18. Oktober 2015: 29. Sonntag im Jahreskreis (Kirchweih)

Hier geht es zu den liturgischen Texten: Schott

Liebe Schwestern und Brüder, erinnern Sie sich noch?
Vor 4 Wochen hat Jesus seinen Jüngern schon das gleiche gesagt: Wer der erste sein will, soll der letzte von allen und der Diener aller sein!
Und nun: Im Ablauf des Markusevangeliums ist nicht viel Zeit vergangen, das Gleiche wieder: Jakobus und Johannes beantragen bei Jesus eine Bevorzugung vor den anderen Jüngern!

Die Antwort Jesu ist die gleiche: „Wer bei euch groß sein will, soll euer Diener sein. Wer bei Euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein.“

Das Evangelium begründet das mit dem Leben Jesu selbst: „Der Menschensohn gekommen, um zu dienen!“

Ich finde, gerade heute am Kirchweihsonntag passen diese Sätze wunderbar, weil sie uns davor bewahren, dass wir eine Kirche wünschen und ersehnen, die die Welt regiert:
Ich singe gerne das Lied: ein Haus voll Glorie schauet, weit über alle Land!“
Das Lied hat Schwung, ist zuversichtlich und vermittelt mir beim Singen: Du gehörst zu etwas ganz Großem!“

Doch rühmen soll sich die Kirche, dessen, dass sie auf Gottes Wort gebaut ist, auf Christus, der gekommen ist, um uns zu dienen und damit wir einander und den Menschen dienen.

Der französische Bischof Jacques Gaillot prägte den Satz: „Eine Kirche, die nicht mehr dient, dient zu nichts!“

So lerne ich: Kirche ist kein Selbstzweck. In der Kirche darf es nicht um Macht gehen und um Herrschaft, um Privilegien und Vorrechte, um Titel und würden: weder für den Einzelnen noch für die Kirche als Ganzes.

Vielmehr hat die Kirche eine Sendung in der Welt und zu den Menschen: Die Kirche soll das Werk der Versöhnung weiterführen, dass Jesus begonnen hat:
Die Kirche muss sich für den Frieden in der Welt einsetzen;
die Kirche muss immer und überall Wege suchen, wie Frieden werden kann.

Die Mächtigen in der Welt missbrauchen ihre Macht über die Menschen: Sie säen Gewalt und Unterdrückung – dafür darf in der Kirche kein Platz sein!
Und wenn die Versuchung noch so groß ist: wenn ich noch so sehr meine, mich wehren zu müssen: es soll mich nichts davon abbringen, gerecht zu sein und ehrlich und barmherzig.

Schwestern und Brüder, vor 50 Jahren ging das 2. Vat. Konzil zu Ende: Die Konzilsväter lehrten über die Kirche, sie sei das Sakrament der Einheit für die ganze Menschheit:
Damit ist uns für unser persönliches Leben eine wichtige Sendung gegeben: Wir müssen dem anderen dienen wollen, dass er Frieden findet, dass er versöhnt leben kann und dass er zur Einheit findet mit Gott:

Für mich bedeutet das: niemals kann ich zu jemandem sagen: für dich ist es zu spät.
Vielmehr muss ich sagen:  Du kannst Versöhnung finden. Der Weg, um Frieden zu finden, steht dir offen. Wie kann ich dir dabei zur Seite stehen?

Schwestern und Brüder, wie schwer tun sich die Bischöfe in der Kirche , diese Sendung der Kirche ganz ernst zu nehmen: Zu Recht lehrt die Kirche, dass die Ehe zwischen Mann und Frau ein Sakrament ist für die Liebe Gottes zu den Menschen. Zu Recht ruft die Kirche dazu auf, in der Liebe treu zu bleiben.

Doch ist es recht, die Menschen zu verurteilen, die trotz guten Willens und ernsthaften Bemühens dieses Ideal nicht verwirklichen konnten? Bei denen der gute Wille vielleicht nicht groß genug war?
Ist es recht, ihnen den Weg zu verschließen, den Weg zu Versöhnung und Frieden?
Ist es nicht so, dass die Kirche alle Sünden vergeben kann, auch die schwersten, wenn ein Mensch umkehrt und Frieden sucht?

Schwestern und Brüder, wer der erste sein will, soll der Sklave aller sein, sagt Jesus. Eine Kirche die nicht dient, dient zu nichts, übersetzte Bischof Gaillot. Jedem Christen ist aufgetragen, den anderen zu dienen:
So werden wir, was wir sein sollen: Zeichen und Werkzeug der Einheit des ganzen Menschengeschlechtes.

4. Oktober 2015: Erntedank

Lesungen: 1. Lesung: Joel 2,21-27   –  2. Lesung: 1 Tim 6    –   Ev:  Lk 12

Liebe Schwestern und Brüder,
die Ernte ist weitgehend eingebracht: Allein die Zuckerrüben stecken noch im Erdboden und werden erst bis in den Dezember hinein gerodet.

Es gibt: Kartoffeln und gelbe Rüben, Rosenkohl und Bohnen, Weizen und Mais – auch wenn es heuer fast nicht geregnet hat.

Wir dürfen uns freuen, dass die Felder in unserer Heimat fruchtbar sind,
dass trotz allem geerntet werden konnte.
Wir wollen danken: den Bauern für ihre Arbeit, den Technikern für die Maschinen, den Biologen für die richtigen Züchtungen, den Lagerhäusern und ihrem Personal, und und und.

Doch das ist nicht alles: die Erde gab ihren Ertrag: wir legen alle zusammen die Früchte der Erde vor den Altar und sind dankbar, dass uns die Erde trägt und ernährt. Wir danken ihm, dem einen, durch den wir alle sind und leben. Ohne ihn gäbe es nichts. Keine Erde, keine Früchte und weder Tier noch Mensch, die von der Frucht der Erde leben.

Wir danken Gott für die Ernte, für das Leben!
Und: da ich Gott für das Leben danke, nehme ich es an: mein Leben –
so wie es ist – und nicht nur das eigene Leben:
Wer Gott für das Leben dankt, sagt zugleich Ja zu jedem Lebendigen: Jeder darf auf dieser Erde sein und von der Frucht der Erde leben.

Wenn ich diese Einstellung annehme, Schwestern und Brüder,
ist mir sofort klar, welchen Fehler der Mann in dem Gleichnis machte:
Er dachte nur an seine Sicherheit: Jetzt lasse ich es mir gut gehen.
Kein Gedanke daran, dass diese reiche Ernte ihm zwar gehört, aber doch nicht für ihn allein bestimmt ist.

Schwestern und Brüder, wir dürfen im Wohlstand leben – schon seit vielen Jahrzehnten: manche mehr, manche weniger: sind wir bereit, die gute Ernte zu teilen?

Viele Jahre waren wir verschont: Not und Hunger, bittere Armut – das war etwas für ganz wenige in unserem Land (so redeten wir uns ein) und für die Länder im Süden und im Osten – in den Hungerzonen der Welt.

Krieg und Gewalt waren weit weg von uns – jedenfalls, seit der Balkan einigermaßen befriedet ist.

Doch nun mit dieser großen Zahl an Flüchtlingen kommen Not und die Folgen des Krieges vor unsere Haustüre. Und ich finde, wir haben – ganz besonders als Christen eine doppelte Mission:

Erstens dass wir unsere Scheunen öffnen; dass wir den Menschen Unterschlupf gewähren, die zu uns gekommen sind;
dass wir sie menschlich behandeln, dass wir ihre Wunden heilen;
dass wir ihnen Zuwendung und Nähe schenken, so dass sie uns nahe kommen.

Und wir haben noch eine Verantwortung gegenüber den Menschen,
die nun bei uns sind: wir müssen sie dafür gewinnen, dass sie mit uns zusammen den Frieden, den sie hier suchen auch achten und bewahren.
Wir müssen sie begeistern von unserer Idee der Gesellschaft, in der das Leben respektiert wird, in der jeder Mensch frei über sich bestimmen kann, wo Achtung vor dem Leben und vor der Freiheit des anderen zu Sicherheit führt.

Dazu müssen wir uns selbst wieder neu auf unsere Ideale besinnen!
Wir müssen vielleicht auch uns hinterfragen lassen: ob wir nicht manche Ideale schon lange dem Profitstreben vergessen haben:
Und wir müssen damit rechnen, dass es ein schwieriger Weg wird, mit Rückschlägen und Enttäuschungen.

Doch: dass wir für unser Leben danken und es annehmen, dass wir zugleich ja sagen zu jedem Lebendigen, gibt uns Zuversicht und Mut:
Dass wir mit den Menschen, die zu uns gekommen sind, eine Gesellschaft werden können, in der aus dem Ja zum Menschen Geborgenheit und Sicherheit und Frieden entsteht.

27. September 2015: 26. Sonntag im Jahreskreis (LJ B)

Hier geht es zu den liturgischen Texten: Schott

Liebe Schwestern und Brüder,
diese Sätze des Markusevangeliums sind wieder verstörend.
Bevor ich versuche, sie auszulegen, möchte ich uns erinnern:

Die Jünger stritten sich, wer unter ihnen der Größte sei. Da belehrte Jesus sie und sagte: Wer unter euch der Größte sein will, soll der Diener aller sein.

Dann meldet sich – in der Dramaturgie des Mk Evangeliums – Johannes zu Wort: Wir haben einen Fremden daran gehindert in deinem Namen Dämonen zu vertreiben!

Es klingt, als ob Johannes die Loyalität der Jünger mit Jesus dadurch beweisen wollte. Doch auch da wird er von Jesus korrigiert: Hindert ihn nicht daran. Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.
Und wer nur eine kleinste Hilfe gibt, weil jemand zu Christus gehört, wird dafür von Gott belohnt werden!

Dann aber kommt eine Mahnrede an alle, die von sich sagen, dass sie zu Christus gehören und noch mehr für die, die die Botschaft Jesu verkünden: als Apostel, als Bischöfe, als Priester in deren Auftrag:

Wer durch sein Verhalten einen Menschen im Glauben verunsichert,
oder gar vom Glauben abbringt, für den wäre es besser, gar nicht die Möglichkeit dazu zu haben!
Und deshalb soll keiner, der an Christus glaubt zulassen, dass er durch sein Verhalten ein Hindernis wird für den Glauben.

Schwestern und Brüder,
das macht mich sehr nachdenklich:
ich überlege: Gibt es Menschen, für die ich selbst zum Hindernis des Glaubens wurde. Die sagen: wenn der sich so verhält, dann will ich damit nichts zu tun haben?

Und ich denke an die dunklen Seiten der Geschichte: wie viele Bischöfe und christliche Herrscher haben schon Böses getan und damit den Glauben der Menschen an Christus zerstört?

Heute noch ist es so, dass manchen Menschen gesagt wird: du gehörst nicht an den Tisch des Herrn, weil du so lebst oder handelst.

Schwestern und Brüder,
die positive Aussage dieser Sätze ist die:

Ihr Christen alle, besonders ihr Führenden in der Kirche,
vermeidet unter allen Umständen etwas Böses zu tun,
damit ihr und euer Verhalten niemanden den Glauben an Christus erschwert oder gar raubt.

Gäbe es etwas schlimmeres, als eingestehen zu müssen:
Wegen mir hat ein Mensch den Glauben an den guten Gott verloren?

Gäbe es etwas schlimmeres, als von sich sagen zu müssen:
Ich habe einem Menschen die Hoffnung geraubt und ihn in Verzweiflung gestürzt?

Gäbe es etwas schlimmeres, als die Schuld auf sich geladen zu haben,
dass ein Mensch nicht mehr an die Liebe glauben kann?

Schwestern und Brüder,
wir wollen nicht Barrieren errichten zwischen Gott und Mensch,
sondern wir wollen und sollen seine ausgestreckten Hände sein, die die Menschen einladen und die den Frieden Gottes zu den Menschen bringen.

20. September 2015: 25. Sonntag im Jahreskreis

Hier geht es zu den liturgischen Texten: Schott

Liebe Schwestern und Brüder,
ich finde es anrührend, wie Jesus versucht, die Jünger zu gewinnen,
Wie er sie anspricht, damit sie verstehen, worum es ihm geht und damit sie seine Weisheit und seinen Geist annehmen;
damit die Jünger nicht mehr so denken und empfinden wie Menschen sonst – sondern so wie Jesus.

Die Jünger haben Streit: Wer ist der Größte, wer ist der Beste, wen hat Jesus wohl am liebsten, wer darf Vorrechte gegenüber den Anderen beanspruchen?

So denken wir Menschen, so sind wir. Jedenfalls ist das eine Seite an uns.

Einerseits brauchen wir das auch: dieser Ehrgeiz, besser sein zu wollen, treibt uns an und bringt uns Vorwärts.
Und das Zusammenleben erfordert eine gewisse Ordnung und Hierarchie:
Es ist vieles einfacher, wenn jemand die Vollmacht hat, Entscheidungen zu treffen und auch die Ordnung durchzusetzen.

Anarchie funktioniert nicht und kann nicht funktionieren.

Jesus sagt einmal zu den Jüngern: Ihr nennt mich Meister und Herr und ihr nennt mich mit Recht so. Jesus war auch der Anführer seiner Jünger. Er entschied, dass man weitergeht, dass man sich ausruht, dass man in ein Dorf geht. Er handelte souverän, ohne einen Menschen um Erlaubnis zu bitten.

Aber: Jesus wusch seinen Jüngern die Füße; er ließ sich nicht bedienen;
er wollte keine Posten und kein Amt – weder im Tempel noch im Palast.

Jesus hat uns etwas zu sagen – aber er will nicht über uns herrschen.
Er will, dass wir ihn verstehen; er will, dass wir seinen Geist in uns haben;
dass wir selbst so denken und handeln wie er.

Ist es nicht so: wir Menschen neigen dazu, groß sein zu wollen: deshalb gibt es Sätze wie diese:
hinter dem brauche ich mich nicht zu verstecken; der ist auch nicht besser als ich; das, was die kann, kann ich schon lange.

Jesus aber lädt zu einem ganz neuen Mensch Sein ein:

Wer ein Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf.
Wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat.

Schwestern und Brüder,
das ist toll, das ist atemberaubend: Jesus sagt:
Sorgt für die Kleinen, für die unbedeutenden. Das soll euer Ehrgeiz sein.

Das ist mehr als ein Aufruf zur Mildtätigkeit. Es geht einen Schritt weiter:
Wir können wie Jesus sagen: Wer ein kleines und verlorenes Kind aufnimmt, der nimmt mich auf. Das heißt, dass wir Christen uns mit den kleinsten und unbedeutendsten Menschen identifizieren.

Das ist genau das, was Franziskus sagt:
eine Kirche der Armen – für die Armen.
Wir Christen werden Jesus immer ähnlicher, wenn wir die Welt mit den Augen der Menschen sehen, die keine Macht haben, die übersehen werden, deren berechtigte Bedürfnisse nicht einmal wahrgenommen werden: Ob es nun alte, gebrechliche Menschen sind, oder Menschen mit Behinderungen, oder Kinder..

Alle Christen, auch wenn sie an der Spitze stehen, auch wenn sie reich und mächtig sind, können diesen Geist Jesu umsetzen, und
und erst recht wir, die wir uns oft klein und machtlos und vielleicht sogar ausgeliefert fühlen,

können sagen: Wer einen schutzlosen Menschen aufnimmt,
der nimmt mich auf. Der tut mir etwas Gutes, dem bin ich dankbar.

Schwestern und Brüder, Jesus spricht uns ins Herz:
Strebe nicht danach, nach oben kommen,
sondern streben danach, denen ganz unten beistehen –
das ist der Geist Jesu.