Lesungen: Joel 2,21-24.26-27 – 1 Tim 6,6-11,17-19 – Lk 12, 15-21
Liebe Schwestern und Brüder,
Einen Bauer habe ich im Fernsehen sagen hören: „Eine solche Getreideernte hätte früher eine Hungersnot bedeutet. Heute kaufen wir das Getreide eben aus anderen Ländern ein!“ – Zum Glück ist das möglich.
Vielen anderen leider nicht!
Können wir dankbar sein? Haben wir Grund dazu?
Die Antwort fällt sicher verschieden aus: manche werden sich eingestehen: Letztlich kann ich zufrieden sein – mit dem wie ich lebe und wie mein Leben verlaufen ist.
Manche werden vielleicht sagen: „Viel Glück hatte ich nicht im Leben und auch jetzt geht es mir nicht besonders gut.“
Für sie alle bedeutet „Erntedank“ jeweils etwas anderes.
Dennoch: ich will Gott danken – für diese heurige Ernte, die andere für mich eingebracht haben – und überhaupt: Ich will Gott danken!
Für das Rot der Tomaten und ihren Geschmack.
Für das Getreide und das tägliche Brot. Für Gemüse und Obst.
Dies alles ist lebendig und hält uns und alle Lebewesen – die essen, um den Hunger zu stillen am Leben!
Immer stärker wird mir bewusst, dass unsere Erde genügend Nahrung wachsen lässt für Mensch und Tier – wenn wir Menschen nicht der Habsucht verfallen und uns bewusst bleiben, dass die Erde und was auf ihr wächst, letztlich allen gehört:
Der erste Grund dankbar zu sein ist schon, dass ich bin! Ich müsste ja nicht sein. Auch ohne mich ist diese Welt schön und vollkommen. Aber es wurde mir geschenkt, da zu sein und Anteil zu haben: am Leben, am Schönen. Viele Menschen sind gut – gut zu mir.
Danke, dass ich lebe und danke für das Weltall, in dem diese Erde gehalten ist von den außerirdischen Kräften, die sie um die Sonne kreisen lassen. Diese Kräfte halten uns auf der Erde, sie lassen Gebirge wachsen und erhalten um die Erde die Hülle aus Luft, die wir atmen und die Strahlen der Sonne schenken uns Licht und wärmen uns.
Wir sind ein Teil dieser Erde – wir sind buchstäblich von der Erde genommen.
Deshalb sind wir verbunden mit allen Geschöpfen dieser Erde: Was wären wir ohne das Wasser in unseren Zellen und im Körpergewebe? Was wären wir ohne Calcium und Eisen in unserem Blut.
Liebe Schwestern und Brüder, ich will hier keine allgemeine Naturromantik pflegen. Es ist ein Wesenszug von uns Menschen, dass wir verbunden sind – mit allem was ist. Wenn wir dies vergessen und uns herauslösen wollen, wenn wir über Pflanzen und Tiere herrschen wollen, wenn wir die Erde ausbeuten, leugnen wir unsere Verbundenheit und unsere Abhängigkeit. Wir sägen an dem Ast, der uns trägt und hält.
Und wir würden durch unser Handeln leugnen, dass alles auf der Erde und im Weltall einen gemeinsamen Ursprung hat, dass eine Kraft in allem wirkt und wirksam ist: die Kraft zu Leben und zu sein.
Dies war der Fehler des reichen Kornbauern, dem eine so große Ernte geschenkt war. Er tat so, als sei sie sein Eigentum und vergaß, dass er verbunden ist mit allen Geschöpfen. Er vergaß, zu teilen.
Das Gleichnis lehrt uns: Wer vergisst, dass er Teil eines Ganzen ist,
dass er durch andere lebt, wer leugnet, dass er empfängt, damit er teilt,
wer sich loslöst und abschneidet von der großen Gemeinschaft des Lebens – der schneidet sich auch ab von der Quelle des Lebens, von dem, den wir Gott nennen und den wir mit dem Wort Gott meinen.
Liebe Schwestern und Brüder,
dankbar sein heißt sich verbunden und beschenkt fühlen und weckt von selbst die Bewegung zu anderen hin: Mit ihnen zu teilen und sich gemeinsam am Geschenk des Lebens zu freuen. Deshalb soll es und dürfte es unter der Gemeinschaft der Christen keine Armen geben. Unsere Dankbarkeit stiftet uns an, es dem Ursprung des Lebens, unserem Gott, gleich zu tun und miteinander zu teilen, damit wir gemeinsam Gott danken und ihn lobpreisen, der sein Leben mit uns teilt.