29. Januar 2012: 4. Sonntag im Jahreskreis

War es wirklich ihre freie Entscheidung, jetzt in die Kirche zu gehen, oder folgten sie nur einem inneren Zwang,
der durch Erziehung, durch ihre Glaubensentscheidung, durch die kulturelle Prägung, durch ihren Gehorsam gegenüber dem Sonntagsgebot zustande kommt?

Vor einigen Jahren ergab sich ein Gespräch mit einem Pastoralreferenten, mit dem ich in einem Kurs zusammen war: Wie frei sind wir Menschen eigentlich? Mein Kollege behauptete: Wir meinen frei zu entscheiden, aber eigentlich setzen wir nur unsere inneren Bestimmungen in einer konkreten Situation in Handeln um.

Ich muss zugeben: Das ist nicht von der Hand zu weisen. Viele unserer täglichen Handlungen und scheinbaren Entscheidungen sind bei weitem nicht so frei, wie es äußerlich scheinen mag.

Und doch kennen wir Freiheit. Sie ist zum Beispiel in unserer Verfassung als Grundrecht festgeschrieben: Jeder hat das Recht auf freie Berufswahl, freie Meinungsäußerung, auf Religionsausübung, sich zu bewegen usw.

Manchmal machen wir auch ganz bewusst von unserer Freiheit Gebrauch: Wenn wir uns entscheiden, uns zu verändern, wenn wir neue Werte entdecken, wenn wir Werte in den Vordergrund rücken, die bisher mehr im Hintergrund standen.
Manchmal ist es einfach nur schwer zu entscheiden, welche Entscheidung die richtige ist – um das Ziel zu erreichen, das wir gewählt haben und das unser Handeln bestimmt.

Unsere Freiheit ist bedingt von vielen Umständen und auch die Weite unserer Entscheidungsmöglichkeiten – unsere Macht ist begrenzt.

Nach diesen Überlegungen schaue ich noch einmal auf den Abschnitt des Evangeliums. Es handelt von einem Mann, der von einem unreinen Geist besessen, beherrscht war.
Ein Mann, der also nicht Herr über sich selbst war, sondern Dinge tat, die er nicht tun wollte; nicht er, sondern ein „Geist“ bestimmte sein Tun.
Was immer das genau sein mag: es kann eine Krankheit sein, oder das, was die Bibel einen Dämon nennt. Jedenfalls ist die Freiheit dieses Mannes extrem eingeschränkt, weil er von etwas anderem als seinem Willen bestimmt wird – von innen her. Schrecklich muss das sein!

Aber kenne ich das nicht auch?
Ich weiß genau, dass es besser wäre diesen Satz nicht zu sagen: aber ich kann nicht anders. Er muss aus mir heraus.
Ich lasse mich treiben und tue alles Mögliche nur nicht, was ich mir vorgenommen habe.
Obwohl ich Wahrheit und Hilfsbereitschaft als große Werte schätze, sage ich: „Ich habe jetzt keine Zeit!“ – weil ich keine Lust habe.

Was schränkt meine Freiheit ein?
Meine Freiheit für andere da zu sein.
Meine Freiheit zur Solidarität.
Meine Freiheit, mir Zeit zu nehmen für das Gebet.
Was fesselt mich?

Jesus scheint große Macht zu besitzen:  Er scheint mit seiner Botschaft von Gott die Macht zu haben, mich von dem zu befreien, was mich davon abhält, das zu leben, was ich bin:
Gottes Kind zu sein    – Wollen Sie das?