weihte ihn ein – damit das Kind in den Augen der Welt einen Vater hat.

Ich bin zwar kein wissenschaftlicher Exeget – aber in einem bin ich mir sicher: So deutet man weder das Lukas noch das Mt. Evangelium richtig.

Mt. Erzählt eine ganz andere Geschichte über die Geburt Jesu als Lk.
Und beide sind wahr – nicht als Chronik, sondern als Verkündigung.

Im Lk. Ev. kommt Josef kaum vor. Im Mt. Ev. ist Josef der entscheidende:
ZU ihm kommt der Engel vor der Geburt und nach der Geburt, und rät ihm nach Ägypten zu fliehen und teilt ihm später mit, dass er nun wieder zurückkehren kann.
Die Geburt des Herrn erwähnt Mt. nur vorausschauend – wie hier und rückblickend in der Erzählung von den Sterndeutern. Als Jesus in Betlehem geboren worden war ….

Mt. setzt ganz andere Akzente als Lk., um zu verkünden, dass Jesus der verheißene Messias ist, dass Gott in ihm Mensch geworden ist und die Schriften erfüllt.

Auch in der Geschichte des Mt. geht es nicht darum, was Josef für ein Mensch war – Er verschwindet als Jesus 12 Jahre alt ist sang und klanglos.

Und Lk geht es nicht darum, was Maria für eine besondere Frau war, weil sie sagte: „Ich bin die Magd des Herrn“.

Beiden geht es allein und ausschließlich darum zu verkünden, wer Jesus war und ist. Und das verkündet der Engel:
Jesus ist vom Heiligen Geist. Er soll Jesus heißen (Gott hilft) Er wird das Volk von seinen Sünden befreien.

Und Mt. und Lk. machen klar: Gott braucht die Menschen, um das Heil zu wirken.

Bleibt noch die Frage nach dem Namen „Immanuel“ (Gott ist mit uns).

Wird das Kind zwei Namen haben? Jesus Immanuel?

Diese Vorstellung ist natürlich daneben. Aber so wird deutlich, dass wir uns damit nicht aufhalten brauchen: Das Kind heißt Jesus und es ist der Immanuel, weil er uns mit seinem ganzen Leben eines zeigt:
Gott ist mit uns. So endet auch das Mt. Evangelium:
„Ich bin bei euch, alle Tage, bis zum Ende der Welt“.

Liebe Schwestern und Brüder,
Heute können wir verschiedene Impulse auf uns selbst beziehen:

Auf der menschlichen Ebene:
Wenn Du meinst, dich hätte jemand hinters Licht geführt –
selbst wenn es vielleicht so ist, höre nicht nur auf die Stimme der Vernunft und der verlorenen Ehre: Höre auch auf die andere Stimme in dir:
Diese Stimme sagt dir, wie das Leben weitergeht.

Doch wem dies zu glatt geht, wer spürt, dass diese Auslegung am Eigentlichen vorbeigeht, kann die Geschichte so auf sich beziehen:

Gott ist immer bei uns, um sein Heil zu wirken.
Doch dafür braucht er die Josefs und Marias, er braucht uns Menschen.

Gott will sein Heil wirken durch uns.
Wir sollen nicht den Ehrgeiz haben, wie Gott zu sein,
sondern wir sollen den Ehrgeiz haben, dass Gott in uns und durch uns handelt.

Es gibt keine Konkurrenz zwischen uns Menschen und Gott –
vielmehr ist es ein Ineinander: Wo der Mensch Gott groß sein lässt,
da geschieht sein Heil.

10.06.2018: 10. Sonntag im Jahreskreis

Hier geht es zu den liturgischen Texten: schott

Liebe Schwestern und Brüder,
Adam, der Mensch, hörte Gott, er merkte, dass er nackt war, und versteckte sich aus Furcht.
Diese Schilderung ist wunderbar. Man kann es sich richtig schön vorstellen. Ein kleiner Film entsteht sofort im Kopf. Geprägt von den vielen Bildern, die diese Szene darstellen.

Doch leider: Liebe Schwestern und Brüder, Genesis beschreibt keine dramatische Episode des ersten Menschenpaares. Wir begegnen hier einer tiefen Überlegung über die Beziehung des Menschen zu sich selbst und zum Ursprung des Lebens, den wir Gott nennen.

Die Erfahrung des Menschen mit sich selbst ist zugespitzt in dem Satz:
Der Mensch erkannte, dass er nackt war.

Es geht nicht so sehr um das körperliche nackt sein. Es geht um eine andere Erfahrung: Der Mensch wollte mehr sein, als er war, er wollte wie Gott sein und Gut und Böse erkennen. So ist der Mensch über sich selbst hinaus gewachsen.
In Wirklichkeit entdeckt er aber noch mehr: dass er überaus anfällig ist. Der Mensch erkannte, dass er seinen Ursprung nicht erklären kann.
Er erkannte, wie verletzlich er ist. Der Mensch bekam ein Gespür für seine Vergänglichkeit.

Damit ist das menschliche Wesen beschrieben – sehr bildhaft, sehr mythologisch – aber doch zutreffend:
Der Mensch möchte über sich selbst hinaus und leidet an seiner moralischen Begrenztheit und an seiner Sterblichkeit. So ist es bis heute.

Moral, Ethik und Sterblichkeit stehen in einem engen Zusammenhang.
Gut ist das Leben! Böse ist der Tod! Der Mensch strebt nach dem Leben und flieht den Tod. Und wirklich:
der Mensch gebiert, schützt und hilft dem Leben und
er schadet, gefährdet und zerstört Leben.

Der Mensch ist gut und böse und er weiß es auch. Das macht ihm Angst. Denn er möchte nur gut sein und gar nicht böse. Das ist ein grundlegender Antrieb des Menschen: Du sollst gut sein und nicht böse.

So ist der Mensch herausgefallen aus dem Paradies der Selbstverständlich­keit. So fiel der Mensch heraus aus der Seligkeit des Nicht Wissens. So verlor er seine Unschuld. Er kann sein Leben nicht einfach so nehmen, wie es ist. Das ist der Preis des Menschseins.

Doch die Überlegungen von Genesis sind noch nicht am Ziel:
Da ist noch die Rede von den Nachkommen: Die Menschen werden für das Leben kämpfen. Sie werden den Tod bekämpfen. Die Menschen werden darum ringen, gut zu sein und nicht böse.

Dieser Kampf prägt die Menschheitsgeschichte bis auf den heutigen Tag und es wird so bleiben, solange es Menschen gibt.

Für uns Christen bedeutet aber Jesus und sein Leben eine Zäsur in dieser langen Geschichte:
Jesus hat in seiner Person dem Bösen keinem Raum gelassen.
Er hat den Menschen das Leben gerettet. Er hat sie geheilt und mit sich versöhnt. Die gesagt haben: es hat keinen Sinn, gegen das Böse zu kämpfen, die bösen Geister hat er ausgetrieben.

Jesus hat den Kampf gegen das Böse gewonnen. Er hat es besiegt, indem er immer das Gute getan hat. Er ließ sich nicht täuschen von denen, die sagen: der Zweck heiligt die Mittel.
Er wusste, dass Gutes nur bewirkt, wer Gutes tut. Denn:

Der Krieg bringt keinen Frieden.
Gewalt gebiert kein Leben.
Lüge bringt keine Gerechtigkeit.
Feindschaft führt nicht zur Versöhnung.

Wer den Frieden will, muss auf Angriff verzichten.
Wer das Leben will, darf keine Gewalt anwenden.
Wer Gerechtigkeit will, kann nicht auf Lügen bauen.
Wer Versöhnung will, hört auf, den anderen als Feind zu sehen.

Jesus legt es in unsere Hand, ob wir zu seiner Familie gehören:
Wer den Willen seines Vaters tut, der ist ihm Bruder und Schwester und Mutter. Der Ursprung des Lebens, unser Vater, will, dass wir für das Leben eintreten und dabei auf die Kraft des Guten vertrauen. So wie Jesus unser Bruder.