15.12.24: 3. Adventsonntag

Hier geht es zu den Texten der Liturgie:

Einführung:
Wir wundern uns, warum der christliche Glaube in der Welt soviel Zuspruch hat: das ist kein Wunder.
Es ist ganz natürlich:
Ihre Güte werde allen Menschen bekannt – heißt der Wunsch: Menschen, auf die du dich verlassen kannst, die alles für dich tun, die niemanden im Stich lassen,
die sich umeinander kümmern! – da gehört man gerne dazu. Es bleibt nicht verborgen, dass Jesus der Grund dafür ist.

Ansprache: Liebe Schwestern und Brüder
Fast jeder Kirchgänger kennt das Lied von Dietrich Bonhoeffer – jedenfalls den Kehrvers:
„Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Viele wissen auch, dass er diesen Text in der Todeszelle schrieb.

Wie kann jemand so denken und dichten, während er seiner Ermordung entgegensieht?

Ein wenig missbrauche ich diesen Text von Dietrich Bonhoeffer –
weil ich die Erinnerung daran benütze, um uns eine Brücke zu bauen zum Brief des Paulus an die Gemeinde in Philippi. Sein Aufruf könnte womöglich in heutiger Zeit unpassend empfunden werden:
„Freut euch im Herrn zu jeder Zeit. Nochmals: Freut Euch!“

Kann man sich freuen, während rund um die Erde Maschinengewehr­salven und Bomben Pflanzen, Tiere und Menschen zerreißen?

Ja, Jesus hat die seliggepriesen, die über das Unheil in der Welt trauern!
Und er hat Wehrufe über die gesagt, die jetzt lachen, denn sie werden klagen und weinen?

Und doch habe ich gestern eine Reportage über den „Liebeszug“ in der Ukraine gesehen, der Frauen zu ihren Männern bringt, und die sich richtig freuen, wenn sie ein paar Stunden und Tage gemeinsam verbringen.

Viele Reisende berichten, dass die in Armut lebenden Menschen ihnen einen viel fröhlicheren Eindruck machen als die nördlichen Wohlstands­bürger. Woran mag das liegen?

Ich kenne eine kleine Geschichte, in der ein „weiser Mann“ die Frage so beantwortet: Er lässt den Frager durch eine Glasscheibe schauen und fragt: „Was siehst Du?“ „Die Bäume, die Blumen, dich!“ erhält er zur Antwort.

Dann nimmt er ein Stück Silberpapier, legt es hinter die Glasscheibe und lässt den Frager wieder durchschauen: „Was siehst du jetzt?“ Jetzt sehe ich mich selbst!“ heißt die Antwort.

Der weise Mann erklärt: „Siehst du, ein wenig Silber bewirkt, dass Du nur noch dich selber siehst!“ Wer kann sich freuen, wenn er nur noch sich selber sieht? Die vielen schönen Sachen, die jemand besitzt und sich wünscht, binden die Gedanken und es ist schwer, sich unbeschwert zu freuen.

Vielleicht ist es mit den Sorgen leichter: Jeder vergisst gerne für ein paar Stunden all die Sorgen und die Not und freut sich über jedes und alles, was die Not lindert oder zu ertragen hilft.

Liebe Schwestern und Brüder,
Trauer und Freude gehören zum Leben. Es gibt viele Gründe, sich zu freuen und es gibt viele Gründe zur Trauer.

Das eine wird uns nicht und muss uns nicht am anderen hindern.

Worüber also dürfen wir uns freuen? Sollen wir uns freuen?

„Eure Güte werde allen bekannt! Der Herr ist nahe! Macht euch keine Sorgen! Bringt eure Klagen und Bitten mit eurem Dank vor Gott!“

Paulus ist damit ganz nahe an Johannes dem Täufer und seiner Predigt:
Er ruft die Zöllner und Soldaten auf, ihre Stellung nicht zu missbrauchen und er ruft zum Teilen auf ‑ Gut zum anderen sein eben.

Auch er spricht vom Herrn, der schon nahe ist: Er sammelt die guten Früchte und verbrennt den wertlosen Staub.

Ich deute diesen Satz nicht auf eine ferne oder nahe Zukunft hin, sondern auf die Gegenwart:

Jesus ist der Maßstab und er ist es, der unterscheidet, was wertvoll ist und was wertlos ist: Bankpapiere vergehen – die Menschen, die gut zu anderen sind, bewahren das Leben!

Wenn wir Güte erleben, haben wir Grund, echten Grund zur Freude!
Ich wünsche und hoffe, dass sie jeden Tag Grund zur Freude finden.

Allgemeines Gebet

Lektor/in: Paulus ermutigt uns zur Freude! Johannes ruft zum teilen auf. Wir beten zu Gott, der sein und unser Leben mit uns teilt: Gott, unser Ursprung und Ziel

L/A: Wir beten zu dir

  • Wir beten für die Menschen in Syrien und im ganzen Nahen Osten: dass die Sehnsucht nach Frieden sie zur Versöhnung führt. Gott, unser Ursprung und Ziel
  • Wir beten für alle Menschen in unserem Land: dass wir Freiheit lassen und Respekt vor dem anderen üben und so die Gräben schließen. Gott, unser Ursprung und Ziel
  • Wir beten für die Menschen, die am meisten unter dem Klimawandel leiden: dass ihre Stimme gehört wird und dass sie Solidarität erfahren. Gott, unser Ursprung und Ziel
  • Wir beten für unsere Pfarreiengemeinschaft: dass wir für unsere Nachbarn ein Zeichen der Hoffnung sein können. Gott, unser Ursprung und Ziel
  • Wir beten für die Menschen, die neu in unser Viertel gezogen sind: dass sie freundliche und hilfsbereite Nachbarschaft erleben. Gott, unser Ursprung und Ziel

Lektor/in: Vater wir danken dir für die Gemeinschaft, die uns trägt, für die Hilfe, die uns stützt und für die Erde, die uns ernährt. Sei gelobt und gepriesen in Ewigkeit.

01.12.24: 1. Adventsonntag

Hier geht es zu den Texten der Liturgie:

Einführung: Liebe Schwestern und Brüder,
das Kirchenjahr beginn einen Monat vor dem Kalenderjahr. Von neuem beginnen wir durch das Jahr hindurch zu feiern, dass Gott uns durch Jesus rettet und von Sünde und Schuld befreit.
Wir bereiten uns auf das Fest der Ankunft des Sohnes Gottes in unserer Welt vor. Wir hören seine Botschaft, die uns Mut macht. Wir staunen über das Geheimnis seines Leidens und preisen seine Auferstehung.
In ihm nimmt Gott uns alle auf in sein Licht und seinen Frieden. Wir feiern den ganzen Sommer und Herbst hindurch, dass er bei uns bleibt und uns mit dem Heiligen Geist erfüllt bis alles vollendet ist.

Ansprache: Liebe Schwestern und Brüder,
Im Anschluss an das Evangelium müssen wir uns fast die Frage stellen:
Wann hatte ich meinen letzten Rausch? Wann war ich zuletzt betrunken?
Ich sehe es ihren Gesichtern an: Fehlanzeige. Sie können sich nicht mehr daran erinnern.

Außerdem werden Sorgen angesprochen? Welche Sorgen haben sie?
Ob sie die Krankheitskosten noch leisten können?
Ob das Geld bis zum Monatsende reicht?
Ob die Familie mit dem Weihnachtsessen zufrieden sein wird?
Was von ihnen erwartet wird?

Jesus mahnt uns im Evangelium, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags unser Herz nicht „beschweren“.

Sorgen und Ängste können das Herz beschweren:
Es entsteht eine Traurigkeit, eine Enge, die uns gefangen sein lässt. Wir richten den Blick immer mehr auf uns selbst. Die Beweglichkeit wird geringer – nicht nur die körperliche. Die Gedanken beginnen sich immer um dasselbe zu drehen. Die Erwartungen werden immer düsterer.

Menschlich kann ich das gut mitempfinden.
Aber: ein so beschwertes Herz ist auch ein unbewegliches Herz.
Es kann sich kaum noch aufschwingen zur Hoffnung.
Es ist kaum noch bereit, sich aufzuraffen und sich einzusetzen.
Das schwere Herz sieht keinen Sinn mehr darin, Kraft und Mühe aufzuwenden, um etwas zum Besseren zu bewegen.

Jetzt verstehe ich auch, warum Rausch und Trunkenheit zusammen mit den Sorgen des Alltags gesehen werden. Die Folgen sind sehr ähnlich: Ein schweres Herz.

Es heißt: „Nehmt euch in Acht, dass die Sorgen des Alltags euer Herz nicht beschweren!“
Aber wie? Die Sorgen drücken schwer!

„Wacht und betet allezeit!“

Wir brauchen dieses Wort nicht naiv wortwörtlich zu verstehen: Schlaf ist notwendig und gut! Man kann nicht allezeit die Hände falten, man muss auch Essen kochen und das Haus bauen.

Was „Wachen und beten“ heißt:
Wachsam sein für die Augenblicke des Reiches Gottes:
Das Reich Gottes ist nach Jesu Wort mitten unter uns.
Und es ist uns anvertraut und aufgegeben.

Wir sollen stets bereit sein, das Reich Gottes aufzubauen.

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine darf uns nicht daran hindern, selbst Versöhnung zu suchen.
Die Krankheit soll uns nicht daran hindern, für das Gute zu danken.
Unser beschränkter Einfluss und unsere Ohnmacht sollen keine Ausrede dafür sein, dass wir nicht das tun, was wir können, um einen Beitrag zum Guten zu leisten.

Liebe Schwestern und Brüder,
wer auf einen Brief wartet, ist aufmerksam, dass er das Klappern des Briefkastens hört;
Wer zu einem Ziel unterwegs ist, passt auf, dass er die Abzweigung nicht verpasst.

Wir warten und erwarten das Reich Gottes und sind wachsam für seine Spuren mitten unter uns.
Und wir sind wachsam für die Augenblicke, die Gott uns schenkt, dass durch uns Gottes Reich gegenwärtig ist und bleibt und wird.

So werden wir all dem Schrecken der Zeit entrinnen und können mit leichtem Herzen Gott erwarten, der uns zu sich ruft.

Allgemeines Gebet

Lektor/in: Wir haben die Mahnung gehört, wachsam und bereit zu bleiben, dass wir das Gute suchen und tun. Wir beten deshalb zu unserem Vater im Himmel.

L/A     Gott, wir beten zu dir.

  • Wir beten für die Menschen, die mutlos geworden sind:
    dass sie aus ihrer Antriebslosigkeit herausfinden und Menschen finden, die ihnen Zutrauen schenken.
  • Wir beten für die Menschen, die von Süchten gefesselt sind:
    dass sie Hilfe suchen und finden und befreit werden.
  • Wir beten für die Menschen, denen die Sorgen über den Kopf wachsen: dass sie unterstützt werden und ihnen Lasten abgenommen werden.
  • Wir beten für alle Getauften: dass sie im Glauben an Christus Kraft und Halt finden und ihr Herz unbeschwert bleibt.
  • Wir beten für unsere Pfarreiengemeinschaft: dass es uns gelingt, andere einzuladen und in unsere Mitte aufzunehmen.
  • Wir beten für die Menschheitsfamilie: dass sie besser lernt, Gerechtigkeit walten zu lassen und den Frieden stark zu machen.

Lektor/in: Vater im Himmel. Du bist der Friede. Du bist das Leben. Du schenkst uns Freude und Hoffnung. Wir preisen Dich in Ewigkeit. Amen.

18.07.2021: 17. Sonntag im Jahreskreis

Liebe Schwestern und Brüder,
fast 8 Milliarden Menschen leben auf unserer Erde. Das ist eine gewaltige Zahl. Und es ist ein gewaltige Menge an Begabungen, an Sehnsüchten, an Problemen.

Eines der größten Probleme ist nach wie vor der Hunger: Über 800 Millionen Menschen leiden unter Hunger.

Ungefähr 80 Millionen Menschen fliehen um Kriegshandlungen zu entkommen. Noch viel mehr Menschen leben in Kriegsgebieten und leiden darunter.

Diese Millionen Menschen mit ihren Nöten und Sorgen sehe ich stellvertreten in den 5000 Männern, die gemäß dieser Geschichte um Jesus versammelt waren. Diese 5000 stehen stellvertretend für das Heer der Menschen, die sich nach Frieden sehnen. Sie stehen für die Menschen, die mit Problemen kämpfen, mit Krankheiten, die verzweifelt sind. Menschen, die ihr Leben irgendwie als sinnlos und bedroht erfahren.

Die ganze Menschheit steht vor riesigen Problemen: die Welt wird sich in den nächsten Jahrzehnten verändern. Viele werden wegen steigender Meereshöhe nicht mehr dort leben können, wo ihre Ahnen über lange Zeit lebten.
Die Weltbevölkerung nimmt jedes Jahr um ca. 50 Millionen Menschen zu. Wie soll der Hunger gestillt werden, die Kinder unterrichtet, die Kranken versorgt?
Wenige Multimilliardäre reißen immer mehr an sich. Der Wohlstand ist immer ungleicher verteilt. Die Benachteiligten fangen an, sich dies nicht mehr gefallen zu lassen.

All diese Menschen sehe ich versammelt auf dem Berg – hoffend darauf, dass Jesus ihnen einen Weg zeigt.

Als Berichterstattung eines Ereignisses fasse ich die Geschichte nicht auf.
Wie sollte sich Jesus in der einsamen Gegend 5000 Menschen verständlich machen? Wie hätten die Römer auf eine solche Versammlung reagiert?
Woher kamen am Schluss plötzlich die 12 (!) Brotkörbe, obwohl doch nur ein kleiner Junge 5 Brote und zwei Fische zur Verfügung stellen wollte.

Vielmehr verkündet diese Geschichte, was Jesus bedeutet: sie ist Ausgangspunkt der sogenannten Brotrede, die wir an den kommenden Sonntagen anhören werden.

Aber auch für sich allein ist diese Geschichte schon eine Mutmachge-schichte:

Es geht mir um den kleinen Jungen mit seinen 5 Broten und 2 Fischen. Er bringt dieses bisschen in der Naivität eines Kindes, das helfen will. Es kann aber nicht einschätzen, dass das doch viel zu wenig ist für die Menge.

Brote und Fische stehen für das, was die Menschen suchen:
Achtung ihrer Würde, dass sie für sich und ihre Familie sorgen können,
dass sie satt werden und in Frieden nach ihren Gebräuchen an einem sicheren Ort leben können.
Die Menschen suchen Hoffnung, dass sie die Welt gut gestalten können und dass all ihr Bemühen nicht umsonst ist.

Dieser kleine Junge ist der Held in der Geschichte. Warum? Weil er das wenige, das bisschen herbeibringt. Er will es zur Verfügung stellen und teilen. Er will helfen – wenn auch mit fast nichts.

Da fallen mir die Helfer ein, die nur mit einem Spaten ins Ahrtal kommen, um zu helfen. Da sind die Leute, die einfach Suppe und Eintopf bringen, damit sich die Menschen stärken können. Es ist nicht viel. Aber die Wirkung ist tausendmal größer. Es bringt Hoffnung. Es gibt Kraft. Es bewahrt vor Verzweiflung.

Das ist das Geheimnis dieser Geschichte: Jesus zaubert nicht unsere Probleme weg. Das Wunder dieser Geschichte wiederholt sich immer wieder: wenn Menschen auf Gott hören und Gottes Werke tun, wenn Menschen teilen und trösten, Gerechtigkeit herstellen und Wunden heilen, wird sich das Gute, das sie tun, multiplizieren und vervielfachen. Wir brauchen nicht denken, was kann ich schon tun. Wir dürfen darauf vertrauen, dass sich das wenige Gute, das wir mit unseren kleinen Möglichkeiten tun, vervielfacht, weil Gott das Gute in die Schöpfung eingepflanzt hat. Es ist wie ein Pilzgeflecht, das sich unterirdisch ausbreitet und überall seine Früchte hervorbringt – in Gottes Kraft.

31.12.2019: Jahresschluss

Lesung: Kol 3,12-19 – Ev: Joh 15,11-17

HERZLICH WILLKOMMEN

Gott, der jeden Tag bei uns ist und uns mit seinem Geist erfüllt,
seit mit euch

Einführung:
Ein letztes Mal in diesem Jahr kommen wir in unserer Kirche zusammen. Mit der Eucharistie, der Danksagung an Gott soll das Jahr enden.
Wer um Mitternacht wach ist und sich ein gutes neues Jahr wünscht,
dankt dabei daran, dass es nicht nur an uns liegt, wie im kommenden Jahr das Leben verläuft.
Es lag nicht nur an uns, was im vergangenen Jahr geschehen ist:

Alles, alles legen wir in Gottes Hand, wenn wir zu ihm rufen:
Herr, bleibe mit deinem Erbarmen bei uns: Bleibe mit deiner Nachsicht und mit deiner Großzügigkeit bei uns, der du uns das Leben schenkst:

Ansprache: Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde,
Notre Dame in Flammen, der Regenwald im Amazonasgebiet in Flammen, Australien brennt – wird bald die ganze Erde in Flammen aufgehen, brennt nicht nur Notre Dame oder wird bald die Kirche insgesamt durch die Flammen des Unglaubens verzehrt?

Viele machen sich große Sorgen: denn es gibt gute Gründe, den Mahnern und Warnern zu glauben und zu begreifen, dass die Menschheit – global – einen Überlebenskampf führen müsste: Es geht um mehr als Arbeitsplätze und Einkommen: Es geht ums Überleben.
Klimaforscher sagen – die meisten jedenfalls – wir verhalten uns wie Menschen, deren Haus brennt und die sich darüber sorgen machen, wie man die Möbel vor dem Löschwasser schützen kann.

Die Klimakatastrophe – so sagen die Wissenschaftler – wird in 10 Jahren unumkehrbar sein, wenn die Menschheit ihr Verhalten nicht drastisch ändert. – Zu Recht werden die Regierungen gefordert:
Denn die Parlamente und Alleinherrscher stellen durch Gesetze die entscheidenden Weichen, damit sich das Verhalten ändern wird.

Und die Kirche, das Volk Gottes, die Getauften in den verschiedenen Konfessionen: In unseren Breiten schaffen sie es nicht mehr, ihre Verwandten und Freunde für den christlichen Weg des Lebens zu begeistern: Die wenigen Eltern, die es bei ihren Kindern ernsthaft versuchen, müssen meistens sehen, dass die Kinder den Glauben in eine Nische stellen – aber die Gemeinschaft nicht mehr pflegen.
Es gibt viele Gründe, sich wegen unserer Kirche und ihrer Zukunft große Sorgen zu machen: Die Vorhersagen sind genauso katastrophal wie die der Klimaforschung. In 40 Jahren wird sich die Zahl der Kirchenmit­glieder von 44 auf 22 Millionen halbieren. – Und die Kirchen diskutieren über eucharistische Gastfreundschaft bei konfessionsverbindenden Paaren!

Wie können wir auf ein solches Jahr – das in vieler Hinsicht nicht viel anders war als die vorherigen – zurückschauen?
Gibt es Grund, zu danken? Gott zu danken?

Wie können wir trotz der vielen Gründe zur Klage und zur Sorge, zur Enttäuschung und vielleicht sogar zur Wut, dankbar sein?
Wie können wir dieses Jahr in Frieden beschließen?
Oder logischer gefragt: Wie können wir Frieden in uns haben?

Liebe Schwestern und Brüder, weil es noch viel mehr Probleme gibt (Rüstung, Kriege, Waffenexporte, Ausbeutung der Arbeitskräfte in der ganzen Welt durch die Mechanismen des „freien Marktes“ und seiner Profiteure), kann ich nicht umhin zu sagen:
Wer Ideale hat, wem etwas an der Welt, an den Menschen und an der Kirche liegt, kann nicht zufrieden sein. Damit es besser wird, ist Widerspruch notwendig, Auseinandersetzung und Protest und Engagement! Es wäre ein fauler Friede, den Kopf in den Sand zu stecken und zu denken: Für mich läuft es eigentlich ganz gut.

Jesus preist die Menschen selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit – die sich einsetzen und etwas dafür tun!

Im Frieden kann ich das Jahr nur beschließen, wenn ich mir bewusst mache, was ich tun kann, damit es besser wird: in der Kirche und mit der Menschheit:

Frieden kann ich in mir haben, wenn ich mich einsetze für Verbesserungen – nicht gegen andere Menschen: Der eigene Einsatz soll auch ihnen zugutekommen – auch wenn es verschiedene Meinungen gibt, was Verbesserungen sind.

Im Frieden kann ich das Jahr nur beschließen, wenn ich sehe und achte, dass es viele Gründe gibt, zu danken und dankbar zu sein:
Das alles ist es wert, dafür einzutreten, sich auseinanderzusetzen, sich zu engagieren. Woher kommt die Kraft dafür?

Die kleinen und scheinbar selbstverständlichen Dinge im Alltag – sie sollten uns darin bestärken, uns  für die Zukunft der Menschen und der Kirche einzutreten.

 

 

Es war einmal eine weise Frau. Sie hatte kein leichtes Leben und musste mühsam für ihren Lebensunterhalt sorgen.

Jeden Morgen, bevor sie ihr Tagwerk begann, ging sie in ihre Speisekammer und nahm eine Handvoll Bohnen aus einem Sack. Diese steckte sie sich in ihre rechte Hosentasche.

Wann immer ihr im Laufe des Tages etwas Schönes begegnete – das Lächeln eines Kindes ‑  der Gesang eines Vogels ‑ ein Mitmensch, der ihr eine Freundlichkeit erwies ‑ der Duft einer Tasse Kaffee ‑ ein Sonnenstrahl, der ihr Gesicht traf – eine schöne Blume ‑ oder ein schattiger Platz in der Mittagshitze –
kurz gesagt, für alles, was ihr Herz und ihre Sinne erfreute, ließ sie eine Bohne von der rechten in die linke Hosentasche wandern.

Am Abend, bevor sie sich schlafen legte, nahm sie die Bohnen aus ihrer linken Tasche. Sie erinnerte sich bei jeder einzelnen Bohne an das Schöne, an das, was ihr an diesem Tage Freude bereitet hatte.

Und wenn sich auch nur ein einziges Böhnchen in ihrer linken Schürzentasche fand, dann war es für sie ein Tag, an dem es sich gelohnt hatte, zu leben.

4. Oktober 2015: Erntedank

Lesungen: 1. Lesung: Joel 2,21-27   –  2. Lesung: 1 Tim 6    –   Ev:  Lk 12

Liebe Schwestern und Brüder,
die Ernte ist weitgehend eingebracht: Allein die Zuckerrüben stecken noch im Erdboden und werden erst bis in den Dezember hinein gerodet.

Es gibt: Kartoffeln und gelbe Rüben, Rosenkohl und Bohnen, Weizen und Mais – auch wenn es heuer fast nicht geregnet hat.

Wir dürfen uns freuen, dass die Felder in unserer Heimat fruchtbar sind,
dass trotz allem geerntet werden konnte.
Wir wollen danken: den Bauern für ihre Arbeit, den Technikern für die Maschinen, den Biologen für die richtigen Züchtungen, den Lagerhäusern und ihrem Personal, und und und.

Doch das ist nicht alles: die Erde gab ihren Ertrag: wir legen alle zusammen die Früchte der Erde vor den Altar und sind dankbar, dass uns die Erde trägt und ernährt. Wir danken ihm, dem einen, durch den wir alle sind und leben. Ohne ihn gäbe es nichts. Keine Erde, keine Früchte und weder Tier noch Mensch, die von der Frucht der Erde leben.

Wir danken Gott für die Ernte, für das Leben!
Und: da ich Gott für das Leben danke, nehme ich es an: mein Leben –
so wie es ist – und nicht nur das eigene Leben:
Wer Gott für das Leben dankt, sagt zugleich Ja zu jedem Lebendigen: Jeder darf auf dieser Erde sein und von der Frucht der Erde leben.

Wenn ich diese Einstellung annehme, Schwestern und Brüder,
ist mir sofort klar, welchen Fehler der Mann in dem Gleichnis machte:
Er dachte nur an seine Sicherheit: Jetzt lasse ich es mir gut gehen.
Kein Gedanke daran, dass diese reiche Ernte ihm zwar gehört, aber doch nicht für ihn allein bestimmt ist.

Schwestern und Brüder, wir dürfen im Wohlstand leben – schon seit vielen Jahrzehnten: manche mehr, manche weniger: sind wir bereit, die gute Ernte zu teilen?

Viele Jahre waren wir verschont: Not und Hunger, bittere Armut – das war etwas für ganz wenige in unserem Land (so redeten wir uns ein) und für die Länder im Süden und im Osten – in den Hungerzonen der Welt.

Krieg und Gewalt waren weit weg von uns – jedenfalls, seit der Balkan einigermaßen befriedet ist.

Doch nun mit dieser großen Zahl an Flüchtlingen kommen Not und die Folgen des Krieges vor unsere Haustüre. Und ich finde, wir haben – ganz besonders als Christen eine doppelte Mission:

Erstens dass wir unsere Scheunen öffnen; dass wir den Menschen Unterschlupf gewähren, die zu uns gekommen sind;
dass wir sie menschlich behandeln, dass wir ihre Wunden heilen;
dass wir ihnen Zuwendung und Nähe schenken, so dass sie uns nahe kommen.

Und wir haben noch eine Verantwortung gegenüber den Menschen,
die nun bei uns sind: wir müssen sie dafür gewinnen, dass sie mit uns zusammen den Frieden, den sie hier suchen auch achten und bewahren.
Wir müssen sie begeistern von unserer Idee der Gesellschaft, in der das Leben respektiert wird, in der jeder Mensch frei über sich bestimmen kann, wo Achtung vor dem Leben und vor der Freiheit des anderen zu Sicherheit führt.

Dazu müssen wir uns selbst wieder neu auf unsere Ideale besinnen!
Wir müssen vielleicht auch uns hinterfragen lassen: ob wir nicht manche Ideale schon lange dem Profitstreben vergessen haben:
Und wir müssen damit rechnen, dass es ein schwieriger Weg wird, mit Rückschlägen und Enttäuschungen.

Doch: dass wir für unser Leben danken und es annehmen, dass wir zugleich ja sagen zu jedem Lebendigen, gibt uns Zuversicht und Mut:
Dass wir mit den Menschen, die zu uns gekommen sind, eine Gesellschaft werden können, in der aus dem Ja zum Menschen Geborgenheit und Sicherheit und Frieden entsteht.

2. März 2014: 8. Sonntag im Jahreskreis

Hier geht es zu den liturgischen Texten: Schott

Haben sie Sorgen?

Thomas Morus, der englische Reichskanzler und Märtyrer betete:
„Lass nicht zu, Herr, dass ich mir allzu viele Sorgen mache um dieses sich breit machende etwas, das sich ich nennt.“

Ist das denn möglich, sich keine Sorgen um sich selbst zu machen? – so wie Jesus es sagt: „Sorgt euch nicht um Essen und Trinken und um eure Kleidung!“

Wollte jemand behaupten, Jesus von Nazareth würde zur verantwortungs-losen Untätigkeit anstiften? – Der würde Jesus ganz sicher und ich möchte sagen – absichtlich – falsch verstehen. Wer ein Jünger Jesu ist, wird selbstverständlich arbeiten, sein Brot verdienen, der wird selbstverständlich auf seine Gesundheit achten und die Hilfe eines Arztes in Anspruch nehmen!

Wer das Wort Jesu richtig verstehen will, muss darauf achten, in welchem Zusammenhang es steht:
Unmittelbar vorher sagt Jesus: „Sammelt euch nicht hier auf der Erde Schätze – denn diese Schätze sind vergänglich.
Sammelt euch viel mehr Schätze im Himmel – Schätze, die nicht verderben, die niemand stehlen kann! Schätze, die euch zu freien und guten Menschen machen.“

Sorgt euch nicht um euch selbst, heißt also in diesem Zusammenhang:
sorgt euch nicht darum, wie ihr Geld und Vermögen ansparen könnt. Bildet euch nicht ein, ihr könntet euer Leben selbst absichern.

Wenn ihr tut, was recht ist, werdet ihr erleben und erfahren, dass Gott für euch sorgt und dass es immer wieder gut wird – weil euer Leben in Gottes Hand geborgen ist.

Der Sorge um sich selbst, dem Haschen nach Reichtum, Macht und Glanz stellt Jesus eine andere Sorge gegenüber:
Sorgt euch zuerst um das Himmelreich und seine Gerechtigkeit!

Die erste Sorge, die wir haben, soll nicht sein:
Wie werde ich reicher?
Wie vermehre ich mein Ansehen?
Wie mache ich es mir möglichst bequem?

Die erste Sorge soll sein?
Wie kann ich Armen helfen?
Was kann ich tun für Gerechtigkeit?
Wie kann ich dazu beitragen, dass Wunden heilen?

Dabei geht es nie um alle Armen, nicht um die totale Gerechtigkeit, nicht um alle Krankheiten und seelischen Verwundungen.
es geht um die Gerechtigkeit unter den Menschen, die ich kenne –
es geht um die Armen, die mir begegnen – ob nun persönlich oder durch die Vermittlung einer Hilfsaktion;
es geht um die Verwundungen der Menschen, die ich kenne!

Vorsorge, Gesundheitsfürsorge, Altersvorsorge – das alles gehört mit dazu, um Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.

Wichtiger als all dies ist aber das Leben aus dem Vertrauen:
Ich muss nicht ängstlich sorgen und mich gegen alles vorsehen und absichern. Ich muss keine Angst haben vor dem, was das Leben mit sich bringt.

Da mein Leben Gottes Geschenk ist und bleibt, darf ich mich ihm anvertrauen. Je mehr ich mich und das, was ich tue, ihm anvertraue, desto mehr darf ich feststellen, dass er für mich sorgt, dass ich finde und empfange, was mir zum Leben dient.