27.04.25: 2. Ostersonntag

Einführung: Liebe Schwestern und Brüder!
In einem Gespräch der letzten Tage sagte eine Frau zu mir:
Es ist doch eigentlich schön, dass der Papst an Ostern sterben durfte.
Ja, er hat den Glauben an die Auferstehung Jesu verkündet – fast ein ganzes Leben lang. Seine letzte Amtshandlung war die Menschen zu segnen – ähnlich wie Jesus, der Johannes und Maria einander anvertraut hat. – Heute wurde sein Leichnam bestattet. Bei der Begräbnismesse stand sein Sarg vor dem Altar – so sollte es eigentlich immer sein, wenn einer von uns hinausgeleitet wird – in die Weite und Freiheit und Freude des Himmels. Denn in der Eucharistie sind wir miteinander verbunden: Verstorbene und Lebende danken Gott für Jesus Christus.

Ansprache:

Kinder Gottes, mir fällt immer wieder auf: im Johannesevangelium ist sehr viel Bewegung -ob das Zufall ist? Ob sich dahinter eine Absicht und Botschaft des Verfassers verbirgt?

Jedenfalls: In den anderen drei Evangelien geht Jesus nach seiner Taufe ein einziges Mal nach Jerusalem, um dort gekreuzigt zu werden – im Johannesevangelium pilgert er dreimal dorthin.

Als Jesus vor Pilatus steht geht dieser ständig hinein und befragt Jesus geht wieder hinaus und redet mit den Hohepriestern.

Und am Ostermorgen, am 1. Tag der Woche:
Die Frauen gehen zum Grab. Weil der Stein weggewälzt war, laufen sie zurück zu Petrus. Petrus und Johannes laufen mit ihnen wieder zum Grab und kehren wieder „nach Hause“ zurück.

Dort haben sie sich eingeschlossen und hatten Angst vor den Juden – Angst, dass sie festgenommen und verhört oder bestraft, vielleicht sogar gesteinigt oder ausgepeitscht werden.

Was würden wir sprechen? Was würden wir fühlen außer der Angst?
Groll und Zorn auf die Ankläger, auf den feigen Pilatus?

Vielleicht hätten wir ein schlechtes Gewissen, wegen unseres schäbigen Verhaltens. Alle sind in die dunkle Nacht gelaufen. Keiner blieb bei Jesus.

Wir wären enttäuscht, weil unsere Hoffnung zerplatzt ist, die wir auf Jesus gesetzt haben und wahrscheinlich auch ratlos: Was sollen wir machen?

Wir alle wissen, wie sich in so einer Lage die Gespräche mit Schweigen abwechseln, sich im Kreis drehen und immer wieder andere Erinnerungen und Gedanken gesagt werden.

Vielleicht sagt einer irgendwann: Wir sollten den Hohepriestern und den Römern nicht böse sein. Jesus hat sie nicht beschimpft und nicht verflucht. Wir sollten das auch nicht tun.

Vielleicht überlegen sie: Wird Jesus uns böse sein? Weil wir ihn im Stich gelassen haben? Vielleicht entgegnet ein anderer: Jesus war uns nie böse. Er hat immer nur gesagt, wir sollen glauben, dass in ihm der Vater wirkt. Ja, wir sollen glauben, dass der Vater verzeiht!

Jesus will, dass wir an ihn glauben:
Dass der Vater in ihm ist und er im Vater!
Dass er den Weg zum Vater geht;
dass er uns den Weg zum Vater zeigt.
Er hat gesagt: Wer an ihn glaubt, hat das ewige Leben!

Langsam kehrt Friede ein. Und es wächst allmählich eine Gewissheit:

Wir machen weiter. Wir müssen weiter machen. Jesus will, dass wir weiter machen!

Wir sollen vergeben, weil Gott vergibt. Wenn wir ihnen nicht böse sind, sondern vergeben, vergibt Gott auch ihnen und auch uns.

Soweit meine Phantasie über die Gespräche der eingeschlossenen Jünger.

Liebe Schwestern und Brüder;
es wurde nicht überliefert, was die Jünger geredet haben und wie ihnen zumute war. Das ist nur Phantasie. Aber – was sonst?

Das Evangelium nach Johannes erzählt stattdessen, wie Jesus zu den Jüngern kam und sich durch seine Wunden als ihr Jesus zu erkennen gab.
Es erzählt von seinem Friedenswort und von seinem Auftrag, Sünden zu vergeben. Und es erzählt von Thomas, der großen Wert darauf legte, dass er nur dann an Jesus als Messias glauben kann, wenn es der Jesus ist, der ans Kreuz geschlagen war, weil er die Botschaft des Friedens brachte.

Am Ende fällt er auf die Knie und bekennt: „Mein Herr und mein Gott!“

Selig Gepriesen werden, die Jesus nicht selbst erlebt haben, aber an ihn glauben, weil sie seinen Jüngern glauben.

Liebe Schwestern und Brüder, das sind wir!
Durch das Zeugnis der Apostel glauben wir und bekennen wir Thomas:

„Mein Herr und mein Gott!

Amen.

Allgemeines Gebet

Lektor/in: Gott wir erkennen Jesus als deinen Sohn, durch den du zu uns gesprochen hast, damit wir deine mütterliche und väterliche Liebe zu uns erkennen. Voll Vertrauen beten wir zu dir:

Herr und Gott                      (L/A) Schenke Geist und Leben

  • Wir beten für unsere Kirche, die darauf wartet, dass ein neuer Bischof von Rom gewählt wird, der sie leitet.
  • Wir beten für unsere Kirche, dass sie die frohe Botschaft
    Jesu verkündet und sich durch keine Hindernisse davon
    abhalten lässt.
  • Wir beten für die Menschen, die mit sich und mit ihrem Leben nicht im Reinen sind: dass sie zur Ruhe kommen.
  • Wir beten für die Menschen, die ratlos sind und nicht wissen, wie es weitergeht: dass sie ihren Weg finden und gehen.
  • Wir beten für die Menschen mit gegensätzlichen
    Meinungen und Vorstellungen: dass sie versuchen, die Wahrheit zu finden, die auch in der Meinung des anderen enthalten ist.

Lektorin: Gott und Vater, du schützt uns wie eine Henne, die ihre Küken unter ihre Flügel nimmt. Wir loben und preisen dich in Ewigkeit. Amen.

06.04.2025: 5. Fastensonntag

Hier geht es zu den texten der Liturgie:

Einführung: Liebe Schwestern und Brüder!
Osterkerze nicht mehr im Altarraum – wir beginnen die „PASSIONSZEIT“

Die letzten zwei Wochen vor Ostern denken wir besonders intensiv an Jesus, der sich so viel Leid zufügen ließ.
Wir leiden mit ihm – und damit wird uns bewusst,
dass niemand auf der Welt so viel Leid zugefügt werden sollte.

Es ist die Aufgabe der Menschheit, das Leid zu verringern.
Deshalb spenden wir heute für das katholische Hilfswerk MISEREOR.
MISEREOR arbeitet täglich daran die Armut und das Leid der Menschen zu verringern.
Die Not geht nie aus. Aber viele hunderttausend Menschen konnten sich durch die Hilfe zur Selbsthilfe bereits aus der schlimmsten Armut befreien:
MISEREOR hilft durch unsere Spenden ungezählten Menschen, dass sie ihre Würde entdecken und dass Ihre Würde geachtet wird.

Wir sind heute dringend aufgerufen, uns wieder durch unsere Spenden daran zu beteiligen.

Ansprache: Liebe Schwestern und Brüder,
Vergangenen Samstag wurde ich gefragt: „Gibt es keinen Bußgottes­dienst? Sollen wir wieder zum Beichten gehen?“

Es gab im letzten Advent und in dieser österlichen Bußzeit keinen Bußgot­tesdienst, weil im Jahr zuvor nur sehr wenige daran teilgenommen haben.
Ca. 12 bis 15 Personen! In meiner vorherigen Pfarrei Herz Jesu war es genauso. –

Nur sehr wenige finden es notwendig, über eigene Sünden nachzudenken und gemeinsam Gott um Vergebung zu bitten.

Halt! Aufpassen! Ich habe nicht gesagt, dass ich das schlimm finde.
Ich habe nicht gesagt, das müsse anders sein! Ich will sie zu gar nichts überreden! Ganz gewiss will ich Ihnen kein schlechtes Gewissen machen!

Unversehens bin ich mitten in der Geschichte, die das Johannes­evangelium erzählt:

Ich höre die Frage Jesu an mich – an sie:
„Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!“
Die Frau verabschiedet er mit der Mahnung: „Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“

Niemand stellt in Frage, dass es Sünden gibt und dass er ein Sünder ist!
Die Schriftgelehrten und Pharisäer wissen um ihre Sünde. Die Frau sowieso. Nur wir tun uns offensichtlich fürchterlich schwer damit, zu denken, dass wir Sünder sind.

„Was stell ich schon an? Ich tu niemandem etwas. Ich helfe doch sowieso, wo ich kann.“

Wir wollen nicht als Sünder dastehen und uns nicht als Sünder fühlen müssen. – Das kann ich sehr gut verstehen!

Verzeihen Sie, wenn ich jetzt zur Offensive übergehe und frage: Jesus hätte wegen uns gar nicht auf die Welt kommen müssen, um uns zu erlösen? – Nur wegen der anderen?

Sind wir wirklich ohne Sünde – oder machen wir uns selbst etwas vor?
Dürften wir den Stein auf die Ehebrecherin werfen – auch wenn wir es natürlich gar nicht tun wollen und werden?

Zur Entspannung möchte ich noch sagen:
Ein Sünder ist deswegen noch lange kein schlechter Mensch und schon gar kein schlechter Christ.
Der Heilige Franz von Assisi nannte sich selbst einen Sünder – so wie das die meisten getan haben, die von den Päpsten heiliggesprochen wurden.
Und das waren nun wirklich keine schlechten Menschen!

Was ist denn nun eigentlich eine Sünde? Wirklich nur Diebstahl, Mord und Ehebruch?

Noch einmal zu unserer Verteidigung: Bis vor ein paar Jahrzehnten wurden ziemlich detaillierte Sündenkataloge aufgestellt – und meistens drehte es sich entweder um das 6. Gebot oder um die Erfüllung sogenann­ter religiöser Pflichten. – Davon wollen wir zurecht nichts mehr wissen.

Aber nun: was ist eine Sünde?

Für die Antwort auf diese Frage erinnere ich an das WICHTIGSTE GEBOT: Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben mit deiner ganzen Kraft. Und: Du sollst deinen Mitmenschen lieben wie dich selbst!

Sünde ist, wenn ich gegen dieses Gebot verstoße:  Also, wenn ich mich lieblos verhalte gegenüber Gott oder gegenüber dem Mitmenschen.

Und nun frage ich uns und gebe uns diese Frage mit in die 2 Wochen bis Ostern:

Bin ich ein Sünder? Oder bin ich ohne Sünden?

Jesus jedenfalls sagt: Ich verurteile dich nicht!
Muss ich dann gar nicht mehr nachdenken, ob ich lieblos war?

Allgemeines Gebet

Lektorin: Jesus Christus, du bist die Auferstehung und das Leben. Voll Vertrauen wenden wir uns an dich:

Gott, voll Erbarmen    L/A: Wir beten zu dir.

  • Für alle Menschen, deren Würde nicht geachtet wird
  • Gott, voll Erbarmen           A: Wir beten zu dir.
  • Für alle, die kranke und sterbende Menschen pflegen:
  • Gott, voll Erbarmen           A: Wir beten zu dir.
  • Für alle, die Kinder und Jugendliche erziehen.
  • Gott, voll Erbarmen           A: Wir beten zu dir.
  • Für alle, die sich selbst für schlechte Menschen halten.
  • Gott, voll Erbarmen           A: Wir beten zu dir.
  • Für alle, die andere um Vergebung bitten.
  • Gott, voll Erbarmen           A: Wir beten zu dir.
  • Für alle, die sich schwer damit tun, eigene Sünden zu erkennen und vor sich zuzugeben.
  • Gott, voll Erbarmen           A: Wir beten zu dir.

Gott, Du schenkst uns Vergebung und Versöhnung durch Jesus, deinen Sohn, der mit Dir lebt und herrscht in Ewigkeit. Amen.

17.09.23: 24. Sonntag im Jahreskreis

Jesus, der Messias, Petrus der Fels sind weiter im Gespräch: Es geht um lösen und binden, um bitten und erhört werden, um das verlieren und wiederfinden.
Es geht darum, ob wir jemanden an seine Schuld binden wollen – so wie an einen Mühlstein, der ihn auf den Meeresgrund hinabzieht?
Oder wollen wir ihn von seiner Schuld lösen, damit er den Fluten entkommen, das rettende Ufer erreichen und am Leben bleiben kann?

Mit der Aufgabe der Vergebung hängt auch diese Frager zusammen: Welche Art von Gerechtigkeit brauchen eigentlich die, denen Unrecht getan wurde, damit sie Frieden finden und heil werden?

Diese Fragen beschäftigen uns selbst – nicht nur, weil sie im Ev. stehen!

Wer vergangenen Sonntag in einer kath. Eucharistiefeier war, hat das große Versprechen gehört: Alles, was zwei von euch einig erbitten, werden sie vom himmlischen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.

Unmittelbar daran schließt das Mt. Evangelium die Frage des Petrus an:
Jesus, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt? (Lüge, Täuschung, üble Nachrede, bestehlen, Beleidigen?)
Petrus selbst schlägt ein Maß vor: die Siebenzahl, die ohnehin schon symbolischen Charakter hat und auf Vollendung hindeutet.

Jesus steigert das ins unermessliche und sagt sieben und siebzigmal. Er erklärt dies mit der sehr eindrucksvollen Geschichte von dem unbarm­her­zigen Knecht, die damit endet, dass er gebunden ins Gefängnis wandert.

Diese Geschichte macht mir bewusst, dass ich vor Gott – trotz allen Bemühens – immer ein riesiger Schuldner sein werde: Er hat mir unzählige Gelegenheiten gegeben, Liebe zu üben, und wie oft bin ich diese Liebe schuldig geblieben und bleibe sie Gott schuldig?

Jesus hat von Anfang bis Ende deutlich gemacht, dass ich Gott um Vergebung bitten darf und auf seine Vergebung vertrauen darf.

Was Menschen mir schuldig geblieben sind, oder sogar Böses getan haben, ist im Vergleich dazu nicht erwähnenswert.
Und deshalb, liebe Schwestern und Brüder, ist es so abscheulich, wenn ich es nicht schaffe, meinen Mitmenschen zu vergeben, wo ich doch auf die Vergebung meiner viel größeren Schuld durch Gott vertraue.

Die Kirche, also die Menschen, die versuchen, Jesus nachzufolgen und Gottes Barmherzigkeit zu verkünden, muss daraus die Konsequenzen ziehen: Die Aufgabe der Kirche ist es also gerade nicht, festzulegen, wann sie jemand ausschließt, sogar verfolgt, als Sünder erklärt,
Dies hat die Kirche leider oft getan und tut es immer noch!

Wenn sie die Menschen so an ihre Sünden, an ihre Schuld, Liebesschuld bindet, wird sie selbst alle Schuld zurückzahlen müssen – und wie bitter das ist, erleben wir gerade überaus schmerzlich!

Was Menschen brauchen, denen Unrecht getan wurde, ist weniger die Qual derer, die das Unrecht verübten, sondern zweierlei:
1. Dass sie geheilt werden, dass sie wiederhergestellt werden, dass sie nicht länger daran leiden müssen, was ihnen angetan wurde –
letztlich die himmlische Herrlichkeit.

Und 2. ist es notwendend, dass das Unrecht, das sie erlitten haben als solches anerkannt wird – besonders von dem, der es verübt hat und auch von der Gemeinschaft der Lebenden.

Dass wir als Kirche das doch endlich beherzigen würden, damit wir wieder frei werden und das Lob der maßlosen Barmherzigkeit Gottes verkünden dürfen.

Und so kann ich mir heute das Versprechen Jesu aneignen: Wann immer zwei Christen einmütig um die Vergebung für ihre Mitmenschen bitten, wird ihre Bitte erfüllt.
Sie werden erleben, dass sie frei werden, gelöst von aller Schuld, weil Jesus in ihrer Mitte selbst ‑ sie dazu bewegt und dafür gewinnt, die Fesseln der Schuld zu lösen. Amen.

2. Sonntag im Jahreskreis

Hier geht es zu den liturgischen Texten:

Einführung:
Jeder von uns hat etwas, das ihn belastet, was ihm das Leben schwer macht, was ihn bedrückt.
Besonders schlimm finde ich, wenn ich mit jemandem Streit habe – noch dazu, wenn mir der Mensch wichtig ist.
Noch schlimmer ist es, eine richtige Feindschaft zu haben.

Leider gibt es unter uns Menschen viele Spaltungen und tiefe Gräben. Feindschaften, Neid, Konkurrenz, Ablehnung.
Leider gibt es auch in der Christenheit viele Spaltungen.

Wenn ich mir wünschen dürfte, von einer großen Last befreit zu werden, dann würde ich mir wünschen, dass die Menschen und erst recht wir Christen einander nicht ausschließen, sondern wie in einer Familie miteinander verbunden wissen.

Ansprache:

„Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!“

In der Messfeier beten wir ein bisschen umgewandelt:
„Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt!“

Dieser Satz steht in einem ganzen Kosmos von bildlichen Vorstellungen über die Welt und Gott:

Gott ist der Schöpfer der Erde!
Der Mensch lebt durch ihn und aus seiner Kraft.

Der Mensch hat nicht auf Gott gehört:
Er möchte selbst bestimmen, was für ihn gut ist.

Er fügt anderen einen Schaden zu, für den eigenen Vorteil.
Das passiert uns jeden Tag:
Drängeln beim Anstehen und im Verkehr.
Etwas abstreiten, damit man keinen Ärger bekommt.
In der Probe abschreiben, damit man die Aufgabe lösen kann.
Es passieren noch viel schlimmere Dinge, von denen ich jetzt gar nicht reden mag.

Jesus nimmt die Sünde weg: Wie ist das gemeint?

1. Jesus sagt uns: Gott will trotzdem, dass es dir gut geht. Er verzeiht dir.
Er bleibt bei dir. Er straft dich nicht. Du bist und bleibst Gottes Kind.

2. Jesus nimmt die Sünde weg, das heißt auch, er zeigt uns, dass wir die Sünde nicht brauchen. Er zeigt uns, dass wir gut sein können zu den anderen. Er zeigt uns wie das geht. Wir können miteinander leben, ohne dass einer dem anderen etwas Schlechtes tut. Wir können helfen, teilen, trösten, …

Liebe Schwestern und Brüder,
das gilt für alle, die an Jesus glauben: für uns röm.kath., für die orthodoxen, für die evangelischen Christen.

Jesus nimmt die Sünde von uns weg. Eine große Sünde ist die Spaltung zwischen uns Christen:
Warum gibt es diese Spaltungen? Wegen Meinungsverschiedenheiten, wegen Rechthaberei, wegen gegenseitigen Beschimpfungen, weil man einander nicht zugehört hat, weil man selbst bestimmen wollte.

Dann wollte man nichts mehr miteinander zu tun haben.

Jesus nimmt die Sünde weg, was heißt das in diesem Fall:

Wir dürfen erkennen: obwohl es Unterschiede gibt, obwohl wir alle manche Dinge anders machen dürfen wir erkennen:
Wir glauben an Jesus, wir hören auf ihn, wir folgen ihm.

Die Spaltung muss nicht für immer bleiben. Wir können sagen:
Wir gehören zusammen, weil Jesus die Sünde von uns allen wegnimmt.
Und deshalb wollen wir auch miteinander beten.
Und deshalb dürfen wir auch beim Abendmahl,
bei der Kommunion unsere einander willkommen heißen.

Wir brauchen uns nicht gegenseitig ausschließen, sondern wir dürfen einander einladen.

Am nächsten Donnerstag üben wir das wieder.
Die ev. Christen und wir röm.katholischen Christen beten miteinander,
wir singen miteinander, wir hören miteinander auf die heilige Schrift und dabei spricht Gott uns zu Herzen.

Ich bitte Sie, dass wir das schätzen. Wir sind wirklich weit gekommen. Wir sind inzwischen Freunde geworden. Geschwister im Glauben.

Diese Gemeinschaft müssen wir pflegen und stärken und dadurch müssen wir auch unseren Kirchenleitungen klar machen: Wir möchten diese Spaltung nicht mehr: Auch wenn wir verschieden sind, wollen wir doch miteinander den Glauben feiern. Wir wollen uns gegenseitig zum Abendmahl und zur Kommunion einladen. Hoffentlich wird das bald.

FÜRBITTEN

Lektor/in: Gott, du bist unser Vater, in Gemeinschaft mit allen Christen beten wir zu dir:

Gott, Vater der Menschen – (A) führe uns durch deinen Geist

  • Wir beten für die Kinder, die heuer das erste Mahl die heilige Kommunion empfangen werden: dass sie in ihren Familien lernen, als Jünger Jesu zu leben. Gott, Vater der Menschen –
  • Wir beten für die Eltern, die ihre Kinder zur Taufe gebracht haben: dass sie die Verbindung mit Jesus halten und mit ihren Kindern beten und Nächstenliebe üben. Gott, Vater der Menschen –
  • Wir beten für alle Menschen in unserem Stadtviertel: dass wir offen sind füreinander und dass Menschen in Not geholfen wird.
    Gott, Vater der Menschen –
  • Wir beten für unsere Pfarrgemeinde und für die Matthäusgemeinde und für die Pfarrgemeinde von St. Albertus Magnus: Dass wir den Glauben gemeinsam leben lernen und dass wir zum Segen für die Menschen in unserem Stadtviertel werden. Gott, Vater der Menschen –
  • Wir beten für alle christlichen Kirchen: dass wir die Spaltungen überwinden, dass wir unsere Gemeinsamkeiten immer mehr entdecken und dass wir bald gemeinsam das Herrenmahl feiern können.
    Gott, Vater der Menschen –
  • Wir beten um den Frieden überall dort, wo Menschen Krieg gegeneinander führen, wo Feindschaft besteht, wo Angst und Schrecken die Menschen plagen. Gott, Vater der Menschen –

Priester: Himmlischer Vater, wir loben dich für deine Gaben, für den Geist, der in uns ist und uns lenkt und treibt. Gib, dass wir deinen Segen erfahren, dass wir dir danken durch Jesus Christus, unseren Herrn.

27.03.2022: 4. Fastensonntag

Ansprache: Ich selbst mag das Gleichnis vom barmherzigen Vater und seinen beiden verlorenen Söhnen sehr gern und halte es für eines der wichtigsten Lehrstücke Jesu. Ich weiß aber, dass es auch kritische Fragen gibt:

Ist der barmherzig genannte Vater wirklich so ideal?

Das ist die Frage des älteren Sohnes in der Geschichte: Er fühlt sich ungerecht behandelt und macht dem Vater den Vorwurf: „Mir hast niemals auch nur einen Ziegenbock geschenkt – obwohl ich mich immer an alles gehalten habe, was du wolltest“.

Ohne Zweifel liegt in dem Verhalten des Vaters eine Provokation.
Diese überschwängliche Reaktion, als der jüngere Sohn zurückkehrt, der auf schäbige Weise sein Erbe verschleudert hat, ist ein Ärgernis.

Wahrscheinlich fällt es vielen nicht schwer, Beispiele im eigenen Erfahrungsbereich zu suchen, wo man sich ebenso empören würde.

Die überschwängliche Freude ist ja nicht das einzige:
kein mahnendes Wort, nicht einmal ein Wort der Verzeihung – im Gegenteil: Er wird sofort wieder mit allen Zeichen in die Sohnschaft eingesetzt.

Aber ich möchte alle, besonders die unter uns, die sich mit dem älteren Sohn identifizieren, bitten, den folgenden Gedankenweg mitzugehen:

Denken wir zuerst an den Ausgangspunkt, warum Jesus diese Gleichnisgeschichte erzählt:

Zöllner und Sünder kommen zu Jesus. Sie wollen ihn hören.
Und Jesus scheint sogar mit ihnen zu essen: das heißt: er macht sich mit ihnen gemein. Er hält keine Distanz. Dabei wird man im jüdischen Denken selbst unrein, wenn man mit Sündern zusammen isst.

„Sage mir, ….“

Untergräbt Jesus damit nicht die Bemühungen der Pharisäer: sie befolgen erstens selbst alle Gebote gewissenhaft und vor allem: sie lehren auch das Volk. Sie setzen Kraft und Mühe und Überzeugungskunst ein, damit das Volk die Gebote achtet und hält.

Arbeitet er dem Bemühen der Schriftgelehrten entgegen?

Jesus will den Pharisäern sein Verhalten erklären – so wie in der Geschichte der Vater zu dem älteren Sohn hinausgeht und versucht, ihn zurückzugewinnen.

Was er erklären möchte ist seine Lehre: „Im Himmel herrscht mehr Freude über einen Sünder, der umkehrt als über 99 Gerechte, die die Umkehr nicht nötig haben.“ Diesen Satz hat die Leseordnung leider weggeschnitten.

In erster Linie geht es also nicht um eine Anweisung zum Verhalten von Vätern mit ungehorsamen Söhnen. In erster Linie geht es um Himmlisches, um Göttliches.

Man muss also nicht überlegen, ob der Vater das Erbe des älteren Sohnes nochmal schmälert. Das Heil, das Glück des Himmels ist unendlich – es ist unerschöpflich. Wer im Himmel ist, ist ganz im Himmel und das gilt für jeden und alle.

Und deshalb ist es im Himmel ein Fest, wenn einer, der Gott den Rücken gekehrt hatte, sich Gott zuwendet. Wenn einer der der Selbstsucht, dem Stolz, der Habsucht, der Machtgier nachlief, wenn so ein Mensch tatsächlich merkt: Ich bin auf dem falschen Weg. Dieser Weg führt mich in den Abgrund, da bleibt nichts übrig. Dann ist einer gewonnen für das Leben, für das Glück des Himmels. Er ist dem Tod von der Schippe gesprungen. Das ist doch wirklich ein Fest für Gott, der doch allen Geschöpfen sein Heil schenken will.

Weil das so ist, gibt sich der Vater auch mit dem älteren Sohn so viel Mühe. Er geht ihm genauso entgegen und wird sich genauso sehr freuen, wenn der das Fest mitfeiert und die Freude des Vaters teilen kann. Wenn er sich freut, dass er seinen Bruder wiedergewonnen hat.

Ich bin froh, dass mich der Vater immer wieder aufnimmt. Ich bin froh, dass er mich nicht ins Katzenhaus schickt, sondern mir seine ganze Fülle und sein ganzes Glück schenkt. Denn verdienen täte ich es nie.

06.12.2020: 2. Adventsonntag 2020

Hier geht es zu den Texten der Liturgie:

Liebe Schwestern und Brüder,
heuer gab es keinen Bußgottesdienst: in der Fastenzeit waren öffentliche Gottesdienste verboten und jetzt im Advent möchte ich ehrlich gesagt keine zusätzlichen Gottesdienste anbieten.
Und: wenn ich ganz ehrlich bin, frage ich mich, ob es überhaupt jemandem abgeht – dieses Nachdenken über die eigenen Sünden.

Dabei ist das eine Grunderfahrung der Menschheit und jedes Menschen:
wir sind nicht immer gut, sondern wir sind oft auch böse und tun Böses.

Dabei bleibt es sehr schwer, festzulegen, was genau böse ist, was eine Sünde ist. Die Messlatte kann sehr verschieden angesetzt werden.

Ist es nur eine Sünde, wenn ich jemand anderem oder mir selber absichtlich und vermeidbar Schaden zufüge?
Dann gibt es tatsächlich gar nicht so viele Sünden: denn wer stiehlt schon? Wer betrügt schon?

Oder sündige ich auch schon, wenn ich nachlässig bin, wenn ich vergesse Gutes zu tun (beten) oder zu wenig von meinem Besitz mit denen teile, die weniger haben als ich. Ist es schon eine Sünde, weil mein Vertrauen größer, meine Hoffnung stärker und meine Gottes- und Nächstenliebe stärker brennen könnten?

Jeder kann sich selbst fragen:
Habe ich jemand anderem oder mir selbst Schaden zugefügt? War ich ungerecht?

Habe ich das rechte Maß nicht eingehalten – beim Arbeiten und Ruhen, beim Essen und Trinken und beim Fasten, beim Streit und beim Vermeiden eines Streits?

War ich klug genug, um nachzudenken, welche Wirkungen mein Reden und Handeln hat und habe ich abgeschätzt, ob ich den anderen richtig verstehe. Kümmere ich mich darum, was dieser Gesellschaft hilft, menschlicher zu werden oder ist es mir einfach egal? Leiste ich einen Beitrag dazu?

Bin ich zu feige, um für meine Wertvorstellungen einzutreten?
Gebe ich schnell auf, wenn ich merke, dass es anstrengend und schwierig wird?
Vermeide ich alles, was Anstrengung und Ausdauer kostet?

Und es stellt sich die Frage:
Warum bin ich so? Könnte ich anders?
Was könnte ich ändern?

Denn eines steht fest:
So sehr auch jeder einzelne an sich arbeitet, ein immer besserer Mensch und Christ zu werden – wir werden immer auf die Vergebung anderer und auf die Vergebung Gottes angewiesen sein.

Unser Liebe könnte immer noch heller leuchten
unsere Hoffnung stärker und unser Vertrauen größer sein.

Die Botschaft Johannes des Täufers ist:
Kehrt um zum Herrn – immer wieder –
bleibt nicht stehen auf dem Weg, als Kinder Gottes sein Reich aufzubauen.

Denn: Gott hat Erbarmen. Er vergibt euch eure Sünden, wenn ihr auf dem Weg bleibt:
er vergibt euch euer zu wenig und er vergibt euch sogar das Böse –
wenn ihr nur auf dem Weg bleibt und immer wieder umkehrt zu eurem Gott.

27.09.2020: 26. Sonntag im Jahreskreis

Hier geht es zu den Texten der Liturgie:

Offiziell gelten bei uns strenge Bestimmungen für den Export von militärischen Produkten. Deutschland sagt, wir wollen keine Waffen in Krisengebiete liefern. Wir wollen nicht an kriegerischer Gewalt Geld verdienen.

Und doch finden sich Waffen aus deutscher Produktion in fast allen Kriegsgebieten. Die Rüstungskonzerne haben Wege gefunden, wie sie die Verbote umgehen – und die Regierung weiß das.

Solches Verhalten nennt man scheinheilig!

Scheinheiligkeit ist heuchlerisch und erweckt nur nach außen hin den Eindruck von Rechtschaffenheit – in Wahrheit ist hinter der Fassade Selbstsucht und Gleichgültigkeit.

Es ließen sich aus den Regierungen der Welt viele weitere Beispiele finden. Es finden sich – leider, das ist wirklich schlimm -für alle Epochen der Kirchengeschichte solche Beispiele.

Und wie ist es bei uns selbst? Bei jedem einzelnen?

Stimmt bei uns das wirkliche Verhalten mit dem Überein, was wir andere über uns denken lassen?

Das ist es, was wir an dem einen der beiden Söhne kritisieren: Er tut schön brav – aber nur zum Schein!

Schauen wir noch einmal hin: Das Gleichnis hält ja den Ältesten und den Hohenpriestern des Volkes den Spiegel vor: Sie hätten erkennen müssen, dass Johannes der Täufer Gottes Wort verkündet. Jeder, der das Gesetz des Moses und die Propheten kennt, musste merken, dass Johannes Gottes Bote ist.

Die offensichtlichen und bekannten Sünderinnen und Sünder haben es jedenfalls gemerkt:
Sie haben Johannes ihre Sünden bekannt und sich von ihm Taufen lassen und kehrten um von ihren Sündern.

Sie haben den Ruf in das Reich Gottes vernommen und sind ihm gefolgt.

Nicht aber die Hohenpriester und die Schriftgelehrten. Sie haben ihm nicht geglaubt – sondern sich gefreut, als man ihn umgebracht hat.

Sie haben sich der Einladung, der Stimme des Rufers in der Wüste,
sie haben sich Gott verweigert.

Liebe Schwestern und Brüder, es wäre ja so einfach, wenn ich mich nur einmal richtig entscheiden müsste – und dann ist alles gut.

Doch das Leben ist komplizierter:
Jeden Tag gibt es die Herausforderung, Gottes Stimme zu hören und zu erkennen und der Einladung in das Reich Gottes zu folgen.

Jeden Tag entscheidet sich aufs Neue, ob ich heuchle und nur so tue,
oder ob ich wirklich den Willen meines himmlischen Vaters erfülle.

Es ist eine tägliche Übung und Entscheidung!

Hilf Herr meines Lebens, das ich nicht vergebens, hier auf Erden bin.
Hilf Herr meiner Stunden, dass ich nicht gebunden an mich selber bin.
Hilf Herr meiner Tage, dass ich nicht zur Plage meinem Nächsten bin.
Hilf Herr meiner Seele, dass ich dort nicht fehle, wo ich nötig bin.

Hilf Herr meines Herzens, dass ich auf dich höre auf dem Weg zur dir.

13.09.2020: 24. Sonntag im Jahreskreis

Hier geht es zu den Texten der Liturgie:

Sie erinnern sich sicher noch an letzten Sonntag: Jesus sagt zu seinen Jüngern, sie sollen vergeben – wenn sie es tun wird es sicher auch der himmlische Vater tun, denn sie bitten um das, was Gottes Liebe in ihnen wirkt.

Petrus hat es offenbar verstanden: Wenn er fragt: Muss ich meinem Bruder siebenmal vergeben? Zeigt er durch diese Zahl sieben. dass er verstanden hat: Man muss dem Bruder uneingeschränkt immer wieder vergeben.

Jesus könnte nun einfach bestätigen: Ja so ist es! Statt dessen erzählt er eine Geschichte und treibt den Impuls zur Vergebung ins unermessliche. Zugleich erklärt er nochmal, warum wir einander immer wieder vergeben sollen:

Der König steht ja für Gott und wir alle brauchen die Vergebung von Gott her: In viel größerem Maß, als andere unsere Vergebung nötig haben.

Damit ist eigentlich alles gesagt!

Doch:
Haben wir das Bewusstsein dafür, dass wir Gottes Vergebung brauchen?
Spüren wir, dass wir ihm viel schuldig bleiben?
Oder sehen wir nur, wie andere an uns schuldig werden, weil sie rücksichtslos sind, boshaft, herablassend, egoistisch usw.?

Natürlich gibt es Beispiele von größter Grausamkeit, die Menschen anderen antun, die selbst nie solche Grausamkeit verüben.
Natürlich müssen wir uns – nach dem Vorbild Jesu – auf die Seite der Unterdrückten stellen, und denen helfen, die Unrecht erleiden.

Im Alltag aber: einer Familie, im Berufsleben, wenn wir uns im öffentlichen Raum bewegen, geht es zum Glück meistens um viel weniger.
Eben nur um 100 Denare – nicht um 10.000 Talente.

Liebe Schwestern und Brüder, versuchen wir es: versuchen wir es doch, einander nichts nachzutragen. Bestehen wir nicht darauf, dass jemand seine Schuld begleichen muss – wie immer er das auch tun sollte.

Vergeben wir in dem Bewusstsein, dass auch wir Vergebung nötig haben.

Binden wir den anderen nicht an ihr schlechtes Verhalten.
Lassen wir ihm die Freiheit, es besser zu machen.

Es ist doch besser vor dem Herrn zu stehen und zu sagen:
Vergib mir meine Schuld, wie ich auch denen vergebe, die an mir schuldig geworden sind.

Das ist mehr Frieden. Das ist mehr Ruhe und größerer Trost.

Wie wir es mit den ganz schlimmen Übeltaten machen, die auf dieser Erde geschehen?

Schwestern und Brüder, wir werden nie vollkommen sein und auf Gottes Erbarmen angewiesen – auch wenn wir nicht vergeben können.

Ein Theologe hat gesagt:
Wenn du nicht vergeben kannst, dann kannst du wenigstens beten, dass Gott ihm vergibt.

Das könnten wir vielleicht schaffen.

06.09.2020: 23. Sonntag im Jahreskreis

Hier geht es zu den Texten der Liturgie:

Jetzt während das Corona Virus die ganze Welt heimsucht, klingen die Sätze Jesu fast provokativ:

„Was auch immer zwei oder drei in meinem Namen erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten!“ –so viele Gemeinden, Familien, Ordensleute haben schon weiß Gott wie oft gebetet, dass diese Krankheit besiegt wird.

Wir haben schon so oft um Frieden gebetet, um Befreiung von Ausbeutung – wie oft haben wir erhalten oder nicht erhalten, worum wir gebetet haben?

Wie soll ich Jesus das glauben? Kann ich es glauben?

Bevor ich mich in Verbitterung und Auflehnung hineinrede, gehe ich noch einmal einen Schritt zurück und überlege:

Ganz sicher hat auch Jesus gewusst, dass längst nicht alle Gebete erhört werden. Dennoch hat er das gesagt.

Wie hat er sich das vorgestellt?

Ich schaue nochmal auf den Zusammenhang:
Was ihr hier löst, gilt auch im Himmel als gelöst. Was ihr bindet, gilt auch im Himmel als gebunden! Das ist auf den Umgang mit Menschen bezogen, die sich versündigen. Die Entscheidung der Gemeinde gilt bei Gott.
Im Vordergrund steht sicher der Impuls zur Vergebung, zur Versöhnung.

Sollte die Gemeinschaft der Glaubenden davon nicht viel öfter Gebrauch machen und Menschen aus dem lösen, befreien, was sie bindet und daran hindert, wirklich frei zu sein – auch wenn es nicht sein kann, dass dadurch den Opfern von Unrecht und Verbrechen Schutz und Hilfe und die Solidarität der Gemeinschaft entzogen wird.

Denken wir nur an die Opfer von Raub und Körperverletzung, von Entführung und Missbrauch: Es kann nicht sein, dass sie ansehen müssen, wie ihre Peiniger gelöst sind und sie dadurch an das erlittene Unrecht gebunden bleiben.

Zu diesem Geschehen von Binden und Lösen, von Zurechtweisung und Umkehr und Versöhnung gehört dieses Wort von der Bitte der Glaubenden.

Wenn wir gemeinsam Bitten, dass Gott vergibt, wie auch wir vergeben, dann wird unsere Bitte erfüllt, weil in diesem Gebet Jesus mitten unter uns ist und wir so beten, wie er es uns gelehrt hat.

Liebe Schwestern und Brüder,
nur auf Anhieb erscheinen diese beiden Sätze als uneinlösbares Versprechen, dass unsere Bitten um Gesundheit und Frieden von Gott erfüllt würden.

Bei genauerem Hinsehen sind sie eine viel tiefer und bedeutender:
Jesus ist mit uns, wenn wir in seinem Namen versammelt sind.
Wir beten, als seine Schwestern und Brüder, als Kinder Gottes, wie er es uns lehrt:
Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.


Ich versuche es mit eigenen Worten auszudrücken:
Gott verschenkt sich an uns, so dass wir bitten, was seine Liebe wirkt.
Vater vergib ihnen!

Zum Abschluss noch drei Anmerkungen zum Gebet Jesu:
Nach dem Matthäusevangelium betet Jesus im Ölberg:
Dein Wille geschehe.
Im Augenblick des Todes hört er zu bitten auf und klagt:
Warum hast du mich verlassen?

Der Auferstandene sagt zu den Jüngern – und das erinnert an die Zusagen „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“: Ich bin bei euch alle Tage, bis zum Ende der Welt.

Dies sind verschiedene Momente des gleichen Geheimnisses Jeus:
Was immer wir auch bitten, wir bitten – weil Jesus in unserer Mitte ist -, was Gottes Liebe wirkt.

16.02.2020: 6. Sonntag im Jahreskreis

Hier geht es zu den Texten der Liturgie: schott

Liebe Schwestern und Brüder,
vieles tun wir so, wie wir es tun, weil der Geist Gottes in uns wirksam ist.
Er ist nicht nur in uns wirksam – aber wir sehen, was der Geist in uns und in anderen Menschen bewirkt.

Wenn wir uns so verhalten, wie es der Geist Gottes in uns wirkt, dann deshalb, dass andere es sehen und sich ebenfalls dem Vater im Himmel anschließen und auf ihn hören.

Das Verhalten, das der Geist bewirkt, beschreibt Jesus weiter in seiner Auslegung der Thora. Es gibt eine auffällige Spannung in der Verkündigung Jesu:
Hier ist er sehr streng: Was er sagt, fordert den Menschen noch mehr als das Freiheitsgesetz des Mose. Und die Strafe, von der Jesus spricht, ist das Gericht Gottes über den Menschen.
Dieser Strenge steht aber Jesu Botschaft der Vergebung und Versöhnung gegenüber: Er spricht den Menschen Vergebung zu und befreit sie von den üblen Geistern, mit denen sie andere und sich selbst plagen.

Jesus spricht davon, wie es im Reich Gottes zugeht:
Im Reich Gottes wird nicht gezürnt und niemand wird als gottloser Narr ausgeschlossen.
Im Reich Gottes wird die Liebe nicht gebrochen und kein Mensch begehrt einen anderen.
Im Reich Gottes wird niemand einen unehrlichen Gedanken haben, mit dem er anderen etwas vormachen will.

Im Reich Gottes darf jeder sein, die Liebe wird nicht gebrochen und die Wahrheit wird geachtet.

Diese Gerechtigkeit ist noch größer als die Gesetze, die Mose in der Tora den Israeliten gegeben hat.

Jesus sagt: Wenn wir diese Gerechtigkeit nicht halten, kommen wir nicht in das Himmelreich. Es stellen sich mir zwei Fragen:

  1. Ist das Verhalten möglich?

Ist es möglich, jeden anderen Menschen als Kind Gottes gelten zu lassen?

Ist es möglich als Mann und Frau zu leben, ohne eine Menschen zu begehren, der zu einem anderen gehört?

Ist es möglich, ehrlich zu sein – kann man ganz ohne Lügen auskommen?

Und 2. frage ich mich:
Will Jesus alle, die mit einer dieser Regeln in Konflikt kommen, aus dem Himmelreich ausschließen? Sagt er dann: Du bist Gott los – du kommst nicht in das Himmelreich?

Ist es nicht vielmehr so, dass ich Jesus nicht verstehe, wenn ich diese Sätze auf Logik und Widerspruchsfreiheit prüfe?

Schwestern und Brüder,
auch wenn selbst die Regeln des Himmelreiches nicht so unerreichbar sind – wir wissen, dass wir sie nicht immer einhalten. Jesus führt uns das klar vor Augen. Und genau deshalb gibt es nur einen Weg, wie wir in das Himmelreich kommen: Die Versöhnung von Gott her, die Vergebung.

Es gibt keine Welt ohne Sünde. Es gibt keinen Menschen, an dem ich noch nicht schuldig geworden wäre. Es gibt keinen Menschen, der mir nicht Liebe schuldig geblieben ist.

Deshalb geht es nur mit Vergebung und Versöhnung, mit Barmherzigkeit und Nachsicht. Unter uns Menschen und von Gott her.